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Institute of

OF Baltic Sea Fisheries

Werden Fisch und Fischerei vom Nationalpark schleswig-holsteinische Ostsee profitieren?

In Schleswig-Holstein wird über die Einrichtung eines Nationalparks Ostseeküste diskutiert. Am Thünen-Institut für Ostseefischerei wurden die möglichen Auswirkungen eines solchen Schutzgebietes auf die dort lebenden Fischbestände und die Fischerei betrachtet, als Beitrag zum ergebnisoffenen Prozess der Landesregierung.

© Landesregierung Schleswig-Holstein, 2023

Gebietskulisse des geplanten Nationalparks schleswig-holsteinische Ostseeküste. Der Umfang der Nutzungseinschränkungen ist noch nicht definiert.

Die westliche Ostsee ist aus verschiedenen Gründen in ökologisch schlechtem Zustand. Schutzgebiete könnten helfen, dies zu ändern. Auf einen ergebnisoffenen Prozess zur Einrichtung eines Nationalparks schleswig-holsteinische Ostseeküste hat sich die neue Landesregierung Schleswig-Holsteins verständigt. Wesentliches Element des Prozesses sind Gespräche mit und zwischen allen Stakeholdern. Allerdings waren die Grundlagen für die Konsultationen lange unklar: In welchen Grenzen soll ein solcher Nationalpark eingerichtet werden? Welche Einschränkungen würde es genau geben? Zudem haben sich die Fronten schnell verhärtet: Für Befürworter*innen gibt es nur Gewinner, für Gegner*innen eines Nationalparks keinerlei positive Aspekte. Das erschwert eine gründliche Abwägung der Vor- und Nachteile im politischen Entscheidungsprozess.
 
Das Landwirtschaftsministerium des Landes Schleswig-Holstein hatte das Thünen-Institut für Ostseefischerei um eine Stellungnahme gebeten, welchen Einfluss der Nationalpark auf kommerziell genutzte Fischbestände und die Fischerei haben dürfte. Wir verstehen diese Stellungnahme als Diskussionsbeitrag in dem Bereich, in dem unsere Expertise liegt – nicht als Position für oder gegen einen Nationalpark. Zu anderen Vor- und Nachteilen haben wir keine Aussage getroffen, etwa zu dem Aspekt, ob die Biodiversität im nicht mehr genutzten Gebiet steigt oder ob die Resilienz ungenutzter Ökosysteme insgesamt höher ist. Nach unserem Dafürhalten sollten jedoch alle diese Punkte am Ende des Prozesses von der Politik zusammenfassend gewürdigt werden.

Da es noch keine Angaben dazu gibt, welche Einschränkungen es in einem künftigen Nationalpark geben soll, haben wir für unsere Einschätzung angenommen, dass die kommerzielle und die Freizeit-Fischerei grundsätzlich ausgeschlossen werden („fischereifreie Gebiete“). Die Fragestellungen im Einzelnen:

1. Wird ein Nationalpark schleswig-holsteinische Ostseeküste zur Erholung der kommerziell genutzten Fischbestände beitragen?
Positive Auswirkungen eines Nationalparks auf kommerziell genutzte Fischbestände wären dann zu erwarten, wenn (1) in dem Bereich ein erheblicher Teil der Population vorkommt und geschützt wird, oder (2) wenn zumindest bestimmte empfindliche Lebensstadien zu bestimmten Zeiten in den fischereifreien Gebieten vorkommen, oder (3) wenn wesentliche Teile der Fischerei bisher in diesen Gebieten stattfinden. Keiner der drei Punkte trifft auf das vorgesehene Gebiet des Nationalparks zu. Die wichtigsten kommerziell genutzten Bestände dort, Hering und Dorsch, wandern innerhalb weniger Stunden durch die Gebiete hindurch. Sie können also durch einen Fischereiausschluss nicht effektiv geschützt werden. Zudem sind die Gebiete im Vergleich zum gesamten Lebensraum dieser Bestände viel zu klein, als dass ein Fischereiausschluss nennenswerten Einfluss auf die Bestandsentwicklung haben könnte.

