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Mehr Daten für bessere Modelle

Können wir berichten, was wir nicht wissen? Diese Frage haben sich 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit gestellt. Ihre Antwort ist eindeutig: Ja, wir können.

Messgeräte stehen in einem rundabgegrenzen Bereich auf einem Feld
© Thünen-Institut/Amanda Matson

Messung von Stickstoff N₂- und Lachgas N₂O-Emissionen (o.) als Basis zur Weiterentwicklung von Modellen der Stickstoffdynamik in Agrarböden (u.).

Ein Modell von Stickstoff und Lachgas im Boden mit Chemischer Formel
© Thünen-Institut/Amanda Matson

In einem Artikel für das renommierte AGU Advances Journal haben die auf Messung und Modellierung spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Balasz Grosz, Dipl.-Ing. Rene Dechow und PD Dr. Reinhard Well vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz ihre eindeutige Antwort so überzeugend begründet, dass der Artikel von den Editoren als "Editor's Highlight" ausgewählt und veröffentlicht wurde.

Die Fragestellung entstand im Rahmen der Verbundprojekte DASIM und MinDen, an denen das Thünen-Institut maßgeblich beteiligt ist. Beide Projekte verfolgen das Ziel, durch Messung und Modellierung der sogenannten Denitrifikation Voraussetzungen zu liefern, die Stickstoff-Effizienz von Agrarökosystemen zu verbessern und schädliche Emissionen zu mindern. Unter Denitrifikation versteht man die Umwandlung des im Nitrat gebundenen Stickstoffs zu molekularem Stickstoff durch Bakterien, die daraus wiederum Energie gewinnen. Als Zwischenprodukt entsteht dabei Lachgas (N2O), eines der Treibhausgase. Die Lachgas-Emissionen aus der Denitrifikation bilden den größten Anteil der Emission dieses klimawirksamen Gases aus landwirtschaftlichen Böden.

Die genaue Kenntnis darüber, in welcher Menge Nitrat zu Stickstoff abgebaut wird, hilft etwa der Landwirtschaft dabei, Lachgas-Emissionen und den Verlust von Düngerstickstoff zu reduzieren. Allerdings sind robuste Datensätze rar, mit denen Stickstoff-Flüsse aus Denitrifikationsmodellen so dargestellt werden können, dass sie der Realität entsprechen. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen sind geeignete Messmethoden nur begrenzt verfügbar. Zum anderen laufen die Umwandlungsprozesse je nach Ort und Zeit extrem unterschiedlich ab.

In dem Artikel, der die international geführte Diskussion über Lücken in vorhandenen Modellen aufgreift, erläutern die Forschenden unter anderem, wie wichtig es ist, vollständige Stickstoff- und Kohlenstoff-Bilanzen zu publizieren. Zahlreiche biogeochemische Modelle kalkulieren zwar die gesamte Stickstoff-Bilanz. Im Verlauf der Review-Prozesse bestehen Journale und Gutachter*innen jedoch häufig darauf, nur an Messungen kalibrierte Modellergebnisse zu publizieren.

Die Autor*innen gehen daher davon aus, dass es deshalb so wenige vollständig modellierte Stickstoff-Bilanzen in der Literatur gibt, weil die wissenschaftliche Gemeinschaft die Veröffentlichung nicht validierter modellierter Ergebnisse nur ungern unterstützt. Hinzu kommt, dass die simulierten Ergebnisse durchaus unrealistisch sein können, wenn sie nicht durch Messungen untermauert werden. In ihrem Artikel empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher, systematisch vollständige Stickstoff-Bilanzen sowie nicht validierte Ergebnisse etwa der Stickstoff-Emissionen dennoch zu veröffentlichen. Dies würde die Vielfalt und Unsicherheit verschiedener Modellierungsansätze veranschaulichen, die Robustheit der modellierten Bilanzen demonstrieren, Datenlücken aufzeigen und nicht zuletzt die Entwicklung künftiger Modelle erleichtern.

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