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Dossier

Photovoltaik auf Agrarflächen – für eine schnelle Energiewende

Folkhard Isermeyer | 28.11.2022


PB Thünen-Institut

Deutschland hat genügend Fläche, um sich komplett mit regenerativer Energie zu versorgen. Für eine schnelle Energiewende ist die Kombination von Windenergie und Freiflächen-Photovoltaik optimal. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wird dadurch nicht gefährdet. Allerdings sollten die Expansionskonzepte für die Freiflächen-PV reversibel gestaltet werden.

Geht es um die Energieversorgung in Deutschland, hält sich hartnäckig die These, eine Selbstversorgung mit Energie sei für Deutschland unerreichbar. Daher müsse unser Land im postfossilen Zeitalter einen erheblichen Teil des Solar- und Windstroms importieren, sei es als Strom über Hochspannungsleitungen oder als Gas bzw. Flüssigkeit in Tankern oder Pipelines.

Diese These ist inzwischen überholt. Insbesondere die enormen technischen Fortschritte bei Photovoltaikanlagen eröffnen Deutschland innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte die Möglichkeit, sich komplett mit regenerativer Energie selbst zu versorgen.

Ob die Selbstversorgung dann tatsächlich umgesetzt wird oder ob Deutschland sich letztlich doch entschließt, einen Teil des Energiebedarfs zu importieren, ist somit keine Frage der physischen Notwendigkeit („wir müssen importieren“), sondern eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit und des politischen Gestaltungswillens („wir können importieren“).

Energiewende: „Weiter wie bisher“ führt nicht zum Ziel

In der Abbildung 1 ist dargestellt, wie sich der Energieverbrauch in den drei großen Segmenten während der vergangenen 30 Jahre entwickelt hat und welche Anteile dabei die erneuerbaren Energien erreicht haben [1]. Auf den ersten Blick wird klar: Wenn wir weitermachen wie bisher, also die bisherigen Trends einfach fortschreiben, werden wir bis zur Mitte des Jahrhunderts die angestrebte Klimaneutralität der Volkswirtschaft nicht ansatzweise erreichen – und auch nicht unabhängig von Energieimporten sein.

Es gibt jedoch die Möglichkeit, den sprichwörtlichen Schalter umzulegen. Wesentliche Impulse gibt die Elektrifizierung der Segmente Wärme/Kälte und Verkehr. Mit Hilfe der Wärmepumpen können aus einer Kilowattstunde (kWh) Strom unter Praxisbedingungen rund 2,6 bis 3,1 kWh Wärme generiert werden, wenn die Umgebungswärme genutzt wird [2] [3]. Der Verkehrsbereich lässt sich ebenfalls effizienter gestalten: Elektromotoren verwandeln deutlich mehr der eingesetzten Energie in Bewegung, während bei Verbrennungsmotoren ein Großteil der zugeführten Energie als nutzlose Wärme entweicht.

Diese Transformationen werden erhebliche Effizienzgewinne bringen. Gleichzeitig fokussiert die Energieversorgung immer mehr auf Elektrizität. Der Strombedarf steigt stark an.

Wasserstoff oder Methan statt Strom?

Derzeit kann niemand exakt vorhersagen, zu welchen Teilen die Segmente Wärme/Kälte und Verkehr elektrifiziert werden und zu welchen Teilen sie langfristig durch Wasserstoff oder Methan versorgt werden [4] [5].

Dieser Umstand kann hier durchaus vernachlässigt werden. Entscheidend ist, dass die wesentliche Quelle für Wasserstoff und Methan im postfossilen, klimaneutralen Zeitalter ebenfalls regenerativ erzeugter Strom sein wird. Je stärker der „Umweg“ über grünen Wasserstoff beschritten wird, desto größer wird der Strombedarf insgesamt, denn jeder Umwandlungsschritt verursacht zum Teil erhebliche Energieverluste.

Wie viel Strom wird im Endeffekt benötigt? Das hängt von vielen Annahmen ab; die Ergebnisse der hierzu veröffentlichten Abschätzungen bis zur Mitte des Jahrhunderts spannen einen großen Unsicherheitsbereich auf, der von rund 580 Terawattstunden (TWh) pro Jahr [6] [7] am unteren Ende bis zu 2.400 TWh/Jahr [8] am oberen Ende reicht. Die am unteren Ende liegenden Projektionen gehen nur von einer partiellen Elektrifizierung der Energiewirtschaft aus und beinhalten weiterhin den Import von Energieträgern.

