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Expertise

Wälder im (Klima-)Wandel: Trotz feuchtem Winter in schlechtem Zustand

Nicole Wellbrock | 13.05.2024


WO Institut für Waldökosysteme

Wäldern in Deutschland, besonders den Hauptbaumarten Fichte, Buche, Kiefer und Eiche geht es immer schlechter. Die Monitoringdaten der aktuellen Waldzustandserhebung belegen, dass es auch in den letzten Jahrzehnten durch Sturmereignisse, sauren Regen oder Schädlingsbefall schlechte Zeiten für die Wälder gegeben hat. Seit 2018 führt jedoch klimawandelbedingte, anhaltende Trockenheit zu einem nie dagewesenen Schadniveau, an dem auch die Niederschläge im Jahr 2023 kaum etwas geändert haben.

Wälder bedecken rund ein Drittel der Fläche Deutschlands und bestehen zu 90 Prozent aus 11 Baumarten. Mit knapp zwei Dritteln aller Waldbäume dominieren vier Hauptbaumarten die Bestände: Fichte (Picea abies) mit 25 Prozent, Waldkiefer (Pinus sylvestris) mit 23 Prozent, Rotbuche (Fagus sylvatica) mit 16 Prozent sowie Eiche (Traubeneiche Quercus petraea und Stieleiche Quercus robur) mit 10 Prozent. Aber nur ein gesunder Wald kann seine Funktionen als Rohstoffquelle, Kohlendioxid-Senke, Wasserreservoir und Erholungsgebiet erfüllen.

Woran lässt sich erkennen, ob ein Wald gesund ist?

Wertvolle Hinweise darauf geben die Baumkronen. Bei der jeden Sommer durchgeführten Waldzustandserhebung werfen Inventurteams – ähnlich wie bei einem jährlichen Gesundheitscheck – einen prüfenden Blick in die Baumkronen und stufen den Grad der Kronenverlichtung (Nadel- und Blattverluste) im Verhältnis zu einem Referenzbaum in Fünf-Prozent-Stufen ein.

Kronenverlichtungen sind die Folge zahlreicher Faktoren, die sich ungünstig auf die Baumgesundheit auswirken. Dazu zählen die Menge des Stickstoffeintrags, die Witterung, aber auch Insekten- und Krankheitsbefall, Fruchtausbildung (Mastjahre) oder das Alter des Baumes. Deshalb sind Kronenverlichtungen ein wichtiges Indiz für geschwächte Bäume.

Daneben werden weitere Parameter aufgenommen, die Hinweise zur Vitalität der Bäume und zu den Ursachen von Kronenverlichtungen geben können. Etwa die Intensität der Fruchtausbildung, die Vergilbung von Blättern oder Nadeln, Insekten- und Pilzbefall sowie Stamm- und Kronenverletzungen.

Waldzustandserhebung in Kürze

Bereits seit 1984 in den alten Bundesländern und seit 1990 im gesamten Bundesgebiet wird die Waldzustandserhebung als Teil des europäischen Waldmonitorings und des bundesweiten Umweltmonitorings (ForUm) durchgeführt.

Die Erhebung erfolgt auf einem systematischen 16 x 16 km Stichprobennetz (Level-I-Netz) an ca. 10.000 Bäumen und ermöglicht auf Bundesebene repräsentative Ergebnisse für die wichtigsten Baumarten. Die Daten werden am Thünen-Institut für Waldökologie ausgewertet und fließen in den nationalen Waldzustandsbericht des BMEL ein.

 

Immer noch nur jeder fünfte Baum ohne Schäden – besonders alte Bäume sind betroffen

Der schlechte Zustand des Waldes betrifft alle Hauptbaumarten gleichermaßen: Wie im letzten Jahr ist nur jeder fünfte Baum ohne Schäden. Eine kleine Ausnahme macht die Kiefer. Der Anteil mit deutlicher Kronenverlichtung (36 Prozent) hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht um einen Prozentpunkt erhöht. Der Anteil ohne Kronenverlichtung lag im Jahr 2023 bei 20 Prozent und somit auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr (21 Prozent). Die mittlere Kronenverlichtung aller Baumarten war mit 25,9 Prozent nahezu unverändert.

Besonders alte Bäume über 60 Jahre wiesen deutliche Kronenverlichtungen auf, die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen fällt alten Bäumen schwer. Bei dieser Gruppe liegt der Anteil der deutlichen Kronenverlichtung bei 43 Prozent.

Auffällig war im vergangenen Jahr, dass insbesondere Buche und Kiefer vermehrt Früchte gebildet haben. In Jahren mit vermehrter Furchtbildung ist die Kronenverlichtung höher. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen den so genannten Mastjahren, erhöhten Stickstoffeinträgen aus der Luft und trocken-warmen Vorjahren wie 2022.

Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 durch den Deutschen Wetterdienst. Weil es im Jahr 2023 keine größeren Stürme gab, ist die Ausscheiderate von 6,7 Prozent auf 4,7 Prozent gesunken. Die Ausscheiderate bezeichnet den Anteil der Bäume, die aus der Stichprobe rausgefallen sind. Die nach wie vor hohe Ausscheiderate der Fichte lag bei 9,0 Prozent, davon sind 4,3 Prozent biotisch bedingt, also von Schädlingen wie dem Borkenkäfer verursacht.

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Erstmals Kronenverlichtung von weniger häufigen Baumarten untersucht

Bedingt durch das Eschentriebsterben weist die Esche seit 2010 eine stetig zunehmende mittlere Kronenverlichtung auf. Seit 2018 ist die Verlichtung deutlich höher als bei allen anderen untersuchten Baumarten. Die Moorbirke wies in den Trockenjahren 2018 bis 2020 besonders hohe Werte auf, konnte sich aber wieder erholen. Im Gegensatz dazu steht die Sandbirke, die in den vergangenen Jahren auch bei günstigerer Witterung hohe mittlere Kronenverlichtungswerte aufwies. Die Weißtanne liegt seit 2015 unter dem Niveau der Fichte. Arten mit vergleichsweise niedrigen Kronenverlichtungen sind z.B. Berg-Ahorn, Schwarz-Erle und Douglasie.

Kronenverlichtung und Absterbeverhalten entwickeln sich unterschiedlich

Laubbäume wiesen bis 2018 eine deutliche höhere mittlere Kronenverlichtung auf als Nadelbäume. Aktuell liegt diese bei Buche und Eiche aber auf ähnlichem Niveau wie bei der Fichte. Allerdings bleibt nur bei der Fichte und der Esche die Absterberate weiterhin hoch.

Besonders betroffen sind Nadelbäume, allen voran die Fichte (Picea abies), die in Bezug auf die Ausscheiderate Rekorde bricht. Ein Faktor, der diese Entwicklung begünstigt, ist die großflächige Kultivierung der trockenheitsanfälligen Baumart als Monokultur. Geschwächt durch Wassermangel werden die oft reinen Fichtenbestände besonders anfällig für den Befall von Borkenkäfern und gegenüber Stürmen. Die Folge: Die Nadeln beginnen braun zu werden, abzufallen und die Bäume sterben ab.

Der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen ist von 40 Prozent in 2022 auf 43 Prozent in 2023 gestiegen. Auf die Warnstufe entfielen 40 Prozent und damit vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Ohne Verlichtungen waren nur noch 17 Prozent, sieben Prozentpunkte weniger als 2022. Die mittlere Kronenverlichtung ist von 29,6 auf 28,6 Prozent leicht gesunken.

Fichten sind mit etwa 25 Prozent Flächenanteil die meistvertretenen Nadelbäume in Deutschlands Wäldern. Als schnell wachsende Holzlieferanten sind sie viele Jahre großflächig angebaut worden. Mit zunehmender Trockenheit kann die aus nordischen Wäldern stammende, feuchtigkeits- und kälteliebende Baumart allerdings schlecht umgehen. Ihr damit verbundenes großflächiges Absterben verändert schon seit einigen Jahrzehnten und besonders in den letzten Jahren deutlich das Gesicht der Wälder.

Rotbuchen (Fagus sylvatica) zählen zu den häufigsten Laubbäumen in Deutschlands Wäldern. Ohne menschlichen Einfluss wäre die Buche sogar die häufigste Baumart in Deutschland.

Bereits seit vielen Jahren leiden sie unter zu wenig Niederschlag und den anhaltend hohen Stickstoffeinträgen über die Luft. Das belegt der über die Zeit ansteigende Anteil an Kronenverlichtung ebenso wie die immer kürzeren Abstände der Mastjahre, die für geschwächte Bestände sprechen.

Bei der Buche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen um einen Prozentpunkt auf 46 Prozent gestiegen. Auf die Warnstufe entfielen 39 Prozent (2022: 34 Prozent). Bei der aktuellen Inventur gab es nur noch 15 Prozent ohne Verlichtungen. 2022 waren es noch 21 Prozent. Auch die mittlere Kronenverlichtung hat sich leicht verschlechtert auf nun 28,5 Prozent. Die Ergebnisse zeigen, dass 61 Prozent der Buchen Früchte gebildet haben. Auch dieser Anteil lag über dem des Vorjahres.

Der Kiefer kommt zugute, dass sie mit ihren tiefen Wurzeln an Trockenheit angepasst ist. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Zustand bei der Kiefer etwas entspannt. Der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen ist von 28 auf 24 Prozent gesunken. Auf die Warnstufe entfielen 53 Prozent, sechs Prozentpunkte weniger als 2022. Der Anteil ohne Verlichtungen ist von 13 auf 23 Prozent gestiegen. Die mittlere Kronenverlichtung sank 2023 von 23,9 auf 22,3 Prozent.

