Welche Bedeutung hat die mikrobielle Stickstoff-Emission aus landwirtschaftlich genutzten Böden für die Pflanzenproduktion, den Klimawandel und die Minderung von Nährstoffausträgen? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine neue Forschergruppe, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert und an der das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz maßgeblich beteiligt ist. Trotz jahrzehntelanger intensiver Forschung können die Auswirkungen der mikrobiellen Umwandlung des im Nitrat gebundenen Stickstoffs zu gasförmigem Stickstoff (N2)und zu Stickoxiden (NO, NO2, N2O) durch den Prozess der Denitrifikation noch nicht zuverlässig vorhergesagt werden. Die neue DFG-Forschergruppe „Denitrification in Agricultural Soils: Integrated Control and Modelling at Various Scales (DASIM)” beleuchtet mit analytischen und molekularbiologischen Methoden sowie mit Freiland-Experimenten und verschiedenen Modellansätzen die Prozesskette der Denitrifikation in Agrarböden von der Mikroskala zur Feldskala.
Die DFG fördert das Projekt DASIM zunächst für drei Jahre mit 3,15 Milllionen Euro. Neben der federführenden Justus Liebig Universität Gießen (Sprecher: Prof. Dr. Christoph Müller, Institut für Pflanzenökologie) sind elf deutsche Forschungsinstitute sowie zwei ausländische Kooperationspartner an der Forschergruppe beteiligt. Dr. Reinhard Well vom Thünen Institut für Agrarklimaschutz ist Initiator und Co-Koordinator der Forschergruppe und leitet eines der insgesamt neun Teilprojekte.
Die mikrobielle Umwandlung von mineralischem Stickstoff zu atmosphärischem Stickstoff (N2) geschieht unter sauerstoffarmen bzw. -freien Bedingungen. Klimarelevantes Lachgas (N2O) ist dabei ein Zwischenprodukt, dessen Freisetzung von verschiedenen Umweltfaktoren – zum Beispiel der Bodenfeuchte und der Temperatur – beeinflusst wird.
DASIM leistet Forschungsbeiträge zu den Thünen-Themenfeldern Boden, Wasser, Klima und Luft sowie Pflanzenproduktion: N2O-Emissionen aus Böden sind durch ihren Beitrag zum Treibhauseffekt als auch zur Ozonzerstörung für Klima und Luft relevant. In der Pflanzenproduktion konkurriert der mikrobielle Abbau von Nitrat mit der N-Aufnahme der Kulturpflanzen. Das kann sich negativ als Ertragseinbußen und/oder erhöhtem Düngeraufwand auswirken, aber auch positiv durch Verminderung der Auswaschung von überschüssigem Nitrat in Grund- und Oberflächengewässer.
Trotz intensiver Forschungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts können die Denitrifikationsraten in Böden und Emissionen der gasförmigen Produkte immer noch nicht zufriedenstellend vorhergesagt werden. Dieses liegt einerseits daran, dass geeignete analytische Methoden zur Messung von N2-Freisetzungen aus dem Boden fehlen. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass man relativ kleine N2-Mengen gegen einen immensen Hintergrund – die atmosphärische N2-Konzentration beträgt etwa 78 Prozent – zuverlässig bestimmen muss.
Ein weiteres Problem stellt die hohe Heterogenität der Böden dar: Im Boden existieren sauerstoffreiche und sauerstoffarme Bereiche in direkter Nachbarschaft. Diese „Microsites“ können durch verschiedene mikrobielle Gemeinschaften und unterschiedliche Stickstoff-Umwandlungsprozesse geprägt sein. Denitrifikation ist vor allem in sogenannten „Hotspots“ besonders stark, die durch eine erhöhte Verfügbarkeit organische Substanz charakterisiert sind.Die Forschergruppe DASIM kombiniert innovative Methoden (unter anderem Xray-μCT, 15N-Tracing, Nanosims, Mikrosensoren, NMR-Spektroskopie und Next-Generation-Sequenzierung), um die Prozesse der Denitrifikation mit einer bisher beispiellosen räumlichen und zeitlichen Auflösung zu untersuchen. Die neuen Erkenntnisse sollen dazu dienen, mathematische Modelle von der Mikroskala zur Feldskala zu entwickeln und vorhandene Simulationsmodelle zu verbessern. Diese Modelle sollen unter anderem dazu genutzt werden, die gasförmigen Stickstoff-Freisetzungen (unter anderem N2O, N2) unter einem sich ändernden Klima vorherzusagen. Das Thünen-Teilprojekt hat zum einen die Aufgabe, anhand von Laborinkubationen Daten zur Validierung der Denitrifikationsmodelle zu erheben. Zum anderen sollen neue Methoden entwickelt und angewandt werden, um denitrifizierende Mikrobereiche im Boden zu lokalisieren und zu quantifizieren.
Kontakt: Dr. Reinhard Well (reinhard.well@thuenen.de)