Da die nachfolgenden Berechnungen für das (Extrem-)Szenario einer kompletten Selbstversorgung Deutschlands angestellt werden, unterstellen wir hier konservativ einen Strombedarf von 2.000 TWh/Jahr.

Woher soll der Strom kommen?

Solar- und Windenergie sind nicht zuletzt aufgrund der großen technischen Fortschritte die mit Abstand aussichtsreichsten Kandidatinnen für eine autarke Stromversorgung. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) [9] auf Basis der 2021er Preisverhältnisse liefern Freiflächen-Photovoltaik (PV) und Windenergie den kostengünstigsten Strom (Abb. 2). Die in der Abbildung dargestellten Kostenwerte spiegeln die 2021er Preisverhältnisse wieder, beinhalten also noch nicht die besonderen Preis- und Zinssteigerungen des Jahres 2022.

Im Vergleich zur Energieerzeugung aus biogenen Quellen (Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft, Energiepflanzen auf dem Ackerland) liegt der Vorteil der Solar- und Windenergie nicht nur in den niedrigeren Kosten, sondern auch in den wesentlich höheren Flächenerträgen. Hier gelten folgende Größenordnungen (Megawattstunden pro Hektar):

  • Bioenergie: 10 bis 60 MWh/ha
  • Freiflächen-PV: 1.000 MWh/ha
  • Windenergie: 20.000 MWh/ha

Was passiert, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht?

Die große Herausforderung einer Energiewende, die primär auf Wind- und Solarenergie fußt, ist die Energiespeicherung [14] [16] [17] [18]. Bei Solar- und Windstrom kommt es sowohl im Jahresverlauf als auch im Tagesverlauf zu temporären Über- und Unterversorgungen, die ausgeglichen werden müssen.

Für den Ausgleich von Über- und Unterversorgungen im Jahresverlauf ist es prinzipiell günstig, wenn Wind- und Solarenergie ungefähr im Gleichschritt ausgebaut werden. Beide Saisonkurven ergänzen sich gut (vgl. Abb. 3) [19]. Dennoch muss das Versorgungssystem in die Lage versetzt werden, im Winterhalbjahr mehrwöchige windstille Phasen auszugleichen (sogenannte „Dunkelflaute“). Hierfür muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die (a) überschüssige Strommengen mit Elektrolyseuren in Wasserstoff verwandelt, (b) diesen Wasserstoff in Kavernen speichert und (c) den Wasserstoff in Defizitzeiten „rückverstromt“.

Für den Ausgleich der Über- und Unterversorgungen im Tagesverlauf gilt es ebenfalls, technische und organisatorische Lösungen zu schaffen. Es wird erwartet, dass hierfür PV-Heim- und Batteriegroßspeicher in der Größenordnung von 100 bzw. 60 GW benötigt werden [20]. Darüber hinaus ist hier der überregionale (europäische) Netzverbund sowie der Aufbau eines intelligenten Lastmanagements unter Einbeziehung der Wetterprognosen von Bedeutung. In der Energiewelt von Morgen werden Menschen und Endgeräte (Ladesäulen, Waschmaschinen usw.) permanent Preissignale erhalten, die ihnen im Kurzfristtakt zeigen, wann sie günstigen Strom verbrauchen können oder teuren Strom besser nicht verbrauchen sollten. Viele Millionen Menschen und Geräte tragen dann flexibel und kostengünstig dazu bei, dass die Nachfrage mit dem Angebot in Deckung gebracht wird, ohne die relativ teure Rückverstromung in Anspruch nehmen zu müssen.

Die Schaffung der erforderlichen Infrastrukturen wird zwei bis drei Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Der Ausbau der Solar- und Windenergie muss aber nicht auf diese Infrastruktur warten. Vielmehr kann und muss dieser Ausbau parallel erfolgen, damit die Energiewende zur Mitte des Jahrhunderts vollzogen ist.

Wie viel Fläche wird für die Selbstversorgung mit Energie benötigt?