Es finden sich auch zu keiner Jahreszeit bedeutende Anteile bestimmter Lebensstadien in diesen Gebieten – im Unterschied etwa zum Greifswalder Bodden, der wichtigsten Kinderstube des westlichen Heringsbestands.
Dorsche laichen überwiegend in tieferen Gewässern und sind bereits während des Laichvorganges durch das Fischereiverbot in der Laichschonzeit geschützt. Jungdorsche verbringen ein paar Monate in den Flachwassergebieten der westlichen Ostsee und wären durch einen fischereifreien Nationalpark besser geschützt. Sie zeigen aber keine besondere Präferenz für die schleswig-holsteinische Ostseeküste nördlich und westlich Fehmarns.
Im Vergleich zur übrigen westlichen Ostsee findet innerhalb des möglichen Nationalparks keine besonders intensive Fischerei statt. Eine Ausnahme bildet die gerichtete Plattfischfischerei. Den Zielarten dieser Fischerei geht es aber derzeit gut, sie benötigen keinen zusätzlichen Schutz. In der westlichen Ostsee ist der Fischereidruck auf Dorsch und Hering inzwischen so gering, dass sogar eine komplette Einstellung der Fischerei keinen maßgeblichen Einfluss auf die Bestandsentwicklung mehr hätte. Das war vor 2017 noch anders.
Heute verhindern wahrscheinlich zwei andere Aspekte die Erholung der Bestände: Zum einen verursachen die nach wie vor viel zu hohen Nährstoffeinträge Sauerstoffarmut in den tieferen, kühleren Bereichen der Ostsee. An der Oberfläche sorgt der Klimawandel für zu hohe Temperaturen. Insbesondere dem Dorsch fehlt damit Lebensraum.
Durch den voranschreitenden Klimawandel verschieben sich zudem die jahreszeitlichen Abläufe. Das stört die Fortpflanzung insbesondere des westlichen Herings und macht den Bestand weniger produktiv.

2. Wird die Fischerei von einem Nationalpark profitieren?
Die Fischerei könnte nur dann von einem Nationalpark profitieren, wenn sie außerhalb des Parks höhere Erträge erzielen würde. Das ist allerdings unwahrscheinlich: Der Nationalpark wird voraussichtlich nicht dazu beitragen, dass es insgesamt mehr kommerziell nutzbaren Fisch in der westlichen Ostsee gibt.
Ein Fischereiverbot im Nationalpark würde vor allem die kleine Küstenfischerei treffen: Ihre Reichweite ist zu gering, um befischbare Gebiete außerhalb des Nationalparks zu erreichen. Die Fischenden müssten dann den Betrieb einstellen. Größere Fahrzeuge wie Schleppnetzkutter sind seit 2021 überwiegend abgewrackt worden. Ein Gewinn für die Fischerei lässt sich auch unter sehr optimistischen Annahmen nicht ableiten.

3. Ermöglicht ein Nationalpark Maßnahmen, die jetzt nicht möglich sind?
Die vorliegende Gebietskulisse entspricht weitgehend der Summe der Flächen bereits vorhandener FFH- und Vogelschutzgebiete, den Natura2000-Gebieten. In all diesen Gebieten sind Fischereiausschlüsse für bestimmte Fangmethoden schon jetzt möglich. Allerdings müssen sie begründet werden und den Schutzzielen dienen. Die Schwelle für die Einrichtung fischereifreier Gebiete könnte daher mit der Einrichtung eines Nationalparks sinken.
Außerhalb der drei Seemeilen-Zone, in der die Schleppnetzfischerei schon jetzt fast vollständig untersagt ist, erfordern Fischereimaßnahmen eine EU-weite Einigung, wenn sie nicht nur für die deutsche, sondern auch für ausländische Fischereien gelten sollen.
Jenseits des Meeresgebietes ist durch den Nationalpark keine zusätzliche Regulierung vorgesehen. So werden sich aber auch die wesentlichen Stressoren für die Fischfauna der westlichen Ostsee, Nährstoffeinträge und der Klimawandel, nicht durch die Ausweisung eines Nationalparks reduzieren lassen.

4. Was müsste geschehen, um eine Erholung der kommerziell genutzten Fischbestände zu ermöglichen?
Da die Folgen des Klimawandels, vor allem die Erwärmung des Oberflächenwassers, kaum kurzfristig adressiert werden können, ist der einzige bedeutende Hebel die Reduzierung der Nährstoffeinträge. Sie müssten so schnell wie möglich drastisch gesenkt werden.  Diskutiert wird z.B. die Wiedervernässung küstennaher Feuchtgebiete, die Nährstoffe aus Oberflächengewässern zurückhalten können. Auch die gezielte Begrenzung der Düngerausbringung in der Nähe von Flüssen, die in die Ostsee entwässern, könnte zur Reduzierung der Nährstoffbelastung beitragen. Rund ein Drittel der Stickstoff-Einträge kommt allerdings nicht aus der Landwirtschaft, sondern aus Verbrennungsprozessen in Verkehr, Industrie und Haushalten, sowie aus Abwässern. Der Umstieg auf erneuerbare Energien reduziert die Nährstoffbelastung der Ostsee also ebenfalls. Dennoch wird es wohl viele Jahrzehnte dauern, bis ein guter ökologischer Zustand der Ostsee wieder hergestellt werden kann.

Ansprechperson: Dr. Christopher Zimmermann

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