Projekt
Zielorientierte Maßnahmen zur Erhöhung der Agrobiodiversität
Entwicklung von zielorientierten und effizienten Verfahren und Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität in Agrarlandschaften
MEDIATE stellt sich dem Problem des Rückgangs der Biodiversität in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen durch einen partizipativen Ansatz in zwei Landkreisen Niedersachsens. Fragen zur Ökonomie, Ökologie und Akzeptanz stehen im Zentrum der Arbeiten.
Hintergrund und Zielsetzung
MEDIATE stellt sich der Problematik mangelnder Akzeptanz und fraglicher Effizienz von Agrarumweltmaßnahmen in stark betriebswirtschaftlich motivierten Agrarflächenkomplexen. Es beschäftigt sich zudem mit der Prüfung von Ergebnissen aus Ex-ante-Analysen welche der derzeitig gültigen Ausgestaltung des Greenings von Direktzahlungen der GAP nur geringe Effekte für die biologische Vielfalt beimessen. Hierzu werden folgende Fragen adressiert:
- Wie kann erreicht werden, dass Biodiversitätsziele als integraler Bestandteil der Flächenbewirtschaftung von Flächennutzern akzeptiert und umgesetzt werden?
- Welche Maßnahmen in welcher Ausgestaltung und Vernetzung können beitragen, den Rückgang an Lebensräumen und den darin vorkommenden Arten in Ackerbauregionen zielorientiert und effizient zu stoppen?
- Welchen Beitrag können das Greening (insbesondere die Einrichtung von ökologischen Vorrangflächen) und schon bisher angebotene AUM leisten?
- Welche weiteren Potenziale (z.B. produktionsintegrierte Maßnahmen, Anbaudiversifizierung durch biodiversitätsfördernde Feldfrüchte) können gemeinsam mit den Flächennutzern identifiziert werden?
- Welche Möglichkeiten der Anpassung und Optimierung von Maßnahmen(-bündeln) existieren?
Zielgruppe
Landwirte, Landwirtschaftsberater, Agrar(umwelt)politik, Agrarökonomie, Agrarökologie
Vorgehensweise
MEDIATE beinhaltet als wesentliche umsetzungsrelevante Komponente die Erarbeitung praxistauglicher Maßnahmen(-bündel) und deren Ausrichtung auf, sowie deren Implementierung in land- und betriebswirtschaftliche Abläufe.
Als Untersuchungsregion dienen die beiden Landkreise Nienburg und Diepholz. Die Flächenbewirtschaftung der Region ist durch einen hohen Prozentsatz an Veredelungswirtschaft mit zugehörigem Futterbau sowie durch eine beachtliche Produktionsleistung im Bereich von Marktfrüchten und Sonderkulturen sowie hohe Flächenanteile zum Anbau von Biomasse für die energetische Verwertung gekennzeichnet. Die Auswahl und besondere strukturelle Eignung der Untersuchungsregion beruht auf ihrer Lage angrenzend an die veredelungsstarken Landkreise Vechta und Oldenburg und einer damit verbundenen intensiven Agrarstruktur, welche neben den direkten Einkommen regionalwirtschaftlich bedeutsame Wertschöpfung im vor- und nachgelagerten Bereich generiert.
Da die Wirksamkeit von Maßnahmen entscheidend von der konkreten Ausgestaltung vor Ort abhängt, ist es das Ziel dieses Projekts, in der ausgewählten Untersuchungsregion, gemeinsam mit ansässigen Landwirten und unter frühzeitiger Einbeziehung der vor Ort relevanten Naturschutzakteure existierende Maßnahmen und Verfahren zu analysieren sowie optimierte Maßnahmen(-bündel) zu entwickeln, umzusetzen und zu testen. MEDIATE begleitet hierbei zum einen die konkrete Umsetzung von Maßnahmen der ersten (Greening) und zweiten (AUM) Säule der GAP und führt Analysen und Bewertungen aus ökonomischer, landschaftsökologischer und naturschutzfachlicher Perspektive durch. Dadurch wird eine Einschätzung der Biodiversitätswirkung der Standard-Umsetzung von Maßnahmen erzielt. Zum anderen werden, parallel zu diesem Schritt, die entwickelten optimierten Maßnahmen(-bündel) auf Partnerbetrieben umgesetzt und hinsichtlich ihrer Biodiversitätswirkung geprüft.