Wenn Wind- und Solarenergie im Gleichschritt ausgebaut werden, müsste in der langfristigen Perspektive jede dieser beiden Quellen maximal 1.000 TWh pro Jahr liefern.

Für die Windenergie veranschaulichen folgende Überschlagsrechnungen den daraus resultierenden Flächenbedarf: Zwei Drittel der Windenergie werden voraussichtlich an Land erzeugt werden, ein Drittel offshore. Je Windenergieanlage an Land wird etwa ein Drittel Hektar versiegelt und (nach Repowering der Altanlagen) 6.000 bis 10.000 MWh/Jahr geerntet werden. Insgesamt werden dann rund 70.000 bis 100.000 Anlagen benötigt. Der Flächenbedarf dafür liegt bei 20.000 bis 30.000 Hektar. Bei geschätzten 25.000 bis 35.000 Dörfern in Deutschland [21] und einer angenommenen Gleichverteilung der Windenergieanlagen über ganz Deutschland ergäbe sich eine Anlagendichte von zwei bis drei pro Dorf und vier Quadratkilometer pro Anlage.

Für die Photovoltaik gehen wir zunächst in einem Extremszenario davon aus, die Kompletterzeugung von 1.000 TWh/Jahr erfolge als Freiflächen-PV auf bisherigen Agrarflächen. Für dieses Szenario errechnet sich bei einem Flächenertrag von 1.000 MWh/ha ein Flächenbedarf von einer Million Hektar. Dieser Wert gilt allerdings für ein Extremszenario. In der Realität ist davon auszugehen, dass auch schon in der näheren Zukunft ein erheblicher Teil des PV-Stroms auf bereits versiegelten Flächen (Dächer, Parkplätze, etc.) erzeugt und somit viel weniger Agrarfläche benötigt wird. Schätzungen anhand aktueller politischer Ziele sowie verschiedener Energieszenarien kommen für das Jahr 2040 zu einer wahrscheinlichen Flächeninanspruchnahme von 280.000 Hektar [22].

Gefährdet Freiflächen-PV unsere Lebensmittelversorgung?

Gegenwärtig werden in Deutschland 2,3 Mio. Hektar für den Anbau von Energiepflanzen eingesetzt [23]. Bei der Herstellung von Biodiesel und Bioethanol fallen auch Nebenprodukte für die Tierfütterung an, so dass der „Netto-Flächeneinsatz“ für die Bioenergie knapp unter 2 Mio. Hektar liegt. Diese Fläche wird im Szenario Solar/Wind nicht mehr benötigt. Die schrittweise Umstellung von der Energiepflanzenerzeugung auf die Photovoltaik wird also die Lebensmittelversorgung nicht verschlechtern, sondern im Gegenteil deutlich verbessern.

Das bedeutet aber keineswegs, dass wir uns auf eine entspannte Zukunft ohne Flächenkonkurrenz zubewegen. Andere Flächenansprüche wachsen. Die chemische Industrie Deutschlands setzt gegenwärtig ca. 18 Mio. Tonnen fossile Rohstoffe und nur knapp 3 Mio. Tonnen nachwachsende Rohstoffe ein [24]. Im postfossilen Zeitalter wird ein Großteil der Kohlenstoffträger für die organische Chemie aus der Land- und Forstwirtschaft gewonnen werden. Je nach Rohstoff-Mix können hierfür bis zu 5 Mio. Hektar erforderlich werden. Weiterer Flächenbedarf entsteht dadurch, dass wir zusätzliche Flächen für die Erreichung von Klimaschutz- und Biodiversitätszielen benötigen. Außerdem kommen der Landwirtschaft durch Flächenumwidmung in jedem Jahr ungefähr 40.000 Hektar abhanden [25]. Somit gibt es viele Gründe, künftig sehr sorgsam mit der knappen Agrarfläche umzugehen.

