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Dossier

Nutztierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland

Claus Deblitz, Katrin Agethen, Josef Efken, Hauke Tergast, Raphaela Ellßel, Heiko Hansen, Zazie von Davier, Petra Thobe, Craig Chibanda, Sebastian Koch | 04.12.2024


BW Institut für Betriebswirtschaft
MA Institut für Marktanalyse

Wie viel Tonnen Fleisch werden in Deutschland produziert? Wie viel davon wird exportiert? Diese und andere Fragen zur Tierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland beantworten wir mit einer Zusammenschau aktueller Daten.

Im Vergleich zu 2010 hat sich die Milchproduktion in Deutschland im Jahr 2023 um etwa 10 Prozent erhöht. Diese Steigerung fand jedoch maßgeblich um den Ausstieg aus der Milchquote im Jahr 2015 statt. Seitdem ist die Produktionsmenge mit ca. 33 Mio. Tonnen relativ konstant. Damit ist Deutschland der größte Milchproduzent in der EU. Die Zahl der Milchviehbetriebe hat sich jedoch seit 2010 um fast die Hälfte auf zuletzt 49.500 reduziert. Unter anderem aufgrund der vergleichsweise hohen Preise für Milchprodukte ist im Jahr 2023 die inländische Nachfrage nach Molkereierzeugnissen wie Käse oder Konsummilch zurückgegangen. Nach Angaben des Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BLZ) lag der Pro-Kopf-Verbrauch zuletzt bei 23,8 kg Käse und 46 kg Konsummilch.

Der Fleischverbrauch hat nach den neuen Zahlen des BZL von gut 7 Millionen Tonnen im Jahr 2010 auf 5,934 Millionen Tonnen im Jahr 2023 zurückgegangen. Das entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 83 kg und einem Pro-Kopf Verzehr von 61 kg. Die Fleischproduktion dagegen hat sich seit der BSE-Krise in Jahr 2001 – gemessen an der Schlachtmenge – zunächst fast jedes Jahr erhöht und lag im Jahr 2016 bei knapp 8,8 Millionen Tonnen. Seitdem ist ein Rückgang auf 7,18 Millionen Tonnen im Jahr 2023 zu verzeichnen.

Der deutliche Rückgang der Schweinebestände und der Schweinefleischproduktion ist der Hauptreiber für diesen Rückgang. Hauptursachen für diese Entwicklung sind veränderte Verbrauchsgewohnheiten sowie das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest im Jahr 2020 und der damit verbundene Wegfall der Drittlandexporte, insbesondere nach China. Hinzu kam periodisch der „Schweinestau“ in den Ställen aufgrund der fehlenden Schlachtkapazitäten während der Covid-Pandemie.

Schließlich sind auch die höheren Auflagen bzw. die gesellschaftliche Diskussion in den Bereichen Tierwohl und Umwelt zu nennen sowie die fehlende Perspektive auf Seiten des Marktes und der Politik. In der Summe führen diese Entwicklungen zu großer Verunsicherung der Produzent*innen, zur Aufgabe von Betrieben und fehlenden Investitionen in tragfähige Stall -und Haltungskonzepte.

Die Berechnung der Fleischbilanz wird wie folgt durchgeführt: Die national erzeugte Fleischmenge + Fleischimporte – Fleischexporte ergeben den errechneten inländischen Fleischverbrauch. Im Fleischverbrauch sind alle Verwendungen enthalten, also auch die Mengen, die gar nicht von Menschen verzehrt werden wie z.B. der Einsatz von Fett, Speck in der Industrie. Anhand von Umrechnungsfaktoren wird dann der Anteil kalkuliert, der letztendlich „tatsächlich“ den menschlichen Fleischverzehr darstellt.

Diese Berechnung wurde 30 Jahre unverändert gelassen und deshalb überprüft. Die Überprüfung führte vornehmlich zu zwei spürbaren Anpassungen, die seit 2022 umgesetzt werden:

  1. Ein größerer Anteil des Schlachtkörpers als in der ursprünglichen Berechnung dient dem menschlichen Verzehr. Mit anderen Worten: Ein größerer Anteil vom Fleischverbrauch ist menschlicher Fleischverzehr.
  2. In der ursprünglichen Berechnung wurden bezogen auf den Import und Export von Fleisch a) mehrere Fleischteile gar nicht berücksichtigt und b) einige Fleischteile den Innereien und Nebenerzeugnissen zugeordnet, obwohl sie Fleischteile vom Rind oder Schwein oder Geflügel sind und damit am Schlachtkörper gemessen werden.