Ergebnisse
Der derzeitige agrarpolitische und naturschutzfachliche Diskurs bzgl. des Rückgangs der Artenvielfalt scheint in einem wesentlichen Grundsatz einen interdisziplinären Konsens zu finden: Der Erhalt und die Förderung eines möglichst diversen Arteninventars in heterogenen Agrarlandschaften gelingt nur im Rahmen einer integralen landschaftsraumbezogen Umsetzung in Anhängigkeit vom rezent prägenden Landnutzungssystem. Unstrittig ist ebenfalls, dass sich das „Produkt“ Biodiversität in der erforderlichen Größenordnung nur über Strukturen und Intensitäten „erzeugen“ lässt, die sich historischer Nutzungsvorbilder bedienen. So einfach dies für einzelne Zielarten(gruppen) anhand ihrer Habitat-Ansprüche umsetzbar erscheinen mag, umso komplexer gestaltet sich der erforderliche Transformationsprozess in hochproduktive Nutzungssysteme im Hinblick auf die Ansprüche ganzer Bio- und Zoozönosen. Die Komplexität des Anforderungskataloges erfährt eine enorme zusätzliche Dimension, erweitert man den Betrachtungsrahmen, wie fachlich eigentlich zwingend erforderlich, um die Pflanzenarten der Offenlandschaft und deren nutzungsabhängige Vergesellschaftungen als Grundlage für die darauf aufbauenden Nahrungsketten. Aus der Beratung und Begleitung der am Projekt mitwirkenden Landwirt:innen wurden strukturelle wie praktische Hemmnisse bei der Umsetzung von Maßnahmen zu identifiziert und daraus Erkenntnisse zur Aus- und Umgestaltung von Maßnahmen, welche eine landbauliche Optimierung des „Werkzeugkastens“ bieten erarbeitet: Bepreisung und Honorierung des „öffentlichen Gutes“ Biodiversität. Die für die Erreichung erforderlicher Zielmarken im Rahmen von MEDIATE definierten biodiversitätswirksamen Flächenanteile machen mehr als deutlich, dass die landwirtschaftliche „Produktion eines öffentlichen Gutes“ wie das der Biodiversität „on field“ und „in crop“, also auf landwirtschaftlicher Nutzfläche, zwangsläufig zu Lasten der einkommenswirksamen Produktionsfläche für Marktfrüchte, Futtermittel und Biomasse geht. Betriebswirtschaftlich ausgedrückt, lassen sich also genetische und biologische Vielfalt nicht (mehr) als kostenneutrale „Koppelprodukte“ innerhalb rezenter Produktionssysteme erzeugen. Und viel entscheidender noch: das von der Gesellschaft in erheblichem Maße eingeforderte Produkt „Artenvielfalt“ besitzt derzeit noch keinen Preis und einen Markt, über den sich auf landwirtschaftlicher Seite kalkulierbar alternative Einkommen generieren ließen. Die Verdrängung landwirtschaftlicher Einkommen durch die geforderte Ökosystemleistung Biodiversität erfordert es, die für dessen Erzeugung entstehenden Kosten über einen entsprechenden Marktmechanismus auszugleichen und zu finanzieren. Über eine Preisgestaltung für eine „Biodiversitäts-Einheit“ pro Hektar, die sich im Bereich der Deckungsbeiträge klassischer Kulturen bewegen, erhielte die Teilnahme an Programmen und Umsetzung von Maßnahmen aus Sicht der Landwirt:innen eine deutliche ökonomischere Komponente, die auch Bewirtschafter:innen mit geringer naturschutzfachlicher Affinität rein betriebswirtschaftlich motivieren würde. Die bisherige Architektur der Agrar-Umwelt-Maßnahmen/des Vertragsnaturschutzes des Landes Niedersachsens hat in Folge einer teils erheblichen Unterfinanzierung, mangelhafter betrieblicher Integrationsfähigkeit von Maßnahmen und einem hohen wahrgenommenen Sanktionsrisiko neben einer geringen Nachfrage und Teilnahme der Projekt-Betriebe auch zu einer ausgeprägten räumlichen wie funktionalen Entkoppelung klassischer Erzeugung und naturschutzfachlicher „Produktionsbereiche“ geführt. Flächen, mit denen Landwirt:innen an Agrar-Umwelt-Programmen teilnahmen, lagen zum weitaus überwiegenden Teil auf Ungunst-Standorten