Der größte Hebel liegt dabei in der Verringerung der Tierhaltung. Aktuell werden 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Futtermittelproduktion eingesetzt. Bei der Erzeugung von Fleisch wird viel Energie vernichtet: Wenn wir Fleisch essen, liegt der Energieertrag je Hektar in der Größenordnung von drei bis sechs MWh/ha, bei einer pflanzlichen Ernährung (z. B. Weizen/Soja) hingegen bei rund 20 MWh/ha (s.o., Berechnungen auf Basis der LfL-Daten). Daher spricht vieles dafür, die Tierhaltung verstärkt auf die Verwertung von Dauergrünland auszurichten, das Ackerland stärker für die Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel für den Menschen zu nutzen und den Fleischkonsum zu reduzieren. Die Politik könnte dies, wie schon oft gefordert, durch eine Mehrwertsteuerreform unterstützen, indem der Steuersatz für pflanzliche Lebensmittel auf null abgesenkt und der Steuersatz auf tierische Lebensmittel auf 19 % angehoben wird.

Kann die Energiewende auch ohne Freiflächen-PV gelingen?

Die Kombination Solar/Wind ist nicht zwingend darauf angewiesen, dass heimische Agrarflächen für Freiflächen-PV genutzt werden, denn es gibt Alternativen.

Innerhalb Deutschlands bestehen zahlreiche Möglichkeiten, PV-Anlagen in den Bereich Siedlung/Verkehr zu integrieren (Dachflächen, Fassaden, Parkplätze usw.). Auf diese Weise kann langfristig ein Potenzial von mehr als 1.000 TWh/Jahr erschlossen werden [14]. Allerdings sind viele Anpassungsmaßnahmen derzeit noch relativ teuer. Teilweise werden sie auch durch das Planungsrecht behindert. Im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte wird sich dieses Potenzial aber immer besser erschließen lassen.

Als zweite Alternative bietet sich Agri-PV an, also die Integration von PV-Anlagen in landwirtschaftliche Produktionssysteme. Der Charme dieser Option besteht darin, dass auf den landwirtschaftlichen Flächen weiterhin Nahrungsmittel erzeugt werden. Auch wenn sich das Ertragsniveau etwas verringert, wird dennoch eine Art doppelte Dividende erzielt. Diesen Vorteilen stehen allerdings oft auch erhebliche Mehrkosten gegenüber. Da sich die meisten Konzepte derzeit noch im Versuchsstadium befinden, ist eine schnelle Breitenwirkung einstweilen nicht in Sicht – es sei denn, sie werden durch die EEG-Förderung künstlich in die Wettbewerbsfähigkeit gehoben.

Die dritte Alternative ist der Import von Solar- bzw. Windstrom aus sonnen- bzw. windreicheren Erdteilen. Der Import kann als Stromimport (via Hochspannungsgleichstromübertragung) oder als stofflicher Import von gasförmigen oder flüssigen Energieträgern (via Schiff oder Pipeline) erfolgen. Die Erzeugungskosten sind in jenen Erdteilen noch niedriger als bei uns, weil es viele Sonnenstunden gibt und weil Solarthermie, Photovoltaik sowie Energiespeicherung in Salztanks miteinander kombiniert werden können [26] [27]. Allerdings sind zusätzliche Investitionskosten für den Bau von Stromleitungen (Hochspannungsgleichstromübertragung) sowie Transportverluste in einer Größenordnung von 14 % in Rechnung zu stellen [14]. Ob letztlich der Import regenerativer Energie nennenswerte Größenordnungen erreicht, wird der Wettbewerb im Laufe der Zeit zeigen. In den nächsten zwei Jahrzehnten ist aber kaum mit einem nennenswerter Stromimport zu rechnen, allein schon, weil die Erzeugungsländer einen Großteil der regenerativ erzeugten Energie zunächst für die Deckung des eigenen Bedarfs beanspruchen werden.

Schlussfolgerung: In der ferneren Zukunft wird Deutschland auch ohne Freiflächen-PV ausreichend regenerative Energie erzeugen können. Wenn unsere Gesellschaft jedoch eine schnelle und kostengünstige Energiewende erreichen möchte, ist Freiflächen-PV hierfür die bestgeeignete Option.

Wie stark kann Bioenergie die Energiewende unterstützen?

Bisher wird der überwiegende Anteil erneuerbarer Energien durch Bioenergie bereitgestellt (vgl. Abbildung 1), vor allem durch die drei Komponenten (a) Holzverbrennung, (b) Biogas auf Basis von Mais und (c) Biodiesel auf Basis von Raps.