Die Korrektur dieser Lücken und Falschzuordnungen führte für Deutschland vor allem beim Schweinefleisch zu einer Vergrößerung der Nettoexporte, so dass der berechnete Fleischverbrauch geringer ausfällt als anhand der ursprünglichen Berechnungsmethode. Diese Änderungen haben wir an den entsprechenden Stellen der Steckbriefe berücksichtigt.

Schweinefleisch ist in Deutschland nach wie vor die wichtigste Fleischart. Von 2010 bis 2023 ist der Pro-Kopf-Verbrauch allerdings von 49 auf nur noch knapp 35 Kilogramm gesunken. Demgegenüber ist die Schlachtmenge in den letzten 20 Jahren von rund 4,1 Millionen auf rund 5,6 Millionen Tonnen im Jahr 2016 stetig angestiegen. Seitdem ist ein Produktionsrückgang auf 4,185 Millionen Tonnen im Jahr 2023 festzustellen. Trotz des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest im September 2020 bleibt Deutschland aber Nettoexporteur, weil in der EU das Regionalkonzept gilt und weiter gehandelt werden darf.

Eine positive Entwicklung von Produktion und Verbrauch ist hingegen beim Geflügelfleisch zu beobachten. Im Gegensatz zum Schweinefleisch haben sich sowohl Produktion als auch Verbrauch nach oben entwickelt. Die Schlachtmenge bei Geflügel ist von 1,3 Millionen Tonnen im Jahr 2010 auf 1,525 Millionen Tonnen im Jahr 2023 gestiegen und hat damit in ihrer Bedeutung die Rindfleischproduktion überholt. 2023 haben die Deutschen knapp 1,678 Millionen Tonnen Geflügelfleisch verbraucht. Das nach einem Rückgang in 2022 wieder ein leichter Anstieg und entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 19,9 kg je Person. Produktion und Verbrauch erreichten aber nicht die Rekordwerte des Corona-Jahres 2020.

Die Schlachtmenge von Rindfleisch ist von gut 1,2 Millionen Tonnen im Jahr 2010 auf 1 Million Tonnen im Jahr 2023 zurückgegangen. Der Verbrauch im Jahr 2023 belief sich auf 947 000 Tonne, was einem Pro-Kopf-Verbrauch von 11,2 kg je Person entspricht und eine Fortsetzung des im Jahr 2017 begonnen Verbrauchsrückgangs bedeutet. Die Rindfleischproduktion verläuft insgesamt wegen des Abbaus der Milchkuhbestände rückläufig.

Die Produktion und der Verbrauch von Schaf- und Ziegenfleisch haben in Deutschland im Vergleich zu den anderen Fleischarten eine deutlich geringere Bedeutung. Einer Schlachtmenge von 31.377 Tonnen steht (nach offizieller Statistik) ein Verbrauch von 62.311 Tonnen an Schaf- und Ziegenfleisch gegenüber. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei lediglich 0,78 kg je Jahr, Tendenz abnehmend.

Insgesamt sind die Tierbestände rückläufig. Lediglich die Zahl der Schafe ist gegenüber dem letzten Erhebungszeitpunkt minimal gestiegen. Eine exakte stichtagbezogene Anzahl der Tiere anzugeben ist nicht möglich, da die Tierbestände nicht für alle Tierarten in jedem Jahr und zum gleichen Stichtag erhoben werden.
 
Das Geflügel hat zahlenmäßig den höchsten Anteil. 2020 wurden in Deutschland noch insgesamt 170 Millionen Tiere gehalten; darunter waren knapp 107 Millionen Mastgeflügel inklusive Truthühner, Enten und Gänse. Der Bestand der Legehennen ist steig gestiegen und betrug in 2023 gut 44 Millionen Tiere.
 
Zahlenmäßig von hoher Bedeutung in Deutschland ist auch die Schweinehaltung. In der Maizählung 2023 lag die Zahl der Schweine bei 20,95 Millionen Tieren und zeigt damit weiter einen deutlichen Abwärtstrend. Davon sind knapp zwei Drittel Mast- und Jungschweine.
 
Auch der Rinderbestand hat sich weiter reduziert auf unter 11 Millionen Rinder im Mai 2024. Mit 3,7 Millionen Milchkühen liegt auch hier der Bestand auf dem niedrigsten Niveau der letzten 20 Jahre.
 
