Kühe und Kälber gemeinsam im Stall und auf der Weide sind in der modernen Milchviehhaltung ein seltener Anblick. Meistens werden die Kälber kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und separat aufgezogen. Die kuhgebundene Kälberaufzucht geht einen anderen Weg.
In den meisten modernen Milchviehbetrieben ist es heute üblich, das Kalb kurze Zeit nach der Geburt von der Mutter zu trennen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen möchte man das Kalb vor Krankheitserregern schützen, die von der Mutter übertragen werden könnten, zum anderen vertieft sich die Mutter-Kind-Beziehung je länger Kuh und Kalb zusammenbleiben. Eine Trennung nach einigen Tagen bedeutet dann Stress für alle Beteiligten (Kalb, Kuh und auch Landwirtinnen und Landwirte). Die frühzeitige Trennung verhindert allerdings auch, dass mütterliche Verhaltensweisen von der Kuh ausgeübt und das Kalb positive Zuwendungen wie das Ablecken erfahren kann.
Um den Tieren wieder mehr artgerechtes Verhalten zu ermöglichen, haben sich einige Milchviehbetriebe dazu entschlossen, die kuhgebundene Kälberaufzucht zu praktizieren. Im Gegensatz zur klassischen Aufzucht, in der die Kälber von Menschen mit Milch versorgt werden, können die Kälber in der kuhgebundenen Kälberaufzucht bis zum Absetzen, wenn sie schon größere Mengen Festfutter zu sich nehmen, direkt am Euter einer Kuh trinken. Die „Mütter“ werden weiterhin gemolken. Auch wie man mit anderen erwachsenen Tieren umgeht, um zum Beispiel Auseinandersetzungen zu vermeiden, lernen die Kälber in der kuhgebundenen Haltung.
Während man in der Milchviehhaltung von muttergebundener Kälberaufzucht spricht, bezieht sich der Begriff Mutterkuhhaltung auf eine Form der Rinderhaltung in der Fleischerzeugung. Dabei werden fleischbetonte Rinderrassen oder Rassenkreuzungen extensiv ─ also auf der Weide ─ gehalten. Die Kühe behalten ihre Kälber bis zum Absetzen im 7./8. Lebensmonat, wenn die Kälber überwiegend Festfutter und nicht mehr mit Milch gefüttert werden. Erst dann werden die Jungtiere von ihren Müttern getrennt und entweder weiter gemästet oder als Mütter eingesetzt. Gemolken werden die Kühe in diesem System aber nie.
In der muttergebundenen Aufzucht saugen die Kälber an der leiblichen Mutter, während in der ammengebundenen Aufzucht fremde Kühe die Aufzucht übernehmen. Es gibt auch Mischformen, bei denen die Kälber an ihren Müttern und auch an Ammen saugen. Der übergeordnete Begriff für alle diese Verfahren ist „kuhgebundene“ Aufzucht. Die Beachtung der Begriffe ist wichtig, da die Aufzuchtformen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben können.
Forscher des Thünen-Instituts beschäftigen sich seit 2004 mit der Frage, wie der Kontakt von Kuh und Kalb unter modernen Haltungsbedingungen ermöglicht werden kann und ob dies Vorteile für die Tiere und die Landwirtschaftsbetriebe mit sich bringt. Es wird untersucht, wie sich diese Form der Aufzucht auf die Gesundheit der Kälber, die Leistungsfähigkeit der Kühe, aber auch das Verhalten der Tiere auswirkt. Viele Untersuchungen wurden und werden in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt.
Inzwischen findet das Verfahren mehr und mehr Anklang in der Praxis – meist auf Bio-Betrieben. Aber auch für konventionell wirtschaftende Betriebe könnte die kuhgebundene Aufzucht eine Alternative sein. Auch wenn schon einiges untersucht wurde – eine Reihe von Fragen ist noch offen. Wir werden uns diesen Fragen widmen und hier fortlaufend über Forschungsergebnisse berichten.
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Sirovnik J, Barth K, de Oliveira D, Ferneborg S, Haskell MJ, Hillmann E, Jensen MB, Mejdell CM, Napolitano F, Vaarst M, Verwer CM, Waiblinger S, Zipp KA, Johnsen J F (2020) Methodological terminology and definitions for research and discussion of cow-calf contact systems. J Dairy Res 87(S1):108-114, DOI:10.1017/S0022029920000564
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de Oliveira D, Barth K, Haskell MJ, Hillmann E, Jensen MB, Johnsen J F, Mejdell CM, Waiblinger S, Ferneborg S (2020) Methodology for experimental and observational animal studies in cow-calf contact systems. J Dairy Res 87(S1):115-121, DOI:10.1017/S0022029920000552
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Waiblinger S, Wagner K, Hillmann E, Barth K (2020) Play and social behaviour of calves with or without access to their dam and other cows. J Dairy Res 87(S1):144-147, DOI:10.1017/S0022029920000540
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Waiblinger S, Wagner K, Hillmann E, Barth K (2020) Short- and long-term effects of rearing dairy calves with contact to their mother on their reactions towards humans. J Dairy Res 87(S1):148-153, DOI:10.1017/S0022029920000576
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https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/bitv/dn053878.pdf
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