Stellnetze sind bezogen auf die Zielart eine sehr selektive Fangmethode. Kilometerlang spannen Fischer sie durch die Ostsee, um beispielsweise Dorsch zu fangen. Stellnetze haben jedoch auch einen Nachteil: Sie sind für Schweinswale praktisch unsichtbar und werden deshalb häufig zur tödlichen Falle. Der Grund: Wale orientieren sich wie Fledermäuse mit Hilfe von Echolokation, sie senden Signale aus, die ihnen als Echo zurückgeworfen den Weg weisen. Nylonnetze senden aber praktisch kein Echo zurück. Im Projekt „Stellnetzfischerei-Lösungsansätze STELLA“ am Thünen-Institut für Ostseefischerei hat die Doktorandin Isabella Kratzer deshalb nach einer technischen Lösung gesucht, um die Stellnetze für die Schweinswale sichtbar zu machen und zugleich die Fängigkeit für Fische nicht einzuschränken.
Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit sind nun in ihre Promotion eingeflossen und werden von der Wissenschaftlerin während eines öffentlichen digitalen Kolloquiums am Donnerstag, 28. Januar, um 11 Uhr vorgestellt.
Isabella Kratzer hat sich der Lösung des Problems systematisch genähert. Eine wesentliche Rolle dabei spielten Tischtennisbälle. Sie dienen der Wissenschaft als Referenzobjekte für Luftblasen. Diese werfen unter Wasser den Schall zurück, was zum Beispiel bei Rammarbeiten für Windkraftanlagen genutzt wird: Riesige Blasenschleier um die Baustellen schützen Wale und andere geräuschempfindliche Meerestiere vor Lärmbelastung und Orientierungsverlust. Statt Luft wären auch sehr dichte Gegenstände wie Stahlkugeln zur Reflexion der Schallwellen geeignet. „Beide Ansätze sind aber im Fischereibereich unbrauchbar“, sagt Isabella Kratzer. Luft lässt die Netze auftreiben, schwere Kugeln sie zu Boden sinken. Also suchte sie nach einem Gegenstand mit ähnlicher Dichte wie Wasser und dem Reflexionsgrad von Luftblasen.
An der Wehrtechnischen Dienststelle 71 der Bundeswehr in Kiel hat sie schließlich so lange Materialbeschaffenheit, Größe und Dichte von Gegenständen am Computer variiert, bis sie die optimale Form eines Objektes gefunden hatte, das durch Resonanz für die Schweinswale so laut wird wie ein Tischtennisball. Dieses optimale Objekt ist eine acht Millimeter kleine Acrylglasperle. Wird eine bestimmte Anzahl dieser Kügelchen in ein Stellnetz eingearbeitet, wird es für die Wale so sichtbar wie eine Mauer für uns Menschen.
Das Entscheidende dabei: Die Netze bleiben für die Zielart Dorsch unsichtbar und die Fischenden haben weder Fangverlust noch zusätzlichen Arbeitsaufwand. Acrylglasperlen könnten so zu einer der wichtigsten Neuerungen in der Fischereitechnik werden.
Weitere Informationen:
STELLA-Projekt
PEARLNET-OP