Experten erarbeiten Indikatoren für eine tierbezogene Prämienzahlung in der Milchviehhaltung
Die meisten Verbraucher wünschen sich in Umfragen eine möglichst artgerechte Haltung von Nutztieren. Die Richtlinien des ökologischen Landbaus und aktuelle Fördermaßnahmen, die solche Haltungsformen unterstützen sollen, sind zurzeit ausschließlich handlungsorientiert. Das heißt, es gibt konkrete Vorgaben, etwa zu Weidegang, Einstreu oder Boxengröße, die Landwirte umsetzen müssen, um in den Genuss von Prämien zu kommen oder als Biobetrieb anerkannt zu werden. Bei Betriebskontrollen wird nur die Einhaltung dieser Vorgaben geprüft, die Tiere selbst bleiben jedoch unberücksichtigt. Ein aktuelles Forschungsprojekt des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) untersucht, inwieweit sich Kontrollen am Tier orientieren können. Dieser tierbezogene bzw. ergebnisorientierte Ansatz könnte in Zukunft die bisherige Form der Kontrollen ergänzen.
Wissenschaftler des Thünen-Instituts in Braunschweig haben dazu für den Bereich Milchviehhaltung die wichtigsten tierbezogenen Indikatoren herausgearbeitet, die eine verbindliche Einschätzung einer tiergerechten Haltung ermöglichen sollen. Etwa 30 Berater, Praktiker und weitere Experten aus dem Bereich Milchviehhaltung haben diese Indikatoren in einem Workshop am 15. Mai 2013 im Thünen-Institut in Braunschweig auf ihre Aussagekraft und Anwendbarkeit hin diskutiert und eine vorläufige Liste geeigneter Kriterien erarbeitet. Dabei kristallisierten sich vor allem die Bereiche Eutergesundheit (Zellzahlen und Mastitishäufigkeit) und Stoffwechsel (Fett/Eiweiß-Quotient) heraus.
Nach Meinung der Experten haben diese Indikatoren auch den Vorteil, dass sie ohnehin auf fast allen Betrieben vorliegen, da sie Teil der monatlichen Milchleistungsprüfung sind. Als weitere zentrale Kriterien wurden die Häufigkeit von Lahmheiten und Gelenkveränderungen sowie äußere Verletzungen an Flanke, Rücken, Nacken und Hinterbein gesehen. Auch das Liegeverhalten (Cow-Comfort-Index) und die Nutzungsdauer der Tiere sahen die Teilnehmer als aussagekräftige Indikatoren an. Alle Experten waren sich einig, dass für diese Kriterien konkrete Ziel- bzw. Grenzwerte definiert und Mindestanforderungen festgelegt werden müssen, um praxistaugliche Kontrollstandards zu schaffen. Im weiteren Verlauf der BÖLN-Studie sollen u. a. diese Ziel- und Grenzwerte gemeinsam mit Wissenschaftlern und Praktikern erarbeitet und anschließend auf etwa 150 Praxisbetrieben getestet werden. Für Dr. Jan Brinkmann, Mitglied des Projektteams am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau, ist das Projekt ein erster Schritt zu einer ergebnisorientierten Honorierung von Tierschutzleistungen. „Wir betreten mit diesem Ansatz, der sich direkt am Wohlbefinden der Tiere orientiert, absolutes Neuland. Bis zur praktischen Anwendbarkeit in der Kontrolle wird es deshalb sicherlich noch einige Jahre dauern“.