Dossier
Die Leistungen des Ökolandbaus für Umwelt und Gesellschaft
Jürn Sanders und Heike Kuhnert | 09.03.2023
Der Ökolandbau erbringt zahlreiche gesellschaftliche Leistungen für den Umwelt- und Ressourcenschutz. Das ist das Ergebnis einer Studie des Thünen-Instituts mit anderen Forschungspartnern, die 2019 veröffentlicht wurde.
Der ökologische Landbau gilt als ein nachhaltiges Landnutzungssystem und wird deshalb in besonderer Weise politisch unterstützt. Obwohl die Zusammenhänge zwischen der ökologischen Wirtschaftsweise und der Erbringung gesellschaftlich relevanter Umweltleistungen auf zunehmend breitere Anerkennung stoßen, werden die Potenziale des ökologischen Landbaus zur Bewältigung der umwelt- und ressourcenpolitischen Herausforderungen unserer Zeit in Politik und Wissenschaft weiterhin unterschiedlich bewertet.
Ein Grund hierfür sind unterschiedliche Sichtweisen auf die zu wählende Bezugseinheit – ob also eine Umweltleistung auf die Fläche oder den Ertrag zu beziehen ist. Immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist auch die Frage, was alles eigentlich eine gesellschaftliche bzw. öffentliche Leistung ist und mit welchem Untersuchungsdesign diese zu untersuchen sind.
In einem interdisziplinären Verbundprojekt hat das Thünen-Institut gemeinsam mit anderen Forschungspartnern die gesellschaftlichen Leistungen des Ökolandbaus in den Bereichen Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaschutz, Klimaanpassung, Ressourceneffizienz und Tierwohl auf der Grundlage einer umfassenden Analyse wissenschaftlicher Veröffentlichungen analysiert.
Die Auswertung der wissenschaftlichen Literatur ergab, dass die ökologische Bewirtschaftung gegenüber der konventionellen Variante im Umwelt‐ und Ressourcenschutz Vorteile aufweist. Eine höhere gesellschaftliche Leistung durch ökologischen Landbau wurde insbesondere in den Bereichen Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaanpassung und Ressourceneffizienz festgestellt.
Kein klares Bild zeigte sich beim Tierwohl. Hinsichtlich Verhalten und Emotionen deuten sich Vorteile der ökologischen Tierhaltung an. Bei der Tiergesundheit sind abgesehen von der Gliedmaßnahmen- und Klauengesundheit keine grundlegenden Unterschiede festzustellen; das Management scheint hier entscheidender zu sein als die Wirtschaftsweise.
Die ökologische Landwirtschaft zeigt ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser. In den ausgewerteten Untersuchungen verminderte eine ökologische Bewirtschaftung die Stickstoffausträge im Mittel um 28 %.
Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wird der Eintrag von Wirkstoffen mit einer potenziell hohen Umwelttoxizität in Gewässer unterbunden. Durch die Produktionsvorschriften für die ökologische Tierhaltung kann auch bei Tierarzneimitteln von deutlich geringeren Einträgen ausgegangen werden.
Hinsichtlich der Phosphoreinträge in Gewässer lassen die Produktionsvorschriften ebenfalls eine geringere Belastung erwarten. Für eine gut abgesicherte Aussage liegen allerdings nicht genügend geeignete Studien vor, insbesondere weil vergleichende Untersuchungen zum Phosphorabtrag durch Erosion fehlen.
Bei 70 % der untersuchten 292 Paarvergleiche wies die ökologische Variante hinsichtlich des Austrags von Stickstoff und Pflanzenschutzmittel eindeutige Vorteile gegenüber der konventionellen Bewirtschaftung auf. Insofern kann der ökologische Landbau insbesondere auch zur Bewirtschaftung von Wasserschutzgebieten empfohlen werden.
Die Auswertung der wissenschaftlichen Literatur zur Bodenfruchtbarkeit zeigt deutliche Vorteile des Ökolandbaus.
Häufigkeit und Biomasse von Regenwurmpopulationen waren unter ökologischer Bewirtschaftung im Mittel um 78 bzw. 94 % höher. Bei 62 % der Vergleichspaare war die ökologische Wirtschaftsweise im Oberboden mit einer geringeren Versauerung verbunden (Differenz insgesamt 0,4 pH‐Einheiten).
Zum Gehalt an pflanzenverfügbarem Phosphor im Oberboden zeigt sich in der Literatur keine eindeutige Tendenz für die eine oder andere Bewirtschaftungsform. Unterschiedliches Düngemanagement sowie diverse Analysemethoden erschweren die Interpretation der Daten.
Ein hoher Eindringwiderstand in den Boden ist ein Indikator für Schadverdichtungen. Im Mittel war der Eindringwiderstand im ökologischen Ackerbau geringer, im Mittel ‐22 %. Dieses Ergebnis basiert jedoch auf nur vier Studien.
Bezieht man alle Indikatoren mit ein, erzielte die ökologische Bewirtschaftung bei 56 % der Vergleichspaare eindeutig höhere Leistungen.
Dass sich der Ökolandbau positiv auf die Biodiversität auswirkt, ist für die untersuchten Artengruppen eindeutig belegbar.
Bei ökologischer Bewirtschaftung lagen die mittleren Artenzahlen der Ackerflora im Mittel um 95 % höher, für Ackersamenbank um 61 % höher und 21 % höher für Saumvegetation.
Bei den Feldvögeln lagen Artenzahl und Häufigkeit gemittelt um 35 % bzw. 24 % höher. Mit 23 % bzw. 26 % waren diese Werte auch bei den blütenbesuchenden Insekten erhöht. Insgesamt betrachtet, zeigten sich bei 86 % (Flora) bzw. 49 % (Fauna) der Vergleichspaare deutliche Vorteile durch ökologischen Landbau.