infolge bodenbedingter, hydrologischer, technischer oder auch naturschutzrechtlicher Bewirtschaftungseinschränkungen. Die zu beobachtende Rückläufigkeit von Vorkommen und Populationsdichten selbst vergleichsweise häufiger Arten der Agrarlandschaften auf den untersuchten Flächenarealen machen jedoch klar, dass es einer deutlich weitreichenderen Attraktivierung von Maßnahmen bedarf, um eine flächige Verteilung wirksamer Maßnahmen auch auf (hoch)produktiven Standorten zu erreichen. Das Fördersystem steht damit vor der Herausforderung einer erheblichen Anpassung des Instrumentariums, um das gewachsene betriebliche und landschaftliche „Schwarz-Weiß-Prinzip“ in Bezug auf die Verortung und Verteilung von Maßnahmen in der Landschaft aufzubrechen. Einfluss des Flächeneigentums strukturell adressieren. Ein zweites großes Hindernis, über Beratung die erforderlichen Flächenanteile als wirksame Landschaftsflächenanteile zu erreichen, ist das aktuelle Landpachtsystem in Verbindung mit den betrieblichen Eigentums- und Pachtflächenverhältnissen, dem lokalen Pachtpreisniveaus sowie dem Einfluss des Eigentums auf die Art der Bewirtschaftung von Flächen. Obwohl viele Betriebe über Generationen und Jahrzehnte hinweg große zusammenhängende Flächenkomplexe durch Kauf und Flächentausch schaffen konnten, darf dies nicht über den in Niedersachsen durchschnittlich überwiegenden Pachtflächenanteil von über 60 % an der betrieblichen Gesamtfläche hinwegtäuschen. Im Einzelfall sind sogar betriebliche Pachtflächenanteile von über 90 % Realität. Die auch landpachtrechtlich verankerte Verpflichtung, die „Pachtsache“, also die gepachtete Fläche, in dem Zustand zu erhalten, in dem sie zu Beginn des Pachtverhältnisses übergeben wurde, wirkt sich vollkommen unbemerkt hemmend auf die Umsetzung von agrarökologischen Praktiken aus. So finden sich nicht selten in vielfach mündlichen Pachtvereinbarungen Auflagen wieder, Flächen nicht durch Naturschutzmaßnahmen ackerbaulich zu entwerten („Verunkrautung“) oder gar der Gefahr des Verlustes des Ackerstatus oder der irreversiblen Festsetzung naturschutzfachlicher Auflagen auszusetzen. Damit stehen Flächen vielfach nicht aufgrund des „Unwillens“ der Bewirtschafter:innen für Maßnahmen zur Verfügung, sondern aufgrund der Ablehnung einer unterstellten „wertmindernden“ Bewirtschaftung durch das Eigentum. Dies zeigt, dass ein wesentlicher Hebel für die Erhöhung der Maßnahmendichte auf landwirtschaftlicher Nutzfläche faktisch nicht bei den bewirtschaftenden Betrieben liegt, sondern bei außerlandwirtschaftlichen Bevölkerungsgruppen, die die Fläche besitzen. Damit stellt sich förderstrukturell tatsächlich nicht nur die als vorrangig angesehene Frage, wie agrarförderrechtliche Anreize für Landwirt:innen geschaffen werden können, sondern zu dem diejenige, über welche Mechanismen außerhalb des Agrarförderrechts Impulse in die „Landschaft“ des sehr heterogenen Flächeneigentums gegeben werden können. Korrekturmöglichkeiten bei Maßnahmenfehlentwicklungen und Einpreisen von maßnahmenbedingten „Folgeschäden“. Nahezu alle Betriebe, die Maßnahmen während der Projektlaufzeit von MEDIATE umsetzten, berichteten nach Beendigung der Maßnahmen von deutlich erhöhten pflanzenbaulichen „Korrektur-Aufwendungen“. Hierbei traten vor allem erhöhte Aufwendungen für chemischen und mechanischen Pflanzenschutz in den Vordergrund. Obschon einseitige Fruchtfolgen sicherlich überwiegend ursächlich für bereits vorhandene „Problemverunkrautungen“ und eine entsprechende Diasporenbank in Ackerböden sind, traten auf Standorten ohne problematische Wildkrautflora erstmalig insbesondere Probleme mit Ackerkratzdistel und stumpfblättrigem Ampfer auf. Hinzu kamen „Ungräser“ wie Quecke und Ackerfuchsschwanz