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FAQ

Fragen und Antworten zu Milch aus kuhgebundener Kälberaufzucht

Kerstin Barth | 31.05.2022


OL Institut für Ökologischen Landbau

Ist Milch aus kuhgebundener Kälberhaltung unbedenklich? Welche Betriebe bieten das überhaupt an? Und wie viel Milch trinkt ein Kalb eigentlich an seiner Mutter? Hier finden Sie Antworten auf diese und andere Fragen.

Hin und wieder wird berichtet, dass Eutererkrankungen durch das Besaugen von Kälbern  kuriert werden können. Wissenschaftliche Untersuchungen liegen dafür nur eingeschränkt vor. Dass sich das wiederholte Entfernen der keimreichen bzw. mit Toxinen angereicherten Milch aus dem Euter positiv auf den Heilungsverlauf auswirken kann, ist unbestritten. Allerdings heißt dies auch, dass die Kälber die Arbeit des Melkers übernehmen und – weitaus bedenklicher – die krankhaft veränderte Milch trinken müssen. Im Sinne einer wertvollen Nachzucht ist das nicht! 

Die EU-Hygiene-Verordnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs (VO (EG) 853/2004) definiert Rohmilch als „das unveränderte Gemelk von Nutztieren, das nicht über 40°C erhitzt und keiner Behandlung mit ähnlicher Wirkung unterzogen wurde“. Der Begriff „unverändert“ ist allerdings nicht genauer erläutert und bezieht sich wohl auf den bewussten Entzug bzw. Zusatz von Stoffen.

Die deutsche Verordnung zur Fortentwicklung des Rohmilchgüterechts (vom 11. Januar 2021) definiert die Rohmilch in §3 als „das ausschließlich durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnene unbehandelte Erzeugnis der normalen Eutersekretion von Rindern, wobei die Kühlung der Rohmilch nicht als Behandlung gilt.“ Es existieren keine Vorgaben, wie viel Milch eine Kuh je Melkung mindestens geben muss. Grundsätzlich muss die Milch, die für den menschlichen Verzehr gewonnen wird, also auch die Milch aus kuhgebundener Aufzucht, den festgelegten Gütekriterien entsprechen und vorschriftsmäßig untersucht werden. Privatrechtliche Verträge mit milchverarbeitenden Unternehmen können die Durchführung der kuhgebundenen Aufzucht allerdings unterbinden.

Wie viel Milch ein Kalb durch Saugen aufnimmt, lässt sich nur indirekt durch die Wiegen-Saugen-Wiegen-Methode bestimmen. Sylvia Nicht (2005) ermittelte nach einer definierten Zwischensaugezeit von drei bis fünf Stunden in Abhängigkeit vom Alter des Kalbes Milchmengen zwischen 2,5 bis 5 Liter je Saugvorgang. Bei ungehindertem Kontakt zu ihren Müttern steht eine ausreichende Versorgung der Kälber außer Frage: Tägliche Zunahmen von mehr als 1000 Gramm sind normal (Roth et al. (2009)). Bei der Kombination von Müttern und Ammen saugen mehrere Kälber an einer Kuh, die zusätzlich zuvor meist noch gemolken wurde. Den Kälbern steht folglich nur eingeschränkt Milch zur Verfügung. Inwieweit sich das auf ihre körperliche Entwicklung auswirkt, wurde bisher noch nicht untersucht. 

Das hängt natürlich vom praktizierten Verfahren ab. In den Trenthorster Versuchen, bei denen jede Kuh über mehr als 90 Tage nur ihr eigenes Kalb versorgt hat und dies auch den ganzen Tag Zugang zur Mutter hatte, betrug der Unterschied zwischen den Kontrollkühen (ohne Kalbkontakt) und den Kühen, die Kälber führten, durchschnittlich ca. 15 kg Milch je Kuh und Tag. Die 305-Tage-Leistung wies für die kalbführenden Kühe eine Minderung um ca. 1.600 kg aus. Diese Menge ist natürlich nicht verloren, sondern kommt im Wesentlichen dem Kalb zugute.

Noch ist die Anzahl der Betriebe, die ihre Kälber an der Mutter oder einer Amme aufziehen, überschaubar. Meist wird die so erzeugte Milch auch nur direkt an die Kunden abgegeben. Die Tierschutzorganisation ProVieh e. V. hat auf ihrer Website eine Liste von Betrieben veröffentlicht, die Milch auf diese Art und Weise produzieren und zum Teil auch direkt vermarkten.

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