Expertise
Öko-Aquakultur in Deutschland – eine ewige Nische?
Dirk Klinkmann, Cornelia M. Kreiß , Ulfert Focken | 02.05.2024
Die ökologische Aquakultur fristet bisher in Deutschland ein Nischendasein. Weniger als 50 Betriebe wirtschaften ökologisch und mit Ausnahme der Muschelfischer ging die Zahl in den letzten Jahren zurück – obwohl gerade ökologisch und nachhaltig erzeugter Fisch nachgefragt ist. Woran das liegt und welche Maßnahmen der Branche Auftrieb verleihen könnten, haben Forschende der Thünen-Institute für Fischereiökologie und Ökolandbau analysiert.
Es stellt sich die Frage, wo die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken der ökologischen Aquakultur in Deutschland liegen. Welche Maßnahmen die Lage verbessern könnten, haben Forschende der Thünen-Institute für Fischereiökologie und Ökolandbau in Form einer SWOT-Analyse dargestellt.
Ökofisch heißt Fisch aus Aquakultur
Die Produktionsmenge der deutschen Aquakulturbetriebe belief sich im Jahr 2022 auf 26.464 Tonnen, davon stammten rund 16 Prozent aus ökologischer Erzeugung. Der weitaus größte Anteil davon kam wiederum aus der Miesmuschelproduktion.
Ökologisch erzeugter Fisch und ökologisch erzeugte Meeresfrüchte stammen immer aus Aquakultur. Wildfänge werden nicht zertifiziert, da in der Regel nicht festzustellen ist, wo sich die Tiere im Laufe ihres Lebens aufgehalten und womit sie sich ernährt haben. Ähnlich wie ökologische Landwirtschaftsbetriebe wirtschaften ökologische Aquakulturbetriebe nach gesetzlich festgelegten Grundsätzen, die sich auf Wasserqualität, Erzeugung, Futtermittel und Haltung beziehen. Aufgrund der geringen Anzahl der Betriebe ist die ökologische Aquakultur in Deutschland in einigen Regionen nicht vertreten und daher den Verbrauchern in diesen Regionen unbekannt. Sie setzen konventionelle regionale Produkte mit Öko-Produkten gleich.
Nachfrage und Angebot
Im überregionalen deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sind Erzeugnisse aus nationaler ökologischer Aquakultur nur sehr begrenzt zu finden und dann im Regelfall als Forellenfilet. Der überwiegende Anteil der im LEH angebotenen Bio-Produkte wird importiert. Dabei spielen vor allem Lachsfilet aus Norwegen oder Garnelen aus Übersee eine große Rolle. Der Export ökologischer Aquakulturprodukte spielt außer bei den Miesmuscheln keine Rolle. 80 Prozent aller Aquakulturprodukte auf dem deutschen Markt stammen nicht aus heimischer Produktion - Importe bedrohen damit die Aquakultur in Deutschland mit ihrem geringen Selbstversorgungsgrad.
Die Nachfrage nach Bio-Fischprodukten ist jedoch immer noch relativ gering im Vergleich zu anderen Bio-Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Fleisch. Die aktuelle Nachfrage richtet sich zum Großteil auf in Deutschland nicht nach der EU-Ökoverordnung produzierbare Arten wie Lachs und Garnelen.
Miesmuscheln, Karpfen und Regenbogenforellen
In der deutschen ökologischen Aquakultur sind Karpfen, Salmoniden und Miesmuscheln von Bedeutung. Bei allen Arten vermitteln jeweils sehr naturnahe Verfahren mit hoher Biodiversität und die verbreitete Direktvermarktung eine hohe Glaubwürdigkeit. Damit werden die gesellschaftlichen Erwartungen in hohem Maße erfüllt und es besteht die Chance für die regionale Wertschöpfung und die Vermarktung von Convenience-Produkten. Diese Vorteile treffen auf eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Aquakulturprodukten.
Während es bei den Miesmuschelbetrieben einen Zuwachs an Betrieben mit ökologischer Produktion gab, ist im Gegensatz dazu die Anzahl der zahlreicheren Bio-Karpfen- und -Forellenbetriebe rückläufig.
Bürokratie und schlechtes Image stehen im Weg
Womit die schwierige wirtschaftliche Lage von besonders Karpfen- und Forellenbetrieben zusammenhängt, wird in der SWOT-Analyse zusammengefasst: In Deutschland werden so gut wie keine neuen Aquakulturanlagen genehmigt und die Vermarktung wird durch fehlende Erzeugerorganisationen erschwert. Prädatoren wie Kormoran, Otter und Reiher sorgen für hohe Verluste und gefährden in vielen Betrieben die Existenz. Das gleichzeitige Labeln mit beim Verbraucher bekannten Nachhaltigkeitslabeln wie z.B. denen des Marine Stewardship Council (MSC) oder des Aquaculture Stewardship Coucil (ASC) neben der Biokennzeichnung führt oftmals zu Verwirrung beim Verbraucher. Dadurch entsteht trotz der Unterschiede eine Konkurrenz zur ökologischen Zertifizierung (Risius & Hamm 2017). Zudem treffen die zumeist kleinen Erzeuger auf große Strukturen in der Verarbeitung und Vermarktung, die oftmals über Import den Markt beherrschen. Und schließlich wird der Karpfen als wichtiger Fisch der ökologischen Aquakultur von vielen Verbrauchern als unattraktiver Speisefisch angesehen. Diese Aspekte machen vor allem den Süßwasserbetrieben zu schaffen.
Auftrieb durch Schutzmaßnahmen, Imagekampagne und Flächenprämie
Aus der SWOT-Analyse lassen sich Maßnahmenvorschläge ableiten wie die Förderung von Schutzmaßnahmen gegen Prädatoren speziell für Öko-Aquakulturbetriebe, das Ausrollen einer Image- und Infokampagne zum Bekanntmachen der Vorteile oder die Einführung einer mit den Programmen der Länder abgestimmten Flächenprämie als Anreiz für eine dauerhafte ökologische Produktion in der Teichwirtschaft.