Dossier
Wie tiergerecht ist die Nutztierhaltung?
Angela Bergschmidt | 01.07.2022
Wie können wir messen, ob sich Tiere wohl fühlen? Welche Möglichkeiten gibt es, die Tiergerechtheit der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu bewerten? Mit welchen Maßnahmen können Verbesserungen erreicht werden?
Der englische Begriff „Animal Welfare“ hat im Deutschen mit dem Begriff Tierwohl seine Entsprechung. Tierwohl vereinigt die Begriffe Wohlbefinden und Wohlergehen. Das bezieht sich auf die Empfindungen der Tiere, die unter anderem vom Ausüben arteigener Verhaltensweisen und vom Gesundheitszustand abhängen. Tierwohl drückt aus, dass ein positiver Zustand angestrebt wird.
Tiergerechtheit impliziert, den Ansprüchen des Tieres mit seiner Haltung, Unterbringung, Pflege, Fütterung „gerecht“ zu werden. Der Begriff beschreibt, in welchem Maß dem Tier die Voraussetzungen gegeben sind, sich zum Erhalt seiner Gesundheit normal zu verhalten, also negative Emotionen wie zum Beispiel Angst vermieden werden oder positive Emotionen wie Freude erfahrbar sind. Die Tiergerechtheit ist eng an die Messung und Bewertung von Tierhaltungssystemen sowie gegebenenfalls Transport und Tötung gekoppelt. Sie spielt daher nicht nur bei landwirtschaftlichen Nutztieren eine Rolle, sondern auch in der Aquakultur sowie bei Zoo-, Zirkus-, Versuchs-, Heim- und Haustieren.
Mehrere Thünen-Institute forschen zum Thema Tiergerechtheit und Tierwohl. Das Institut für Betriebswirtschaft führt unter anderem Untersuchungen zur Honorierung tiergerechter Haltungsverfahren anhand ergebnisorientierter Indikatoren durch. Außerdem bewerten wir unterschiedliche Fördermaßnahmen. Das Institut für Marktanalyse untersucht die gesellschaftlichen Erwartungen an die Tierhaltung sowie die Akzeptanz der Tierhaltung. Das Institut für Ökologischen Landbau überprüft in Betrieben (On-Farm-Forschung) Indikatoren zur Erfassung des Tierwohls in der Nutztierhaltung und untersucht Konzepte zur Verbesserung des Tierwohls. Darüber hinaus bearbeiten die Wissenschaftler in der Versuchsstation des Instituts für Ökologischen Landbau in Trenthorst verschiedene experimentelle Fragestellungen, zum Beispiel zu alternativen Kälberaufzuchtsystemen, dem Verzicht auf das Enthornen bei Milchkühen oder das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln. Das Institut für Fischereiökologie erarbeitet die naturwissenschaftlichen Grundlagen für Bewertungssysteme in der Aquakultur und berät Aquakulturbetriebe dabei, neue Erkenntnisse zur Verbesserung der Tiergerechtheit in die Praxis zu implementieren.