Allerdings haben die Kiefern im vergangenen Jahr ebenfalls mehr Früchte ausgebildet. 83 Prozent aller Bäume trugen Früchte, davon rund 29 Prozent mittelstark und vier Prozent stark.

Eichenbestände (Traubeneiche Quercus petraea und Stieleiche Quercus robur) werden relativ alt und sind somit besonders anfällig gegenüber Schadursachen. Insbesondere biotische Schadgemeinschaften wie z.B. der Eichenprozessionsspinner in Verbindung mit Mehltau befallen regelmäßig die Bestände und führen zu Phasen mit besonders hoher Kronenverlichtung.

Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen um vier Zähler auf nun 44 Prozent gestiegen. Der Anteil der Warnstufe sank dagegen leicht von 41 auf 39 Prozent. Auch der Anteil ohne Verlichtungen sank leicht von 19 auf 17 Prozent. Die mittlere Kronenverlichtung ist von 26,1 auf 27,6 Prozent geringfügig gestiegen. Die Fruchtbildung der Eiche war im Vergleich zu 2022 deutlich geringer.

 

Schlechte Zeiten sind nicht neu

Ähnlich schlechte Zustände der Baumkronen hat es in der Historie der Waldzustandserhebungen bereits in zwei anderen Zeiträumen gegeben:

Zwischen 2003 und 2006 war das Schadniveau annähernd so hoch wie derzeit – eine Folge des Trockenjahres 2003 und der damit verbundenen Wasserknappheit. Extremwetterlagen als Folge des Klimawandels wie Rekordhitzesommer und Stürme, z.B. Orkan „Kyrill“ im Jahr 2007, haben sich demnach schon vor knapp 20 Jahren deutlich und negativ im äußerlichen Erscheinungsbild der Waldbäume bemerkbar gemacht. Da es sich jedoch um einzelne Jahre handelte, konnten sich die Wälder in Zeiten besserer Witterung wieder erholen. Trotzdem sind die weiterhin hohen Stickstoffeinträge eine Belastung für die Wälder.

Ein weiterer, noch früherer Einbruch der Waldgesundheit zeigt sich zwischen 1991 und 1994 als Folge des sauren Regens in den 1980er Jahren. Schwefeloxide aus der Industrie werden in der Luft zu Schwefelsäure und fallen als saurer Regen später wieder auf die Erde. Im Boden führen sie zu einer Versauerung, zu Nährstoffungleichgewichten und schädlichen Aluminiumkonzentration für Baumwurzeln. Dies wurde als „Waldsterben“ bezeichnet. Als politische Gegenmaßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Ausstoßes von Schwefeloxiden sind die Einführung des Katalysators bei Autos und von Filteranlagen in der Industrie erlassen worden. Zusätzlich wurden Kalkungen in den Wäldern vorgenommen, um die Versauerung zu neutralisieren. Zwar haben sich die Baumbestände dadurch erholt, aber die Versauerung der Waldböden hat bis heute Folgen für die Waldgesundheit.

Hilfe für die Wälder

Trotz des vielen Niederschlags im Jahr 2023, kann die Erholungsphase bei einer Hitze- und Trockenperiode im Frühjahr und Sommer schnell vorbei sein. Daher ist eine Fortsetzung des Waldumbaus hin zu klimawandel-angepassten Mischwäldern geboten.

Artenreiche Wälder sind im Gegensatz zu Fichten-Monokulturen resilienter, d.h. sie können sich besser an Klimawandel-bedingte Extremwetterlagen anpassen. Zur Verbesserung dieser Ökosystemleistungen der Wälder hat die Bundesregierung Waldbesitzern 130 Millionen Euro im Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement bereitgestellt. Verschiedene EU- Initiativen wie das geplante Soil Monitoring Law sollen Wälder besser schützen.

Schritte in diese Richtung sind der Umbau in Laubwald-betonte, ungleichaltrige, klimastabile Mischwälder mit „Zukunftsbaumarten“ bzw. die “assisted migration” – die Beschleunigung der natürlichen Wanderung von Baumarten aus trockenen Klimaten in unsere Breiten. Welche Baumarten sich als "Zukunftsbäume" in Deutschlands Wäldern etablieren, ist standortabhängig und wird aktuell erforscht. Generell sind damit Baumarten gemeint - oftmals heimische - die besser mit Trockenheit zurechtkommen und dennoch frostige Winter überleben.

An den Thünen-Instituten für Forstgenetik und für Waldökosysteme laufen zahlreiche Forschungsprojekte zur Züchtung klimastabiler Waldbaumarten, zum Waldumbau und zu Maßnahmen gegen Trockenstress.

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