Wenn Deutschland zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein und sich überwiegend selbst mit Energie und Lebensmitteln versorgen will, so ist dieses Ziel mit der Bioenergie nicht zu erreichen. Unsere landwirtschaftliche Nutzfläche wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nur noch bei 15 Mio. Hektar liegen. Für die Produktion von 1.000 TWh/Jahr wären aber mehr als 20 Mio. Hektar Bioenergie-Fläche erforderlich. Dann wäre an eine Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln oder eine Ökologisierung der Agrarproduktion nicht mehr zu denken.

Insofern ist es sinnvoll, bei den strategischen Planungen jetzt konsequent auf Wind und Solar zu setzen. Jene Fläche, die derzeit für den Anbau für Energiepflanzen genutzt wird, kann dann schrittweise für andere Nutzungen freigesetzt werden. Wie schnell dieser Prozess vollzogen wird, ist eine Frage politischer Abwägungen. Aktuell liegen sowohl die Energie- als auch die Lebensmittelpreise auf sehr hohem Niveau. Sollte diese außergewöhnliche Knappheit noch einige Jahre anhalten, könnte die Politik erwägen, die Erzeugung der Bioenergie zunächst nicht einzuschränken, sondern lieber stärkere Einschränkungen beim Verbrauch und bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel vorzunehmen (siehe oben: Mehrwertsteuerreform).

Wenn dann in der längerfristigen Perspektive der Anbau von Energiepflanzen beendet wird, bedeutet das keineswegs das Ende der Bioenergie. In der Land-, Ernährungs-, Forst- und Holzwirtschaft fallen viele Rest- und Abfallstoffe an, die energetisch genutzt werden können. In welchem Umfang das dann erfolgt, hängt von der Ökoeffizienz der verschiedenen Nutzungsketten ab und wird sich letztlich im Wettbewerb entscheiden.

Die Empfehlung, langfristig auch aus der Holzverbrennung auszusteigen, ist klimapolitisch begründet. Wenn wir hiebreife Bäume nicht ernten, sondern im Wald stehen lassen, speichern sie dort zunächst weiterhin Kohlenstoff. Der Wald wächst dann aber seinem Klimaxstadium entgegen und kann, nachdem er dieses erreicht hat, keinen zusätzlichen Kohlenstoff mehr einbinden. Für den Klimaschutz ist es deshalb sinnvoller, wenn wir die Bäume ernten, das Holz im Bausektor nutzen und es dauerhaft trocken lagern, zum Beispiel in Bergwerken. Solange wir das Holz nicht verbrennen oder vermodern lassen, können wir die Kohlenstoffspeicherung immer weiter steigern. Dann wirkt der genutzte Wald wie ein „Luftfilter“, mit dem wir das CO2, welches wir durch Verbrennung fossiler Brennstoffe in der Vergangenheit freigesetzt haben, in kommenden Jahrhunderten wieder einfangen können.

Fazit und Ausblick

Aus der Analyse lässt sich folgendes Fazit ableiten:

  • Wenn wir bei der Energiewende konsequent auf Wind- und Solarenergie setzen, haben wir ausreichende Möglichkeiten, um langfristig den gesamten Energiebedarf Deutschlands vollständig aus inländischer Erzeugung zu decken.

  • Für eine schnelle und kostengünstige Energiewende bietet es sich an, in den nächsten Jahren zusätzlich zur Windenergie eine kraftvolle Expansion der Freiflächen-PV zuzulassen und zu fördern. Dieser Prozess sollte aber reversibel gestaltet werden, da im Laufe der Zeit andere PV-Konzepte den Vorzug erhalten können.

  • Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wird durch die Ausdehnung der Freiflächen-PV nicht gefährdet. Im Gegenteil: Der schrittweise Ersatz von Bio- durch Solarenergie führt dazu, dass insgesamt viel mehr Energie erzeugt werden kann, hierfür aber weniger Fläche benötigt wird als bisher.

Unter den derzeitigen Preisverhältnissen, die allerdings massiv von den Folgen der russischen Aggressionspolitik geprägt sind, ist die Expansion der Wind- und Solarenergie hochgradig rentabel. Solange sich die Preise nicht grundlegend ändern, würde sich also die Expansion Schritt für Schritt von selbst vollziehen, ohne dass es – zumindest für diesen Teil der Energiewende – einer staatlichen Förderung bedürfte.

