Von der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik werden voraussichtlich nur geringe Impulse für eine Verbesserung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft ausgehen, so die Analyse von Wissenschaftlern des Thünen-Instituts
Von der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik werden voraussichtlich nur geringe Impulse für eine Verbesserung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft ausgehen. Zu dieser Einschätzung sind Wissenschaftler des Thünen-Instituts gelangt, die die Politikbeschlüsse der EU zum sogenannten „Greening“ analysiert haben. In ihrem Bericht bewerten die Thünen-Wissenschaftler unterschiedliche Optionen zur Ausgestaltung des EU-Rahmens in Deutschland. Sie empfehlen, möglichst schnell eine ökologische Begleitforschung zum Greening zu etablieren, um empirische Grundlagen für eine verbesserte Agrarpolitik zu schaffen.
Die Ökologisierung der Agrarpolitik stellt ein wichtiges Anliegen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dar. Hierbei kommt der „Begrünung“ der Direktzahlungen eine besondere Bedeutung zu. Landwirte erhalten nur dann Direktzahlungen in voller Höhe, wenn sie Mindeststandards in Bezug auf die Kulturpflanzenvielfalt und die Erhaltung von Dauergrünland erfüllen sowie mindestens 5 % ihrer Ackerfläche im Umweltinteresse nutzen. Insgesamt sind für Landwirte in Deutschland bis 2020 jährlich rund 4,9 Mrd. Euro Direktzahlungen (ca. 290 Euro je Hektar landwirtschaftlicher Fläche) vorgesehen, davon rund 1,5 Mrd. Euro als Greening-Prämie.
Die wichtigsten Verordnungen zur GAP ab 2014 wurden im Dezember 2013 veröffentlicht. Die zur konkreten Umsetzung notwendigen Rechtstexte werden derzeit erarbeitet. Zeitgleich erörtern die nationalen Parlamente bereits die Frage, wie die Mitgliedstaaten die diversen Ausgestaltungsoptionen nutzen sollten, die der EU-Rechtsrahmen eröffnet.
Um diesen Prozess zu unterstützen, hat das Thünen-Institut in den vergangenen Monaten mehrere Untersuchungen vorgelegt. Die jüngste Studie „Faktencheck Agrarreform: Biodiversitätsrelevante Regelungen zur nationalen Umsetzung des Greenings der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2013“ zeigt, dass die EU-Agrarreform voraussichtlich nur geringe Verbesserungen für die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften bringen wird. Teilweise kann es durch das Zusammenwirken verschiedener Komponenten des neuen agrarpolitischen Regelwerks sogar zu einer Verschlechterung der Biodiversität kommen.
Bei der nun anstehenden Umsetzung des EU-Rahmens müssen die nationalen Parlamente abwägen, welche Bedeutung sie Umwelt- und Einkommenseffekten sowie einer möglichst einfachen Administrierbarkeit beimessen. Wenn der EU-Rahmen so ausgeschöpft wird, dass dieser die landwirtschaftlichen Betriebe möglichst wenig einschränkt, könnte es in den nächsten Jahren z. B. zu einer verstärkten Umwandlung selbst von ökologisch wertvollem Grünland in Ackerland kommen. Um dies zu verhindern, haben die Thünen-Wissenschaftler ein dreistufiges Konzept entwickelt, das je nach Schutzwürdigkeit der Grünlandflächen ein unterschiedlich hohes Schutzniveau vorsieht und in den Rechtsrahmen des Bundes und der Länder integriert werden sollte.
Auch wenn der nationale Gestaltungsspielraum maximal ausgeschöpft wird, bleibt festzuhalten: Mit den für Deutschland vorgesehenen Zahlungen für das Greening (ca. 1,5 Mrd. Euro pro Jahr) ließe sich ein deutliches Mehr an Umwelt- und Klimaschutzleistungen erzielen, wenn diese Mittel stärker räumlich und inhaltlich gelenkt und zur Aufstockung regional differenzierter, zielgerichteter Agrarumweltmaßnahmen verwendet würden. Solche Agrarumweltmaßnahmen werden z. B. in den Programmen zur ländlichen Entwicklung oder im Vertragsnaturschutz angeboten.
Mit den EU-Beschlüssen zum Greening wurde eine Richtungsentscheidung gefällt, die die praktische Agrarpolitik vermutlich über 2020 hinaus prägen wird. Bei aller Grundsatzkritik am Greening ist es deshalb nach Auffassung des Thünen-Instituts auch erforderlich, Voraussetzungen zu schaffen, um das Greening in der Zukunft möglichst effizient gestalten zu können. Die von der EU vorgesehenen Evaluierungen werden diese Voraussetzungen nicht erbringen. Daher wird angeregt, möglichst umgehend auf nationaler Ebene eine ökologische Begleitforschung zum Greening und ein Monitoring der biologischen Vielfalt aufzubauen, um eine wissenschaftliche Basis für eine Bewertung der Auswirkungen der Agrarpolitik auf die Umwelt und die fortlaufende Optimierung des Greenings zu schaffen.