Expertise
Flächennutzung in Schwellen- und Entwicklungsländern besser prognostizieren
Thomas de Witte, Yelto Zimmer (agri benchmark) | 11.05.2023
In Schwellen- und Entwicklungsländern ist es aufgrund fehlender Daten über die Wirtschaftlichkeit des Anbaus einzelner Kulturen schwer zu prognostizieren, wie sich die Flächennutzung künftig entwickeln wird. Für Brasilien wurde am Thünen-Institut exemplarisch ein Modell entwickelt, dass maßgeblich auf Daten typischer Betrieben aus dem agri benchmark Netzwerk basiert.
Insbesondere mit Blick auf die Klimapolitik wird es für Akteure in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft immer wichtiger zu verstehen: Welche Faktoren treiben die weltweite Flächennutzung und welche zukünftige Flächennutzung ist bei sich ändernden Rahmenbedingungen zu erwarten? So wird in verschiedenen Kreisen immer wieder diskutiert, ob eine massive Förderung der Nachfrage nach Biokraftstoffen zielführend sein kann. Eine andere Frage lautet, wie sich die Landnutzung ändert, wenn sich infolge des Klimawandels die relative Vorzüglichkeit von Ackerkulturen verändert, weil Früchte unterschiedlich stark betroffen sind. Die spannende Frage ist dann, wie reagieren die Landwirte auf diese Signale?
Diese Frage lässt sich häufig nur sehr schwer beantworten, weil die dafür erforderlichen standortspezifischen betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen Daten fehlen. Dies gilt insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer. Gerade dort findet aber der Großteil der potenziellen globalen Flächenumwidmungen statt. Nahezu unmöglich ist es bisher, belastbare Prognosen über die Entwicklung der Flächennutzung abzugeben, wenn bisher nicht-landwirtschaftliche Flächen in die Produktion genommen werden können.
In seiner am Thünen-Institut angefertigten Dissertation hat Samuel Balieiro am Beispiel von Brasilien Wege aufgezeigt, wie auch bei begrenzten realwirtschaftlichen Daten die zukünftige Flächennutzung belastbar prognostiziert werden kann. Er nutzte dafür Daten typischer Betriebe aus dem agri benchmark Netzwerk und ein bio-physikalisches Pflanzenwachstumsmodell, das Bodenqualitäten und Witterungsdaten berücksichtigt.
Landwirte wählen zwischen Soja und Mais einerseits und Zuckerrohr andererseits
Im brasilianischen Ackerbau dominiert der Anbau von Soja, Mais und Zuckerrohr, wobei die beiden ersten Kulturen in einem Jahr nacheinander angebaut werden. Aus ackerbaulichen Untersuchungen ist bekannt, dass der Klimawandel in den tropischen Regionen dazu führen könnte, dass (a) die Sojabohnen später gedrillt werden müssen, um Trockenphasen auszuweichen, und dass (b) deswegen die Maiserträge zurückgehen, weil weniger Zeit verfügbar ist. Dies hätte zur Folge, dass sowohl die Sojabohnenerträge (-11,8 %) zurückgehen als auch die vom Mais (-28 %). In den subtropischen, humiden Regionen hingegen würden die Sojabohnenerträge vermutlich profitieren (+15 %) und die Maisernten nur um 8,7 % zurückgehen.
Weiterhin gibt es in der wissenschaftlichen Literatur Hinweise darauf, dass sich der Klimawandel ertragssteigernd auf den Anbau von Zuckerrohr auswirken wird. Es stellt sich die Frage, welche Folgen eine solche Änderung der Konkurrenzfähigkeit des Soja-Mais-Systems gegenüber dem Anbau von Zuckerrohr auf die Flächennutzung haben dürfte.
In der Karte ist das Ergebnis einer entsprechenden Modellierung dokumentiert. Sie zeigt, wo die Flächen zukünftig anders genutzt werden dürften als bisher. Grün markiert sind die Regionen, in denen sich die Flächennutzung ändert, beige sind Flächen ohne substanzielle Änderung. Die stärksten Änderungen sind in den nördlichen Regionen sowie im mittleren Westen des Landes zu erwarten. Im mittleren Westen, wo bisher der Anbau von Soja und Mais dominiert, würde dieses System zugunsten von Zuckerrohr massiv zurückgefahren. Insgesamt würde sich auf 26,8 % der bestehenden Ackerflächen die Nutzung ändern.
Die Gesamtergebnisse sind im Thünen Report 106 publiziert.