Aus der Perspektive von Energieerzeugern, denen das Auf und Ab der vergangenen zwei Jahrzehnte noch in den Knochen steckt, ist der Ausblick jedoch deutlich verhaltener: Die Preisverhältnisse an den internationalen Märkten können sich abrupt ändern, Lieferketten unterbrochen werden, Genehmigungsverfahren unternehmerische Initiativen ausbremsen, veränderte energie- und klimapolitische Vorgaben Geschäftsmodelle unrentabel werden lassen. Hinzu kommt, dass sich insbesondere in den kleinstrukturierten Agrarregionen Widerstand unter den Landwirten regt. Viele von ihnen haben die Sorge, dass einige Investoren und Grundeigentümer den wirtschaftlichen Ertrag des PV-Booms unter sich aufteilen, während die meisten Landwirte in der Region leer ausgehen und allmählich ihre Produktionsgrundlage verlieren. Aus ihrer Sicht gibt es keinen transparenten Dialog über den Ausbau der regenerativen Energien in ihrer Region, und sie vermissen Geschäftsmodelle, mit denen sie an den Erträgen der Energiewende profitieren können. Diese vielfältigen Unsicherheiten stehen einer schwungvollen Energiewende im Wege.

Aufgabe der Politik ist es deshalb, der gewünschten Transformation eine klare Orientierung zu geben und den Rechts- und Förderrahmen zu optimieren.

Von überragender Bedeutung für die gesamte Energiewende sind zwei Aufgaben, die auf Bundesebene in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fallen:

  • schneller Aufbau einer leistungsfähigen Industrie zur Herstellung von Solaranlagen (nicht notwendigerweise in Deutschland, aber zur Sicherung der Energie-Souveränität überwiegend in der EU),
  • schneller Ausbau der Netz- und Speicherinfrastruktur (in Deutschland).

Darüber hinaus gibt es aber auch wichtige Aufgaben an der Schnittstelle von Landnutzungs- und Energiepolitik, die eine zielgerichtete Zusammenarbeit der Bundesministerien für Landwirtschaft, für Umwelt, für Wirtschaft und Klimaschutz untereinander sowie mit den Bundesländern erfordern:

  • Verständigung über den angestrebten Ausbaupfad für die Freiflächen-PV (für Deutschland insgesamt, aber auch für die räumliche Verteilung der Freiflächen-PV),

  • Weiterentwicklung des Strommarktdesigns (Ziele: kontinuierliches Wachstum auch bei starken Marktschwankungen sicherstellen, ein effizientes Versorgungssystem entwickeln, einen fairen Interessensausgleich gewährleisten),

  • Weiterentwicklung der Genehmigungsverfahren (bessere Integration der Planungen für Wind und PV auf der regionalen Ebene; verstärkte Bürgerbeteiligung bei der Detailplanung auf kommunaler Ebene; Hilfestellung für die unteren Planungsbehörden),

  • Förderung von überregionalen Strukturen zum Best-Practice-Sharing zwischen bestehenden und geplanten Solarparks (auch in Bezug auf Naturschutz, biologische Vielfalt, Landschaftsbild, wirtschaftliche Ko-Nutzungen),

  • Verständigung über Zeitpfade und Konzepte für den schrittweisen Ausstieg aus dem Energiepflanzenanbau und der Holzverbrennung (Ausstieg ist nicht kurzfristig erforderlich; für die Planungen der Akteure werden aber langfristige Zeitpfade und Konzepte benötigt).

In der Forschungspolitik verdienen Konzepte zur Energiespeicherung zweifellos die höchste Priorität. An der Schnittstelle Landnutzung/Energieerzeugung gibt es aber auch wichtige Aufgaben. So könnten Bund und Länder gemeinsam ein schlagkräftiges Forschungskonzept für Agri-PV entwickeln, auch um die vielerorts anlaufenden Initiativen besser zu vernetzen.