mit ihrer ganz eigenen Problematik der Regulierung in Getreidefruchtfolgen, gerade bei pflugloser Bewirtschaftung. Gerade im Zusammenhang mit der Vergrasung von Flächen wurde wiederkehrend darauf hingewiesen, dass die Abkehr von dem kategorischen und undifferenzierten Verbot des Einsatzes von selektiven Herbiziden auf Maßnahmenflächen eine deutlich höhere Bereitschaft erzeugen würde, Maßnahmen mit mehr oder langjährigen Laufzeiten umzusetzen. Die beschriebenen Probleme traten bei allen im Projekt umgesetzten Maßnahmen auf, zumal die Maßnahmenflächen aus methodischen Gründen für die Laufzeit der ökologischen Begleitforschung an denselben Standorten festgesetzt werden mussten. Obgleich dies aus naturschutzfachlicher Sicht in vielerlei Hinsicht als sinnvoll und erforderlich anzuerkennen ist, zeigte sich darin die aus landwirtschaftlicher Sicht zentralste Schwäche aller ackerbezogenen Agrarumweltmaßnahmen: Die fehlende Möglichkeit der Beendigung oder des Ortswechsels von Maßnahmen bei auftretenden Fehlentwicklungen mit pflanzenbaulichen Konsequenzen, was unmittelbar in Verbindung mit fehlenden finanziellen Anreizen zur Deckung des pflanzenbaulichen Management- und Folgeaufwandes zu sehen ist. Wissenstransfer und Veränderung des landwirtschaftlichen Selbstverständnisses. Ein vollkommen unterschätzter, aber dennoch entscheidender Schlüssel für die Integration der Ökosystemleistungen „Artenvielfalt“ in die Flächennutzung liegt in einer Veränderung des landwirtschaftlichen Selbstverständnisses, Denkens und schließlich Handelns. Diese ist offenkundig durch das aktuelle Förderinstrumentarium derzeit nicht adressiert und darüber demnach auch nicht generierbar. Zentraler Wunsch aus der Fläche und damit wichtiges Förderinstrument ist es daher, Bewirtschafter:innen fachlich dazu in die Lage zu versetzen, auch ohne Anleitung die richtigen Maßnahmen (was) zum richtigen Zeitpunkt (wann) an den richtigen Stellen (wo) in der richtigen Art und Weise (wie) umzusetzen. Eine wesentliche Erkenntnis und eine zentrale Lehre aus MEDIATE war und ist, dass die Motivation von Landwirt:innen, sich einzubringen und Maßnahmen umzusetzen, schlagartig steigt, sobald diesen Möglichkeiten eröffnet werden, sich über Beratung naturschutzfachliches Wissen anzueignen und gleichzeitig an der praktischen Umsetzbarkeit von Maßnahmen mitzuwirken und mit Hinweisen auf Umsetzungskonflikte Gehör zu finden. So wurde es von Beginn des Projektes an seitens der Kooperationslandwirte als sehr positiv wahrgenommen, mit Wissenschaft und Naturschutz partnerschaftlich auf Augenhöhe kommunizieren zu können, ohne sich in der tradierten Rolle des „Verursachers“ wiederzufinden. Der fachliche Austausch zur Maßnahmenoptimierung, das Feedback aus und die Teilhabe an der Begleitforschung sowie die projektbegleitende Weitergabe von naturschutzfachlichem Wissen erwiesen sich damit in Summe als stärkste Motivation, Maßnahmen umzusetzen, sich fachlich damit auseinanderzusetzen und Lösungen für praktische Optimierungen beizutragen. Nicht zuletzt wurden dem Projekt aufgrund dessen Maßnahmen-Flächen sehr bereitwillig und teils, trotz aller geschilderten Nachteile, sogar unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Landschaftsbezogene Betrachtung, Beratung und kollektive Umsetzung alternativlos. Die im Projekt in Szenarien modellierten Dimensionen wirksamer Flächenanteile lassen schnell klarwerden, dass der Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche für die Zielerreichung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Effektivität der Maßnahmenumsetzung steht. Mit einem nur eingeschränkten Fokus auf die Umsetzung von Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen schien die