Die Schafhaltung spielt mit etwas über 1,5 Millionen gehaltenen Tieren im November 2023 nur eine untergeordnete Rolle.

Über die Hälfte aller Rinderhaltungen in Deutschland zählt weniger als 50 Tiere. Demgegenüber stehen 52 Prozent aller Rinder in Deutschland in Beständen von mehr als 200 Tieren. Dies entspricht rund 11 Prozent der Betriebe. Bei der Betriebsstruktur in der Rinderhaltung ist zu berücksichtigen, dass hier alle Nutzungsrichtungen (Milchkühe, Mutterkühe, Mastrinder) einfließen.

Ähnlich wie bei den Rindern sind auch die Betriebsstrukturen für Schweine ausgeprägt: Fast die Hälfte aller in Deutschland gehaltenen Schweine steht in Beständen mit mehr als 2.000 Tieren. Wie bei den Rindern ist die Betriebsstruktur der Schweinehaltung nicht in allen Produktionsrichtungen gleich. So sind die Betriebe in der Schweinemast vergleichsweise größer als in der Sauenhaltung.

Noch deutlicher wird der Trend zu großen Beständen beim Geflügel: Einerseits halten die meisten Betriebe in Deutschland nicht mehr als 100 Jungmasthühner. Andererseits werden 79 Prozent der Jungmasthühner in Beständen mit mehr als 50.000 Tieren gehalten. Bei den Legehennen haben 4  Prozent der Betriebe mehr als 100.000 Legehennen und repräsentieren knapp 35 Prozent der Bestände.

Die vorliegende Karte basiert auf Daten von Destatis und egenen Berechnungen für das Jahr 2023.

Gemessen an den Großvieheinheiten (GV) je ha Landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) liegt das Zentrum der Veredlungswirtschaft (Schweine- und Geflügelhaltung) im Nordwesten Deutschlands und im Voralpengebiet.

Die regionalen Schwerpunkte für die Rinderhaltung befinden sich vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Milchkühe und Mutterkühe stehen vor allem in Landkreisen mit hohem Grünlandanteil.

Service zum Download

Die jährlich aktualisierten „Steckbriefe zur Tierhaltung“ geben einen Überblick über die Produktion, den Verbrauch und den Außenhandel mit Fleisch. Außerdem enthalten sie Angaben zur Entwicklung der Tierbestände, zu Betriebsstrukturen und zur räumlichen Verteilung der Produktion in Deutschland.

Die Steckbriefe greifen bewusst nicht die vielfältigen und laufenden Diskussionen zum Thema Tierhaltung in Deutschland (und weltweit) auf, liefern aber einen fachlichen Beitrag, um eben diese gesellschaftliche und politische Diskussion über den Status quo und die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland auf einer soliden Informationsbasis führen zu können.

Expertise

Exportchancen für deutsches Tierwohl-Fleisch

Inwieweit lässt sich Fleisch von Tieren, die in Deutschland unter höheren Tierwohlstandards gehalten wurden, auch im Ausland vermarkten? Das Thünen-Institut hat dies am Beispiel von Geflügel- und Schweinefleisch untersucht – mit eher ernüchternden Ergebnissen.

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Rinder in Anbindehaltung

Die Anbindehaltung von Milchkühen und anderen Rindern steht in der Kritik, weil Tiere in der Anbindehaltung ihr natürliches Verhalten nicht ausleben können. Im Jahr 2020 praktizierten in Deutschland nach Auswertungen des Thünen-Instituts rund 28.300 rinderhaltende Betriebe diese Haltungsform. Dies entspricht 28 % aller rinderhaltenden Betriebe bzw. 10 % aller Rinder.

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Podcast

Folge 3: Jedem Tierchen sein Pläsierchen?

Die deutsche Nutztierhaltung steht unter Druck: internationaler Wettbewerb hier, Forderungen nach höheren Tierschutz- und Umweltstandards da. Jede Form der Tierhaltung ist mit Umweltwirkungen verbunden. Gibt es Optionen, um Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz zum festen Bestandteil der Landwirtschaft zu machen?

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Thünen erklärt

Die Tierwohl-Prämie

Mehr Licht, mehr Luft, mehr Bewegungsfreiheit: In deutschen Ställen soll für mehr Tierwohl gesorgt werden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat dafür die Einführung einer Tierwohl-Prämie vorgeschlagen. Das Video erklärt, wie sie funktioniert und beschreibt einen Finanzierungsvorschlag.

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