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Expertise

Exportchancen für deutsches Tierwohl-Fleisch

Inken Christoph-Schultz, Rebecca Derstappen, Cathleen Lehmann, Martin Banse | 04.04.2023


MA Institut für Marktanalyse

Inwieweit lässt sich Fleisch von Tieren, die in Deutschland unter höheren Tierwohlstandards gehalten wurden, auch im Ausland vermarkten? Das Thünen-Institut hat dies am Beispiel von Geflügel- und Schweinefleisch untersucht – mit eher ernüchternden Ergebnissen.

Die Nutztierhaltung steht in Deutschland und auch in anderen Ländern wie z.B. den Niederlanden oder Dänemark in der öffentlichen Diskussion. Forderungen nach höheren bzw. verbesserten Tierwohlstandards werden immer lauter. Die tierhaltenden Betriebe sehen sich großen Herausforderungen gegenüber, denn höhere Tierwohlstandards führen zu höheren Produktionskosten. Letztlich müssten – neben möglichen flankierenden Maßnahmen wie Prämien, Steuererleichterungen o. Ä. – die Endverbraucherinnen und -verbraucher bereit sein, an der Ladentheke auch höhere Preise für solches Fleisch zu bezahlen.

Besonders die Geflügel- und Schweinehaltung zieht viel öffentliche Kritik auf sich. Da Deutschland eng in den internationalen Handel von Schweine- und Geflügelfleisch eingebunden ist, stellt sich die Frage, ob deutsches Fleisch, das zu höheren Tierwohlstandards erzeugt wurde, international zu einem höheren Preis vermarktet werden kann. Welche Ansprüche haben Verbraucherinnen und Verbraucher in anderen Weltregionen an Fleisch? Diese Fragen wurden am Thünen-Institut in dem Projekt „ExPoTiWo – Exportchancen von Tierwohl-Fleisch aus Deutschland“ untersucht. Die Ergebnisse liegen nun vor.

Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand Geflügel- und Schweinefleisch. Basierend auf statistischen Marktdaten, wurden für Geflügelfleisch Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Großbritannien als potenzielle Absatzmärkte untersucht, für Schweinefleisch fiel die Auswahl auf Japan, Südkorea, Italien und Polen. Zum Start des Projekts 2019 waren all diese Länder wichtige Abnehmer von deutschem Geflügel- und Schweinefleisch.

Menge importiertes Geflügelfleisch in vier Ländern. Herausgehobenes Segment: deutscher Anteil

Menge importiertes Schweinefleisch in vier Ländern. Herausgehobenes Segment: deutscher Anteil

Während bei den Zielländern für Schweinefleisch das Thema Tierwohl in Japan, Südkorea und Polen so gut wie keine Rolle spielt, gibt es in Italien eine kleine Gruppe an Konsumierenden, die sich dafür interessieren. In den untersuchten Ländern für Geflügelfleischexport stellt sich die Situation deutlich anders dar. In Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien ist generell ein grundlegendes Wissen über Tierwohl vorhanden. In diesen vier Ländern gibt es etablierte Tierwohllabel, die zeigen, dass Tierwohl dort schon jetzt von großer Bedeutung ist. In allen acht betrachteten Ländern bleiben dennoch die Fleischqualität (Farbe, Marmorierung, Frische, etc.), das Herkunftsland sowie der Preis die wichtigsten Einkaufskriterien; der Aspekt Tierwohl ist von geringerer Bedeutung.

Fleisch aus Deutschland hat guten Ruf

Dennoch: Auch wenn in allen Untersuchungsländern heimische Produkte bevorzugt werden, da sie mit Frische und einer besseren Qualität assoziiert werden, genießt Fleisch aus Deutschland eine hohe Reputation und wird als sehr vertrauenswürdig eingestuft. Zudem gilt Deutschland als verlässlicher Handelspartner. Demnach vertrauen Konsumierende sowie Stakeholder der Wertschöpfungskette Fleisch in den Untersuchungsländern deutschen Labeln und kaufen deutsches Fleisch, wenn die Qualität und der Geschmack besonders gut sind – und der Preis für deutsche Ware günstiger ist als für heimische. In den Untersuchungsländern für Geflügelfleisch spielen bessere Haltungsbedingungen (Tierwohl) eine wichtige Rolle. Hier hätte Geflügelfleisch aus Deutschland mit entsprechenden Nachweisen von höheren Tierwohlstandards auch Marktchancen. Diese Standards müssten allerdings durch entsprechende Informationen auch verbrauchergerecht kommuniziert werden, denn Tierwohl-Fleisch ist generell höherpreisig, und die derzeit existierenden Label sind für viele Konsumierende nicht leicht nachvollziehbar. Konkret sind die einzelnen Kriterien, die hinter den Tierwohllabeln stehen, den Konsumierenden zum jetzigen Zeitpunkt nicht oder nur teilweise bekannt.

Ein wichtiges Ergebnis des Projekts war: Für jedes Untersuchungsland konnte eine potenzielle Zielgruppe für deutsches Tierwohl-Fleisch bestimmt werden. Je nach Land variiert der Anteil der tierwohlinteressierten und weltoffenen Konsumierenden zwischen 25 % und 43 %. Daneben gibt es in jedem Land auch Verbraucher*innen, die vor allem an günstigen Preisen interessiert sind und denen Tierwohl oder die Herkunft des Fleisches unwichtig sind. Bei Geflügelfleisch liegt dieser Anteil bei 13 bis 40 %; bei Schweinefleisch bei 31 bis 45 %. Eine weitere Gruppe (26 bis 44 %) hat eine starke Präferenz für heimische Produkte und ist zugleich an Tierwohl interessiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Exportpotenzial für deutsches Fleisch ist stark durch landesspezifische und kulturelle Gegebenheiten geprägt. Zurzeit sind die Exportchancen für deutsches Tierwohl-Fleisch wegen der hohen Produktionskosten als eher gering einzuschätzen. Dies muss aber nicht auf Dauer so bleiben, denn in vielen europäischen Ländern sind Tierwohl-Label für Geflügelfleisch bereits gut eingeführt und haben einen gewissen Marktanteil erobert. Anders beim Schweinefleisch: In den ausgewählten Exportländern spielt Tierwohl zum aktuellen Zeitpunkt eine eher untergeordnete Rolle, was die Vermarktung von Tierwohl-Fleisch erschwert.
 

Qualität stärker bewerben

Vor diesem Hintergrund liegt die größte Herausforderung für Wirtschaft und Politik darin, Tierwohl verständlicher und greifbarer zu kommunizieren und gegebenenfalls an Qualitätsaspekte wie Marmorierung oder Geschmack zu koppeln. Zudem sollte der Wissensstand beim Thema Tierwohl gefördert werden. Hier können Informationskampagnen und gute Marketingstrategien, die sich an den jeweiligen Zielmärkten orientieren, hilfreich sein. Tierwohl-Fleisch ‚aus deutschen Landen‘ als Qualitätsprodukt zu vermarkten, stellt hier die wohl größte Herausforderung dar. Dabei erscheint es zielführend, den Aspekt Tierwohl in das umfassendere Thema Qualität und Nachhaltigkeit einzubinden, um größere Marktchancen zu erreichen. Derzeit, so zeigen die Studienergebnisse, kann Tierwohl-Fleisch allenfalls als Nischen- oder Premiumprodukt exportiert werden.

Dennoch bleibt zu hoffen, dass vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wachstums und eines Wertewandels in der Gesellschaft das Thema Tierwohl künftig auch in anderen Ländern an Bedeutung gewinnen wird.

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