einzelbetriebliche Beratungsebene alleinig dazu in der Lage zu sein, die erforderlichen naturschutzfachlichen Potenziale nutzbar zu machen. Allerdings kam und kommt diese Beratungsebene selbst bei optimalem Verlauf und angemessenem Zeitbudget - was für alle Betriebe derzeit weder fördertechnisch zu gewährleisten noch mit bestehenden Budgets ansatzweise finanzierbar wäre - an einer strukturell sehr entscheidenden Stelle schnell an die Grenze ihrer Wirksamkeit: Der fehlende Zugriff auf überbetriebliche, großflächig Flächenareale einschließlich der darin befindlichen außerlandwirtschaftlichen Flächen und Strukturen. Die flächenscharfe Umsetzungsplanung für die drei Zielszenarien auf den vier analysierten Modellbetrieben machte deutlich, dass neben der Qualität und der räumlichen Verteilung wirksamer Strukturen über die Betriebsflächen hinaus die gezielte Schaffung und Nutzung von Habitat-Synergien einer der zentralsten Parameter ist, um so effektiv wie möglich Zielsetzungen mit Landschaftsbezug definieren, planen und letztlich umsetzen zu können. Im praktischen wie wissenschaftlichen landschaftsökologischen Diskurs ist nicht erst seit der Diskussion um das „niederländische Modell“ und dessen Vorzüglichkeit in Bezug auf die „kollektive“ Definierung landschaftsraum-spezifischer Agrarumweltziele eines klar: Nur in der Gemeinschaft aller, auch außerlandwirtschaftlicher Flächennutzer und -Eigentümer, lassen sich - zeitlich wie räumlich koordiniert - Maßnahmen so planen und umsetzen, dass sich tatsächlich wirksame Beiträge zur Erhöhung des (potenziell) raumspezifischen Arteninventars erreichen lassen – zur Reduzierung des dafür Flächenbedarfs und damit zum Schutz der verbleibenden landwirtschaftlichen Nutzfläche. Aus den beschrieben Hemmnissen leitet sich damit für die Ausrichtung geeigneter Beratungsinstrumente automatisch ab, dass sich allein auf Grundlage einer Beratung für landwirtschaftliche Flächennutzer:innen möglicher Weise ein zu geringer Teil der Agrarfläche wirksam erreichen lässt. Umso so stärker treten für Empfehlungen zur zukünftigen Ausrichtung von Agrarpolitik und Förderinstrumentarium Aspekte in den Vordergrund, die neben der Gemeinschaft der Bewirtschafter:innen explizit auch das gesamtgesellschaftliche Kollektiv in Beratung und Wissenstransfer adressieren. Dies würde, nicht nur in der Wahrnehmung der Kooperationslandwirte, die gesamtgesellschaftliche Verantwortlichkeiten für das öffentliche Schutzgut „Artenvielfalt“ im Sinne eines aktiv getragenen Gesellschaftsvertrages mit der Landwirtschaft deutlich breiter verteilen und erheblich mehr auch außerlandwirtschaftliche Fläche erreichen. Uneingeschränkter Zugang zu spezifischen Beratungsangeboten essentielles strukturelles Erfordernis. Die vielschichtigen Analysen, Befragungen und Beratungen der am Projekt teilnehmenden Betriebe fanden zeitgleich mit der vom Land Niedersachsen ab 2015 über das Förderprogramm PFEIL (ELER) geförderten einzelbetrieblich Biodiversitätsberatung (EB) statt. Diese wurde in der Projektregion u. a. von der Bezirksstelle Nienburg der Landwirtschaftskammer Niedersachsen durchgeführt. Das Format der einzelbetrieblichen Biodiversitäts-Beratung beinhaltet im Gegensatz zu den in MEDIATE vorgenommenen Analysen die Identifikation konkreter betrieblicher Aufwertungspotenziale, die Konkretisierung umsetzbarer Maßnahmen sowie den dafür erforderlichen Wissenstransfer in einem betrieblich wie förderrechtlich sehr begrenzten zeitlichen und fördertechnischen Budget. MEDIATE hingegen ermöglichte zumindest bei den vier Modellbetrieben eine eingehende landschaftsbezogene Betrachtung sämtlicher Betriebsflächen. Von einer reinen betrieblichen „Potenzialanalyse“ und daraus abgeleiteten Beratungsempfehlungen