Dossier
Tropenwald – schützen durch nützen
Sven Günter und Richard Fischer | 29.06.2022
Jedes Jahr verschwinden 10 Millionen Hektar Wald, zumeist in den Tropen. Die Ansprüche an die verbleibenden Wälder steigen. Denn sie sind Lebensgrundlage für die Landbevölkerung, Wirtschaftsfaktor der Industrie und oft genug zugleich ‚hot spots‘ für den Artenschutz. Aber der Verzicht auf Rohstoffe und Produkte trägt nicht automatisch zum Tropenwalderhalt bei, solange Brandrodung und nachfolgende Nutzungen ökonomisch attraktiver sind. Nachhaltige Waldbewirtschaftung und kontrollierte Nutzung können die Grundlage für einen langfristigen Schutz von Tropenwäldern sein. Denn nur was einen Wert hat, wird dauerhaft erhalten.
In wichtigen Tropenwaldregionen analysieren wir mit Partnern vor Ort Landnutzungsformen und ökologische Gegebenheiten. Dadurch demonstrieren wir beispielhaft den Nutzungsdruck für konkrete Flächen. In Staaten mit hohen Urwaldanteilen, wie in Surinam, sind Holzwirtschaft und -industrie der maßgebliche Wirtschaftsfaktor. Verbesserte Bewirtschaftungsmethoden zu entwickeln kann hier helfen, eine höhere Wertschöpfung mit weniger Urwaldnutzung zu erreichen und genutzte Flächen in nachhaltige Bewirtschaftungsformen zu überführen. Dadurch reduziert sich der Druck auf die verbleibenden Urwälder.
Wie stark die Landbevölkerung auf den Wald angewiesen ist, zeigen Studien in Madagaskar und Nepal. In Madagaskar geben 82 Prozent der befragten Bauern an, direkt vom umliegenden Wald abhängig zu sein. In den Philippinen und Madagaskar beziehen speziell die ärmsten Haushalte hohe Anteile des Lebensunterhalts vom Wald, oft aus Brandrodung.
In Sambia zeigen unsere Forschungsergebnisse den Fluch und Segen der Holzkohleproduktion: Sie ist wichtige Einkommensquelle der armen Bevölkerung, gleichzeitig aber Ursache für den Verlust der Miombo-Trockenwälder. Verbesserte Produktionsmethoden und Governance-Strukturen sind hier dringend erforderlich, um die weitere Degradierung zu vermeiden. Finanzielle Anreizsysteme zum Walderhalt in den Tropen gewinnen an Bedeutung, sind aber noch selten. In Ecuador wurden positive, aber eher indirekte Effekte festgestellt: Sie unterstützen die Klärung der Nutzungsrechte, sowie die Partizipation der lokalen Bevölkerung und es gab weniger Degradierung und Entwaldung in der Umgebung der Wälder, die über Zahlungen geschützt werden.
Monetäre Kompensationen allein sind allerdings wenig hilfreich, sofern sich keine Lebensgrundlagen ohne Waldnutzungen bieten. In Ecuador und Äthiopien entwickeln wir waldbauliche Verfahren und Strategien zur Wiederbewaldung degradierter Flächen.
Ökonomische Aspekte
Bei unserer Arbeit haben wir die enge Verzahnung von Naturwäldern, Kulturlandschaften und industriellen Flächennutzungen im Blick. In vielen Fällen werden Waldflächen umgewandelt, um beispielsweise Flächen für industrielle Fleischproduktion oder Palmölplantagen zu gewinnen. Ökonomische Berechnungen dieser sogenannten Opportunitätskosten können einerseits zeigen, wo nachhaltige Waldbewirtschaftung eine ökonomisch tragfähige Alternative zu solchen Flächennutzungen ist. Andererseits lässt sich berechnen, wie hoch Kompensationszahlungen sein müssten, um die Walderhaltung finanziell attraktiver zu machen. Auf dieser Basis kann eine geplante Flächennutzung Grundlage für den Erhalt der Wälder sein.
Neben der Optimierung verschiedener Bewirtschaftungsformen simulieren wir die Wirkung von finanziellen Anreizen, gesetzlichen Vorschriften und Politikinstrumenten auf Walderhalt in tropischen Landschaften. Unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen, Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort und unsere Forschungsergebnisse sind die Grundlage für nationale und internationale Politikberatung zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung eines der weltweit komplexesten Ökosysteme.