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Expertise

Nahversorgung sichern – Probleme und Lösungsansätze

Patrick Küpper | 13.06.2022


LV Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

Laden weg, Kinder aus dem Haus und der Bus fährt in den Schulferien gar nicht mehr – gerade für ältere Menschen auf dem Lande kann die Nahversorgung zum Problem werden. Vielerorts sind Tante-Emma-Läden aus dem Ortsbild verschwunden, und wer kein Auto hat, gelangt nur schwer an Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs. Was also tun?

Rückzug aus der Fläche

Von 1990 bis 2020 hat sich die Zahl der Lebensmittelgeschäfte um 56 Prozent verringert. Gleichzeitig stieg die Verkaufsfläche deutlich. Das bedeutet, dass viele kleine Läden, die häufig in kleineren Orten ländlicher Räume zu finden waren, durch wenige große Supermärkte und Discounter, die sich meist räumlich in den Klein- und Mittelstädten ballen, verdrängt wurden. Eine Analyse mit dem Thünen-Erreichbarkeitsmodell belegt, dass insbesondere in dünn besiedelten Räumen der nächste Lebensmittelmarkt weit weg ist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in ländlichen Räumen kann den nächsten Lebensmittelmarkt fußläufig nicht erreichen, muss also mehr als 1.000 Meter zurücklegen. In verdichteten Räumen liegt dieser Anteil nur bei gut einem Viertel der Bevölkerung.


Auch wenn trotz bestehender Versorgungslücken vor Ort die meisten Menschen auf Grund hoher Automobilität relativ zufrieden mit dem Nahversorgungsangebot sind, so sehen doch viele deutlichen Handlungsbedarf in diesem Feld. Dies liegt neben der Solidarität mit weniger mobilen Ortsbewohnern und dem Komfortgewinn bei Ergänzungseinkäufen daran, dass die Nahversorgung nicht nur unter reinen Versorgungsaspekten betrachtet wird, sondern dass sie auch eine soziale Funktion erfüllt. Das bedeutet, dass Einkaufsmöglichkeiten wichtige lokale Treffpunkte sind. Außerdem organisieren gerade viele Senioren ihren Tagesablauf entlang von fast täglichen Einkäufen und diese Tätigkeit gewinnt an Relevanz, wenn Familienmitglieder und Freunde vor Ort fehlen oder weniger werden und Einsamkeit vermieden werden soll.

Dorfläden – ein erfolgreicher Lösungsansatz?

Vor 30 Jahren waren kleinflächige Lebensmittelgeschäfte noch die dominierende Betriebsform am Markt. Mittlerweile führen sie ein Nischendasein. Von den 103 im Jahr 2012 von uns befragten Dorfläden wurden knapp ein Viertel bis 2019 geschlossen, in ganz Deutschland reduzierte sich die Zahl der kleinflächigen Lebensmittelgeschäfte im gleichen Zeitraum um 15 Prozent. Von den 2019 und 2020 befragten 166 Dorfläden steht laut den Betreibern etwa ein Viertel in den nächsten fünf Jahren vor ihrer Schließung. Dafür verantwortlich sind einerseits die hohe (PKW-)Mobilität und die gestiegenen Ansprüche der Nachfrager in Bezug auf Auswahl und Preis der Waren. Andererseits haben Kleinflächenkonzepte eine ungünstige Kostenstruktur, weil sie kaum Größenvorteile nutzen können.
Um die Nahversorgung sicherzustellen, werden verschiedene Lösungswege verfolgt: Franchise-Konzepte von Großhändlern nutzen Größenvorteile durch standardisierte Formate und Kooperation, während Bürgerläden mit Kapital und unentgeltlicher Arbeitsleistung der Bürger an Standorten mit begrenztem Kundenpotential wirtschaftlich betrieben werden können. Dorfläden werden zudem wegen ihrer sozialen Funktion als Treffpunkt von diversen Förderprogrammen unterstützt.


Trotz teils erheblicher öffentlicher Förderung bleibt die wirtschaftliche Lage kleiner Läden oft prekär. Zu dominant ist die Marktposition der Konzerne, zu verlockend für Verbraucher der Einkauf im Großmarkt. Wer Erfolg haben will, muss die Lage vor Ort sondieren und Nischen finden – etwa Mittagstische und Essenslieferungen für Kitas oder spezielle lokale Produkte, die es nur im Dorfladen gibt. Wo sich kein stationäres Angebot mehr lohnt, werden Dorfbewohner über kurz oder lang auf mobile Supermärkte angewiesen sein oder sich privat Fahrdienste organisieren müssen.

Publikation

Die Broschüre „Dynamik der Nahversorgung in ländlichen Räumen verstehen und gestalten: Impulse für die Praxis“ bereitet unsere zentralen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema auf und gibt zahlreiche Empfehlungen für Landebetreiber, Bürgerinitiativen, Kommunen und Fördermittelgeber.

 

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