Expertise
Erforschungung des Boden-Metagenoms
Christoph Tebbe | 24.03.2023
Wir wollen verstehen, wie mikrobielle Vielfalt und Ökosystem-Funktionen zusammenhängen und sich durch Landwirtschaft verändern. Deshalb untersuchen wir die Erbsubstanz (DNA) des Bodens, das sogenannte Metagenom.
Klassische mikrobiologische Verfahren, wie sie bis zum Ende der 1980er Jahre für Bodenuntersuchungen üblich waren, erfassen nur etwa 0,1 Prozent der Mikroorganismen, die in Böden vorkommen, und übersehen damit die wichtigsten Akteure. Neue hocheffiziente DNA-Sequenzierungstechniken, wie sie auch für die Entschlüsselung des menschlichen Genoms eingesetzt werden, erlauben es heute jedoch, die gesamte mikrobielle Vielfalt zu erfassen. Dazu wird DNA aus Bodenproben extrahiert und gereinigt.
Und die Geschwindigkeit und Präzision, mit der Boden-DNA sequenziert werden kann, erhöht sich kontinuierlich weiter. Konnten noch vor wenigen Jahren innerhalb eines gesamten Forschungsprojekts nur einige hundert Gene aus Bakterien einer Bodenprobe nachgewiesen werden, können wir heute in einer einzelnen Analyse in wenigen Tagen bereits mehrere Millionen Gene erfassen.
Um die in den Genen gespeicherte Information zu verstehen, braucht es allerdings neue Methoden und Know-how, insbesondere aus dem Bereich der Bioinformatik. Deshalb verbinden wir in unserem Forscherteam am Thünen Institut für Biodiversität die Bereiche Ökologie, Mikrobiologie und Bioinformatik. Dies ist der Schlüssel, die neuen methodischen Potenziale für die Charakterisierung der mikrobiellen Vielfalt und ihre Veränderlichkeit als Konsequenz von z.B. Bodenbearbeitungen oder Klimawandel zu verstehen und Empfehlungen für ihren Schutz ihrer positiven Ökosystemleistungen zu erarbeiten.
Welche Mikrooganismen gehen verloren, welche kommen neu hinzu?
Schließlich: Nur das, was wir kennen, können wir auch schützen – und der Schutz unserer Böden wird immer dringlicher. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum und den gleichzeitigen dramatischen Verlust von fruchtbaren Böden durch Erosion und Versalzung muss in Zukunft auf immer weniger Ackerflächen immer mehr Produktivität erzielt werden. Wenn natürliche Flächen wie zum Beispiel Wälder für den Ackerbau gerodet werden, hat das enorme Konsequenzen für die bodenmikrobiologische Vielfalt. In aktuellen Forschungsarbeiten ermitteln wir, welche Mikroorganismen bei solchen Veränderungen verloren gehen und welche neu hinzukommen.
Lässt sich die Ausbreitung schädlicher Mikroorganimsen durch kluge Bodenbearbeitung verhindern? Wechselt man regelmäßig die Frucht, reichern sich im von der Wurzel beeinflussten Boden, der sogenannten Rhizosphäre, immer wieder unterschiedliche Mikroorganismen an. Das erhöht die Biodiversität und bekommt spezialisierten Schädlingen schlecht.
Wie schaffen es mikrobielle Gemeinschaften zu funktionellen Einheiten im Boden zusammenzufinden, und durch welche Einflüsse werden sie verändert? In welcher Beziehung stehen die einzelnen Arten einer Gemeinschaft zueinander, und gibt es Arten, die wichtiger und möglicherweise empfindlicher sind, als andere? Welche kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen haben Bodenbearbeitungen aus dem Zusammenspiel von Bakterien, Archaeen und Pilzen? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir am Thünen-Institut Methoden entwickelt und evaluiert, mit denen sich die Bodenmetagenome aus einzelnen Bodenaggregaten (das sind Bodenmengen im Milligrammbereich) analysieren lassen. Diese sogenannten Aggregatome sind der Schlüssel, bisher nicht bekannte, aber für die Funktion von Böden extrem wichtige Netzwerke und Interkationen der Mikroorganismen zu erkennen.
Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzensorten
Um die Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen auf Böden zu ermitteln, untersuchen wir die Bakterienvielfalt in den Rhizosphären. Konnten wir noch bis vor wenigen Jahren kaum Unterschiede zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und deren konventionell gezüchteten Ausgangspflanzen ermitteln, weisen wir heute mit modernsten, hochempfindlichen molekularen Verfahren tatsächlich Unterschiede nach. Allerdings waren bei den bisher untersuchten Pflanzen diese Unterschiede kleiner als die zwischen den normalen, konventionell gezüchteten Sorten.
Das heißt, jede Pflanzensorte, egal ob gentechnisch hergestellt oder konventionell gezüchtet, hat eine charakteristische Bakteriengemeinschaft in ihrem Wurzelbereich. Abweichungen sind also natürlich. Wir möchten jedoch für jede neue gentechnisch veränderte Pflanze genauer verstehen, welche Bakterien durch eine gentechnische Veränderung gefördert und welche ggf. auch gehemmt werden. Um diese Frage zu beantworten, benötigen wir künftig Freilandversuche, denn die Bedingungen des Anbaus im Labor oder Gewächshaus weichen ab, und die Bodenbakterien reagieren dort vermutlich anders.
Wie wirkt sich biologischer Pflanzenschutz auf Bodenmikrobiome aus?
Biologischer Pflanzenschutz bietet die Perspektive, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzschutzmittel in Zukunft zu reduzieren. Dadurch lässt sich die Biodiversität in Agrarökosystemen möglicherweise nachhaltig fördern bzw. erhalten.
Wir nutzen unsere Expertise, Bodenmikrobiome genauer als je zuvor zu charakterisieren, um die Auswirkungen neuer biologischer Produkte auf Bodenmikrobiome zu erfassen. Dies geschieht am Beispiel von Bakteriophagen – das sind bestimmte Viren, die gezielt gegen pflanzenschädliche Bakterien eingesetzt werden und diese durch Infektion eliminieren können. Allerdings können auch enge Verwandte solcher schädlichen Bakterien natürlicherweise in Bodenmikrobiomen vorkommen, und es besteht kein Grund, diese unbeabsichtigt ebenfalls zu schädigen. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass Bakteriophagen sehr spezifisch sind. Damit haben sie weniger Auswirkungen auf Nicht-Ziel-Organismen als viele chemische Produkte.
Projekte
Publikationen
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Liu B, Arlotti D, Huyghebaert B, Tebbe CC (2022) Disentangling the impact of contrasting agricultural management practices on soil microbial communities - Importance of rare bacterial community members. Soil Biol Biochem 166:108573, DOI:10.1016/j.soilbio.2022.108573
- 1
Szoboszlay M, Tebbe CC (2021) Hidden heterogeneity and co-occurrence networks of soil prokaryotic communities revealed at the scale of individual soil aggregates. Microbiol Open 10(1):e1144, DOI:10.1002/mbo3.1144
- 2
Krause SMB, Näther A, Ortiz Cortes V, Mullins E, Kessel GJT, Lotz LAP, Tebbe CC (2020) No tangible effects of field-grown cisgenic potatoes on soil microbial communities. Front Bioeng Biotechnol 8:603145, DOI:10.3389/fbioe.2020.603145
- 3
Szoboszlay M, Näther A, Mullins E, Tebbe CC (2019) Annual replication is essential in evaluating the response of the soil microbiome to the genetic modification of maize in different biogeographical regions. PLoS One 14(12):e0222737, DOI:10.1371/journal.pone.0222737