Zahlen & Fakten
Treibhausgasemissionen durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
Andreas Gensior, Sophie Drexler, Roland Fuß, Wolfgang Stümer, Sebastian Rüter | 15.04.2024
Im Jahr 2022 betrugen die Treibhausgasemissionen aus dem LULUCF-Sektor 4,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Netto. Der Sektor wirkte folglich als Quelle für Treibhausgase.
Der Wechsel von Senke zur Quelle liegt daran, dass die Senkenfunktion der Berichtskategorien Wald und Holzprodukte durch die Quellfunktionen der Landnutzungskategorien Ackerland, Grünland, Feuchtgebiete und Siedlungen überkompensiert wurde. Bezogen auf die Kohlenstoffspeicher sind die organischen Böden Hauptquelle des Sektors, die Waldbiomasse ist Hauptsenke. Dominierendes Treibhausgas ist Kohlenstoffdioxid.
Im LULUCF-Sektor werden anthropogen verursachte Treibhausgasemissionen berichtet, die infolge von Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (Land Use, Land-Use Change and Forestry) auftreten. Die Emissionen an Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) werden in den Landnutzungskategorien Wald, Ackerland, Grünland, Feuchtgebiete, Siedlungen und Sonstiges Land über die Änderung der Kohlenstoffspeicher in organischen und mineralischen Böden, ober- und unterirdischer Biomasse sowie Totholz und Streu inventarisiert. Außerdem wird die verzögerte Freisetzung von biogenen CO2-Emissionen über den Kohlenstoffspeicher in Holzprodukten erfasst. Ebenso gehen die Treibhausgasemissionen aus künstlichen Gewässern, Bränden und dem industriellen Torfabbau in die Bilanz ein.
Im LULUCF-Sektor können die Kohlenstoffspeicher sowohl als Quelle (Freisetzung → positive Emissionen) von Treibhausgasen als auch als Senke (Kohlenstoffsequestrierung → negative Emissionen) für CO2 wirken.
Zeitreihen der Treibhausgasemissionen (Summe aus CO2, CH4 und N2O in [Mio. CO2-Äquivalenten]) im LULUCF-Sektor seit 1990, unterschieden nach Landnutzungskategorien (Werte 1990 – 2022 aus NID 2024); positiv: Quelle; negativ: Senke
Im Jahr 2021 betrugen die Nettoemissionen infolge Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft 4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Äq.). Der LULUCF-Sektor fungierte folglich als Quelle.
Die Landnutzungskategorie Wald trägt mit Emissionen in Höhe von -41,4 Millionen Tonnen CO2-Äq. den wesentlichen Teil zum Kohlenstoffspeicher des LULUCF-Sektors bei, insbesondere durch die Biomasse (-27,4 Mio. t CO2-Äq.) und die mineralischen Waldböden (-13,7 Mio. t CO2-Äq.). Auch der Kohlenstoffspeicher in Holzprodukten wirkt als Senke in Höhe von -8,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.
Demgegenüber stehen hauptsächlich die positiven Nettoemissionen aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen der Landnutzungskategorien Ackerland (16,0 Mio. t CO2-Äq.) und Grünland (26,0 Mio. t CO2-Äq.). Diese beiden Kategorien weisen über die Jahre gleichbleibend hohe Emissionen aus entwässerten organischen Böden auf (39,9 Mio. t CO2-Äq.); genau wie die Landnutzungskategorien Feuchtgebiete (10,3 Mio. t CO2-Äq.) und Siedlungen (1,8 Mio. t CO2-Äq.), deren Nettoemissionen ebenfalls hauptsächlich durch die Emissionen aus den organischen Böden (7,2 Mio. t CO2-Äq.) dominiert werden.
Zeitreihen der Treibhausgasemissionen (Summe aus CO2, CH4 und N2O in [Mio. CO2-Äquivalenten]) im LULUCF-Sektor seit 1990, unterschieden nach Pools (Werte 1990 – 2022 aus NID 2024); positiv: Quelle; negativ: Senke
Bedeutung als Senke variiert mit den Jahren
Der Zeitverlauf der LULUCF-Emissionen verdeutlicht die starke Variation der Nettoemissionen. Der Verlauf der Kurve folgt im Wesentlichen der Kurve der Nettoemissionen aus dem Wald. Deren große Amplitude und der sich zeitweise schnell ändernde Trend sind unter anderem Ergebnis von Schwankungen der Nachfrage nach Holz bzw. der Holzpreise sowie extremer Witterungsereignisse (z.B. Sturm, Trockenheit) und damit zusammenhängender Kalamitäten (z.B. Schädlingsbefall). Durch diese werden insbesondere die Kohlenstoffvorräte der Waldbiomasse beeinflusst, die, als größte Netto-Kohlenstoffsenke des Sektors, die gleichbleibend hohen Emissionen aus den organischen Böden über die Jahre oftmals überkompensiert.
Nicht so in den Jahren 1990, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2018, 2020, 2021 und 2022 in denen der LULUCF-Sektor eine Nettoquelle für Treibhausgase war, hauptsächlich zurückzuführen auf verstärkte Holzeinschläge aufgrund (1) der Aufarbeitung von Waldschäden infolge unterschiedlicher Kalamitäten und (2) der gegenüber den Vorjahren hohen Nachfrage nach Holz auf dem Holzmarkt.