wich dieses Vorgehen insofern erheblich ab, als dass zusammen mit den Bewirtschaftern deren gesamte Betriebsfläche - wenn auch nur fiktiv - in den drei Flächenszenarien mit Maßnahmen beplant wurden. Während im ersten Szenario (15 %) tatsächlich vielfach „nur“ Flächen in Anspruch genommen werden mussten, die einen geringen betrieblichen Wert hatten, erforderten die beiden weiteren Szenarien je nach Qualität der umgebenden Landschaft erhebliche Inanspruchnahmen betriebswirtschaftlich essentieller Flächen. Dabei ließ sich im Verlaufe der Gespräche feststellen, wie wichtig und wertvoll die betrieblichen Kenntnisse für die Identifikation von Maßnahmenstandorten und für eine konkrete Maßnahmenwahl waren. Zudem war festzustellen, dass sich die Perspektive der Landwirte auf ihre Fläche dahingehend veränderte, Flächen als Suchraum für wirksame Maßnahmen zu betrachten, die dennoch betriebswirtschaftlich die geringsten „Verluste“ mit sich brachten. Trotz der Unterschiedlichkeit beider Beratungsansätze und Zielrichtungen konnte eine wesentliche Parallele hinsichtlich der Effekte der Beratung unabhängig von den konkreten Inhalten beobachtet werden: Der naturschutzfachliche Wissenszuwachs und die aktive betrieblichen Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten zur Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen bewirkt, dass alle beratenen Bewirtschafter:innen ihr betriebliches Denken und Handeln verändert haben. Deutlichster Beleg dafür waren die in der Folge der projektinternen Beratung spürbar steigende und anhaltende Nachfrage nach weiterführender Beratung. Damit konnte der sicher zentralste Schlüssel und die sich daran anknüpfende wichtigste Forderung zur nachhaltigen Förderung der Artenvielfalt in Agrarlandschaften identifiziert werden: Die flächendeckende und zielgruppenspezifische Bereitstellung erforderlichen Wissens als Voraussetzung für einen gesamtgesellschaftlichen Perspektivwechsel und als integraler Teil eines kollektiven Verantwortungsbewusstseins. |
Thünen-Ansprechperson
Thünen-Beteiligte
Beteiligte externe Thünen-Partner
- Georg-August-Universität Göttingen
(Göttingen, Deutschland) - Landwirtschaftskammer Niedersachsen
(Oldenburg, Uelzen, Hannover, Deutschland)
Geldgeber
-
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
(national, öffentlich)
Zeitraum
1.2016 - 8.2021
Weitere Projektdaten
Projektfördernummer: 32873/01
Projektstatus:
abgeschlossen
Publikationen zum Projekt
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Wietzke A, Waveren C-S van, Bergmeier E, Meyer S, Leuschner C (2020) Current state and drivers of arable plant diversity in conventionally managed farmland in Northwest Germany. Diversity 12(12):469, DOI:10.3390/d12120469
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Dauber J, Dieker P, Nürnberger F (2019) Das Aktionsprogramm Insektenschutz aus Sicht der agrarökologischen Forschung. In: GfÖ 2019 : Science meets practice ; 49th Annual Meeting of the Ecological Society of Germany, Austria and Switzerland ; University of Münster, 9 - 13 September 2019 ; book of abstracts. Berlin: Gesellschaft für Ökologie, p 182
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Stupak N, Sanders J, Heinrich B (2019) The role of farmers' understanding of nature in shaping their uptake of nature protection measures. Ecol Econ 157:301-311, DOI:10.1016/j.ecolecon.2018.11.022
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Dauber J, Brandt K, Everwand G, Kulow J, Mecke S, Schulz K, Waveren C-S van, Klimek S (2018) Innovative farming systems in landscapes under change - a plea for a long-term system approach. In: Book of abstracts: Landscape 2018, 12–16 March 2018, Berlin, Germany, Adlershof con.vent. pp 263-264