  1. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): Zahlen und Fakten. Energiedaten.
  2. Bergmann A, Erhorn H (2017): Energieeffizienz elektrisch angetriebener Wärmepumpen. Ergebnisse aus dem Monitoring. Fraunhofer-Institut für Bauphysik, IBP-Mitteilung 549.
  3. Günther D, Wapler J, Langner R, Helmling S, Miara M, Fischer D, Zimmermann D, Wolf T, Wille-Hausmann B (2020) WPsmart im Bestand: Felduntersuchung optimal abgestimmter Wärmepumpenheizungssysteme in Bestandsgebäuden beim Betrieb im konventionellen sowie im intelligenten Stromnetz (Smart Grid), hg. v. Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE (Fraunhofer ISE), https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/wpsmart-im-bestand.html   [zitiert am 12.9.2022]
  4. Clausen J (2022): Das Wasserstoff-Dilemma. Verfügbarkeit, Bedarfe und Mythen. Berlin, Borderstep-Institut
  5. Kreidelmeier S, Damecken H, Kirchner A, Wünsch M (2020): Kosten und Transformationspfade für Strombasierte Energieträger. Prognos.
  6. Purr K, Günther J, Lehmann H, Nuss P (2019) Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität: RESCUE - Studie, hg. v. Umweltbundesamt (UBA), 444 p, zu finden in https://www.umweltbundesamt.de/rescue  [zitiert am 3.11.2020]
  7. Prognos, Fraunhofer ISE [Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE], GWS, iinas (2020) Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050: Dokumentation von Referenzszenario und Szenario mit Klimaschutzprogramm 2030, hg. v. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 104 p, zu finden in https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/klimagutachten.pdf?__blob=publicationFile&v=8  [zitiert am 20.10.2020]
  8. Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (2019): Das Barometer der Energiewende. Kassel
  9. Kost C, Shammugam S, Fluri V, Peper D, Memar AD, Schlegel T (2021): Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
  10. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (2022): LfL Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten. Im Internet unter https://www.lfl.bayern.de/iba/unternehmensfuehrung/088966/index.php
  11. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (2022): https://biogas.fnr.de/daten-und-fakten/faustzahlen/
  12. Schober R (1987): Ertragstafeln wichtiger Baumarten. J. D. Sauerländer´s Verlag, Frankfurt/Main
  13. Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMELV (2007): Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung. Berlin
  14. Wirth H (2022): Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Fassung vom 17.07.2022.
  15. Südwerk (2022): https://www.s-werk.com/projekte/
  16. Deutsche Energie-Agentur (2020): dena-Studie Systemsicherheit 2050
  17. Agora Energiewende (2014): Stromspeicher in der Energiewende.
  18. Wirth H, Kost C, KramerK, Neuhaus H, Peper D, Rentsch J, Senkpiel C (2021): Solaroffensive – Wie wir mit Sonnenerergie einen Wirtschaftsboom entfesseln und das Klima schützen. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.
  19. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (2022): https://www.energy-charts.info/downloads/Stromerzeugung_2021.pdf
  20. 50Hertz Transmission, Aprion, TenneT TSO, TransnetBW (2022): Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023: Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber, 125  https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphs-files/Szenariorahmenentwurf_NEP2037_2023.pdf  [zitiert am 18.1.2022]
  21. Steinführer A (2021): Lässt sich die Anzahl der Dörfer in Deutschland bestimmen? Berichte über Landwirtschaft, Band 99, Heft 3
  22. Böhm J, Tietz, A. (2022): Abschätzung des zukünftigen Flächenbedarfs von Photovoltaik-Freiflächenanlagen, Thünen Working Paper 204. DOI:10.3220/WP1669630417000
  23. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (2022): Basisdaten Bioenergie Deutschland 2022
  24. Verband der Chemischen Industrie e.V. (2019): Rohstoffbasis der Chemieindustrie. Daten und Fakten.
  25. Statistisches Bundesamt (2022): Bodenfläche (tatsächliche Nutzung)
  26. Pitz-Paal R (2019): Regelbarer Solarstrom – in Nordafrika bald erstmals konkurrenzfähig günstig. Im Internet unter www.dlr.de/content/de/artikel/news/2019/02/20190605_regelbarer-solarstrom_in-nordafrika-erstmals-konkurrenzfaehig-guenstig.html
  27. Agora-Verkehrswende, Agora-Energiewende und Frontier Economics (2018): Die zukünftigen Kosten strom-basierter synthetischer Brennstoffe

Der Text geht zurück auf einen Vortrag, den der Verfasser am 8. November 2022 beim Strategischen Forum „Landnutzung im Wandel“ der DAFA (Deutsche Agrarforschungsallianz) gehalten hat.

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