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Über hundert Jahre Einfluss der Fischerei auf das Ökosystem dokumentiert / Ökologischer Wandel in der Nordsee seit 1902

Eine Forschergruppe des Thünen-Instituts für Seefischerei in Hamburg hat den ökologischen Wandel in der südöstlichen Nordsee bis zum Jahr 1902 zurückverfolgt und diesen mit aktuellen Monitoringdaten seit 1990 verglichen. Die Daten der jetzt veröffentlichten Studie zeigen, welchen Einfluss die Fischerei als treibender Faktor in der Ökosystementwicklung der Nordsee in den letzten hundert Jahren hatte.

„Langzeitdaten sind unerlässliche Bausteine, um die Änderungen in den Meeresökosystem zu verstehen und Maßnahmen zur Verbesserung des Gesamtzustandes einleiten zu können“, sagt Dr. Heino Fock, Fischereibiologe am Thünen-Institut und Erstautor der Studie. Die Untersuchung ergab, dass sich nicht nur die Alters- und Größenstruktur innerhalb der Fischbestände verändert hat, auch im Artengefüge gibt es signifikante Verschiebungen. Im Vergleich zu den 1920er und 30er Jahren hat sich die Kliesche heute als  häufigster Fisch im Ökosystem Deutsche Bucht etabliert. Haie und Rochen sind stark zurückgegangen und nur noch in Bereichen mit geringer Fischereidichte anzutreffen.

Ein Index zur funktionalen Diversität, der sowohl die Artenzahl als auch das Auftreten großer Individuen und damit Änderungen im Nahrungsnetz berücksichtigt, zeigt an, dass der heutige Zustand im Ökosystem deutlich unter dem der historischen Periode liegt. Dieser Index zeigt auch an, wie künstliche Erholungsphasen – wie die der eingeschränkten Fischerei während des Ersten Weltkriegs – zu einer Verbesserung des ökologischen Zustands führen können. Bis 1919 waren rund 17 % der Fläche der südöstlichen Nordsee unbefischt, was trotz der Fischerei vor 1914 zu einem insgesamt guten Ökosystemzustand geführt hat, wenn man den Artenreichtum und die Bestandsstruktur zugrunde legt.

Dass die Änderungen in den letzten 100 Jahren nicht allein durch Klimaeffekte erklärbar sind, zeigt ein Blick in die 1920er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dort änderte sich die Fischartenzusammensetzung bereits signifikant, obwohl klimatisch ähnliche Bedingungen vorlagen wie vor 1910. Das macht die Wirkung anthropogener Einflüsse deutlich. 

Für die Wissenschaftler des Thünen-Instituts sind die Studienergebnisse bedeutsam, denn sie liefern interessante Bausteine für die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung des Ökosystemzustands der Nordsee. Auch hierbei sind räumliche Zonierungskonzepte mit unterschiedlicher Nutzung denkbar.


Die Studie

Fock HO, Kloppmann M, Probst WN (2014):
An early footprint of fisheries: changes for a demersal fish assemblage in the German Bight from 1902-1932 to 1991-2009.
Journal of Sea Research 85:325-335.

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