Im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) wird vom LULUCF-Sektor eine im Zeitverlauf ansteigende Nettosenkenleistung gefordert. Das KSG gibt für den LULUCF-Sektor als Beitrag zu den Klimaschutzzielen absolute Nettoemissionsmengen für die Jahre 2030 (-25 Mio. t CO2-Äq.), 2040 (-35 Mio. t CO2-Äq.) und 2045 (-40 Mio. t CO2-Äq.) vor, aber keinen jahresgenauen Zielpfad. Die anzurechnenden Nettoemissionen aus dem LULUCF-Sektor stellen dabei den Mittelwert der Emissionen aus dem Stichjahr und der drei vorhergegangenen Jahre dar. Das Stichjahr wird auf Grundlage einer vorläufigen, aber zeitnahen Berichterstattung für das Vorjahr bewertet, für die noch nicht alle notwendigen statistischen Daten endgültig vorliegen (Vorjahresschätzung).
Die aktuell zu veranschlagende Nettoemission (4,2 Mio. t CO2-Äq., berechnet gemäß der Anrechnungsregeln: Mittelwert 2020 – 2023) verfehlt die im KSG geforderte Zielemission von -25 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente für das Jahr 2030 derzeit deutlich. Im Falle des Vierjahresmittels sind die negativen Emissionen bzw. die Senkenfunktion des LULUCF-Sektors um 117 Prozent zu gering. Ursache für den aktuellen Rückgang der Senkenfunktion des LULUCF-Sektors sind im Wesentlichen die durch extreme Trockenheit verursachten Waldschäden der letzten Jahre. Insgesamt wurde der KSG-Zielwert für 2030 bisher nur im Zeitraum 1994 bis 1996 erreicht.
Vergleich der Zeitreihe der Nettoemissionen (Summe aus CO2, CH4 und N2O in Mio. t CO2-Äq.; positiv: Quelle; negativ: Senke) des LULUCF-Sektors (1990-2022: Nationaler Inventarbericht [NID]; 2024: Vorjahresschätzung [VJS]) mit den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG §3a); Stichjahre sind 2030, 2040 und 2045
Im LULUCF-Sektor kann der Mensch in doppelter Hinsicht auf die Festlegung von Kohlenstoff in der Biogeosphäre bzw. die Minderung von Treibhausgasemissionen einwirken:
- Schutz bestehender Vorräte: Unterlassung jedweder Handlungen (z.B. Trockenlegung von Feuchtflächen und Umbruch von Grünland), die zu einer Freisetzung von Kohlenstoff aus bestehenden Vorräten führen.
- Maßnahmen, die zu einer andauernden Anreicherung von Kohlenstoff in Kompartimenten der Biogeosphäre führen:
Die geregelte Wiedervernässung organischer Böden ist zum einen eine sehr effektive Maßnahme, die Emissionen von Treibhausgasen deutlich zu reduzieren, zum anderen CO2 der Atmosphäre zu entziehen und für Jahrhunderte in den Böden festzulegen. Damit verbunden sind weitere positive Umwelteffekte (z.B. Biodiversität, Wasserhaushalt der Landschaft, Verbesserung des Mikroklimas usw.). Außerdem ergibt sich durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe wie Schilf, Torfmoosen und Gehölzen auf wiedervernässten Flächen zusätzliches Potenzial zur Minderung von Treibhausgasen durch den Ersatz anderer emissionsrelevanterer Stoffe (z.B. Dämm-, Brennmaterial usw.)
Der Anbau von Gehölzen in der Agrarlandschaft wie z.B. in Agroforst-Systemen, Kurzumtriebsplantagen und Hecken führt zu einer Kohlenstoffspeicherung in der verholzenden Biomasse, in den meisten Fällen auch zu einer Humusmehrung im Boden sowie zum Ersatz fossiler Brennstoffe. Weitere positive Umwelteffekte werden initiiert (z.B. bezüglich Biodiversität, Erosionsschutz etc.). Die Auswirkungen treten mittel- bis langfristig auf.
Waldneuanlage und nachhaltige Waldnutzung: Die Biomasse von Wäldern ist ein großer Kohlenstoffspeicher; neue Waldflächen führen daher immer zu einer Vergrößerung des Kohlenstoffvorrates in der Biomasse. Die nachhaltige Nutzung der Wälder, damit verbunden die Nutzung der Ernteprodukte, sind ebenfalls dem Klimaschutz zuträglich: Kohlenstoff wird in den Holzprodukten mittel- bis langfristig gespeichert und fossile Brennstoffe werden ersetzt.
Maßnahmen zur Kohlenstoffanreicherung in landwirtschaftlich genutzten Mineralböden gibt es mannigfach wie z.B. Zwischenfruchtanbau, Anbau von Blühstreifen, humusmehrenden Fruchtfolgen, mehrjährigen humusmehrenden Pflanzen, eine optimierte organische Düngung, Grünland-Wechselwirtschaft usw. Diese Maßnahmen eignen sich dennoch nur eingeschränkt , da die Effekte jederzeit kurzfristig umkehrbar sind, z.B. durch Unterlassung. Zu den dauerhaften Auswirkungen technischer Maßnahmen (wie der Ausbringung von Biokohle) besteht weiterer Forschungsbedarf.