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Bürokratieabbau dank geringerer Umweltauflagen?

Das EU-Parlament hat am 24. April Änderungen bei den Umweltauflagen beschlossen, die landwirtschaftliche Betriebe erbringen müssen, wenn sie Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhalten wollen. Eine Begründung lautet Bürokratieabbau. Warum das Argument nicht trägt.

Brach liegende Ackerfläche auf einem schwachen Bodenstandort.
© Thünen-Institut/Norbert Röder

Bei den jetzt reduzierten Umweltauflagen handelt es sich um die sogenannten GLÖZ-Standards (Guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand) und die Grundanforderungen der Betriebsführung (GAB). Die GAB beinhalten wesentliche Teile des europäischen Ordnungsrechts zu Umwelt-, Natur- und Tierschutz mit Relevanz für die Landwirtschaft. Demgegenüber gehen die GLÖZ-Standards über das bestehende europäische Umwelt- und Tierschutzordnungsrecht hinaus. Die Einhaltungen dieser Auflagen und die damit verbundene Erbringung von Umweltleistungen sind unter anderem Voraussetzung dafür, dass ein Betrieb Zahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhält. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Betrieben weniger Umweltleistungen abzuverlangen. Nach der Zustimmung des EU-Parlaments steht nun nur noch die Zustimmung des Ministerrats aus. Die weitreichenden negativen Folgen für den Umwelt- und Naturschutz hat Dr. Norbert Röder vom Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen bereits an anderer Stelle kritisch analysiert.

"Weniger beachtet wurde bisher, dass die Änderungen auch eine Forderung der Landwirtinnen und Landwirte erfüllen sollen, nämlich den Abbau überbordender Bürokratie", erläutert Norbert Röder. Dafür sei u. a. die Aussetzung von Kontrollen und Sanktionen für Kleinbetriebe mit weniger als zehn Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche geplant. Das heißt, solche Betriebe verlieren keine Agrarzahlungen mehr, wenn sie gegen die Grundanforderungen der Betriebsführung verstoßen. Auch wenn sie damit geltendes Ordnungsrecht verletzen. In Deutschland kommt hinzu, dass wesentliche GLÖZ-Standards zum Grünland- und Biotopschutz auch im nationalen Ordnungsrecht geregelt sind. Sie sind von allen Betrieben einzuhalten und müssen schon von daher kontrollierbar sein und kontrolliert werden.
„Was die Bürokratieentlastung betrifft, so müssen Landwirtinnen und Landwirte für Sachverhalte, die durch das europäische Ordnungsrecht, also die GAB, geregelt sind, weiterhin beispielsweise den Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz dokumentieren, wenn sie Bußgelder vermeiden wollen“, sagt Röder. Eine Entlastung fände also nur statt, wenn die Betriebe sich nicht mehr an die europäischen Dünge- und Pflanzenschutzgesetze hielten.

Die GAP-Änderungen aus Sicht der Verwaltung
Aus Sicht der Landwirtschaftsbehörden führen die Vorschläge ziemlich sicher nicht zu einer wesentlichen Entlastung. Zum einen muss die Verwaltung möglichst flächendeckend und automatisch die Einhaltung der GAB und der GLÖZ-Standards überwachen. Sie tut dies soweit möglich mit der Hilfe von Fernerkundung und dem Abgleich mit anderen Verwaltungsdaten. Informationen darüber, ob sich ein Betrieb an die Standards hält, liegen also zum großen Teil automatisch vor. Der Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben von den Kontrollen führt damit eher zu einem Mehraufwand.

Jede Privilegierung eines Teils der Leistungsempfänger hat zur Folge, dass geprüft werden muss, ob der Begünstigte die Vorteile zu Recht genießt und nicht künstlich die Voraussetzungen für die Privilegierung schafft. Dies könnte er tun, indem er etwa den Betrieb nur formal auf mehrere (juristische) Personen aufteilt oder, was realistischer ist, die aus seiner Sicht „problematischen“ Flächen in solche Kleinbetriebe auslagert. Darüber hinaus werden nicht die Vorschriften aufgehoben, sondern nur Kontrolle und Sanktion. Mit weitreichenden Folgen, wie das Beispiel zeigt: Ein Kleinbetrieb entfernt im Jahr 2025 sanktionsfrei eine Hecke (Verstoß gegen GLÖZ 8). Die Behörden müssen alle Landschaftselemente dauerhaft im Kontrollsystem hinterlegen und bemerken also das Fehlen der Hecke, sie dürfen den Kleinbetrieb aber nicht sanktionieren. Sobald ein größerer Betrieb die Fläche übernimmt, muss er die Hecke wieder anlegen, denn sonst begeht er einen zu sanktionierenden GLÖZ-Verstoß. Die Behörde muss diesem Betrieb die Zahlungen kürzen, obwohl er die Hecke gar nicht entfernt hat.

Auch einige vorgeschlagene inhaltliche Änderungen führen zu Mehraufwand in den Verwaltungen. In Zukunft muss etwa beim GLÖZ 7 „normalen“ Betrieben zusätzlich zur Option „Fruchtfolge“ auch die Option „Kulturartendiversität“ angeboten werden, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Da die Betriebe sich erst Mitte September endgültig festlegen müssen, wie sie die Vorgabe erfüllen wollen, muss die Verwaltung jeden Betrieb mit zwei unterschiedlichen Routinen prüfen. Nämlich einmal die Bewirtschaftung jeder Einzelfläche über den Zeitraum von drei Jahren (Fruchtfolge) und zum anderen die Bewirtschaftung aller Einzelflächen für das Antragsjahr (Kulturartendiversität).
Last but not least sollen die Änderungen rückwirkend zum 1. Januar 2024 in Kraft treten und die Betriebe sollen bis zum 15. Mai 2024 ihre Förderanträge im Rahmen der GAP abgeben. Die EU-Vorgaben wurden aber erst jetzt, Ende April, beschlossen und müssen teils noch in nationales Recht überführt werden. Dann erst können die EDV-Systeme der Länder zur Abwicklung der Anträge und Kontrollen angepasst werden. Die Erfahrung zeigt, dass es unwahrscheinlich ist, in diesem Zeitraum die Systeme so anzupassen, dass sie fehlerfrei laufen. Und die Bearbeitung eines jeden Fehlers ist bei allen Beteiligten, Verwaltungen und Landwirt*innen, mit erheblichem Aufwand verbunden.

Fazit
Laut Röder, der sich intensiv mit dem Thema GAP befasst, lassen alle genannten Gründe nur ein Fazit zu: „Der geplante Bürokratieabbau findet nicht statt. Im Gegenteil. Der Verwaltungsaufwand steigt, insbesondere für Behörden, aber auch für Landwirtinnen und Landwirte, wenn das Verwaltungssystem fehleranfälliger wird. Und gleichzeitig nimmt der Umweltschutz deutlich ab.“ Dabei wurde schon vor drei Jahren festgestellt, dass der bürokratische Aufwand der Landwirt*innen für die Abwicklung der Agrarzahlungen im Vergleich zu anderen Dokumentationspflichten eher nachrangig ist.

 

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