Nur in 2 von 75 Studien wurden anhand der vorgenommenen Klassifikation negative Effekte bei ökologischer Bewirtschaftung analysiert (12 von 312 Vergleichspaaren). Zu berücksichtigen ist, dass die Landschaftsstruktur einen erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt hat und die Effekte der Landnutzung stark überlagern kann.
Der auf empirischen Messungen basierende Vergleich von bodenbürtigen Treibhausgasemissionen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft in gemäßigten Klimazonen zeigt positive Effekte der ökologischen Wirtschaftsweise.
Im Durchschnitt war der Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff in ökologisch bewirtschafteten Böden um 10 % höher und die jährliche Kohlenstoffspeicherungsrate um 256 kg Kohlenstoff pro Hektar. Die Lachgasemissionen waren im Mittel um 24 % niedriger. Aus diesen Werten ergibt sich eine kumulierte bodenbürtige Klimaschutzleistung des ökologischen Landbaus von 1.082 kg CO2‐Äquivalenten pro Hektar und Jahr.
Aufgrund fehlender robuster, empirischer Vergleichsstudien wurden die ertragsskalierten Klimaschutzleistungen qualitativ bewertet.
Demnach erbringt die ökologische Landwirtschaft bezüglich ertragsskalierter Treibhausgasemissionen im Bereich Boden/Pflanze wahrscheinlich vergleichbare Leistungen wie die konventionelle Landwirtschaft. Gleiches wird auch für die Rinderhaltung vermutet.
Ferner erbringt die ökologische Rinderhaltung bezüglich stoffwechselbedingter Methanemissionen pro kg Milch vermutlich niedrigere Leistungen als die konventionelle Rinderhaltung. Die Gesamtemissionen pro kg Milch aus ökologischer und konventioneller Milchproduktion werden als wahrscheinlich vergleichbar eingestuft.
Wichtige Eigenschaften des Oberbodens, die Erosionen vermeiden helfen und zum Hochwasserschutz beitragen, schneiden bei ökologischer Bewirtschaftung vergleichbar oder besser ab als in der konventionellen Landwirtschaft.
Der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden – vereinfacht gesagt der Humusgehalt – und die Aggregatstabilität waren im Ökolandbau im Mittel 26 % bzw. 15 % höher. Die Infiltration, der Anteil des Niederschlagswassers, der in den Boden eindringt und versickert, lag um 137 % höher. Dadurch vermindert sich der Bodenabtrag und der Oberflächenabfluss auf ökologisch bewirtschafteten Flächen.
Da eine höhere Infiltration den Bodenabtrag und den Oberflächenabfluss reduziert, waren auch diese Werte im Mittel (Median) unter einer ökologischen Bewirtschaftung niedriger (‐22 % bzw. ‐26 %). Dies lag vor allem am Klee‐ und Luzerne‐Gras‐Anbau. Im Gegensatz dazu wurden bei der Trockenraumdichte keine nennenswerten Unterschiede festgestellt (‐4 %).
Im Hinblick auf die ausgewählten Indikatoren zur Bewertung der Leistung im Bereich Klimaanpassung (d.h. Erosions- und Hochwasserschutz) zeigt der ökologische Landbau eindeutige Vorteile in Bezug auf die Vorsorge auf der Ebene von Einzelschlägen, deutlich erwartbare Vorteile auf Fruchtfolgeebene und tendenzielle Vorteile auf der Landschaftsebene.
Auf der Landschaftsebene spielen neben der Bewirtschaftung weitere Faktoren wie Landschaftsstruktur und -form, Niederschlags- und Abflussregime eine wichtige Rolle beim Erosions- und Hochwasserschutz.
Der sparsame Ressourcenverbrauch im Ökolandbau, der die Umwelt entlastet, spiegelt sich in der Stickstoff- und Energieeffizienz wider. Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen im ökologischen Landbau deutlich geringere Stickstoff‐ und Energieinputs, aber ertragsbedingt auch geringere Stickstoff‐ und Energieoutputs.
Die Stickstoffsalden (flächenbezogene Stickstoffverlustpotenziale) sind gemäß der Literatur-Auswertung im ökologischen Landbau wesentlich geringer als im konventionellen Landbau; im Mittel je nach Betrachtungsebene ‐40 % bis ‐70 %.
Die Stickstoffeffizienz lag bei 46 %, die Energieeffizienz bei 58 % der Vergleichspaare im ökologischen Landbau eindeutig höher als im konventionellen Landbau. Die Unterschiede zwischen ökologischem und konventionellem Landbau sind auf der Betriebsebene deutlicher ausgeprägt als auf der Fruchtarten‐ und Fruchtfolgeebene.
Über alle Nutztierarten und Produktionsrichtungen hinweg ergaben die Ergebnisse kein klares Bild, ob ökologische Betriebe im Vergleich zu konventionellen höhere Tierwohlleistungen erbringen. Die ausgewerteten Vergleichsstudien fokussieren zumeist auf Einzelaspekte und überwiegend auf Milchkühe. Bei der Tiergesundheit wurden außer bei der Klauen‐ und Gliedmaßengesundheit keine grundlegenden Unterschiede festgestellt, das Management scheint diesbezüglich entscheidender zu sein als die Wirtschaftsweise.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelindikatoren und Tierarten wies die ökologische gegenüber der konventionellen Variante bei 34 % der Vergleichspaare bessere Tiergesundheitswerte auf; bei 46 % konnten keine eindeutigen Unterschiede festgestellt werden.
Werden über die Vorgaben der EU‐Öko‐Verordnung die Hauptrisikofaktoren für Tiergesundheitsprobleme adressiert, schneiden ökologische Betriebe besser ab. So wirken sich beispielsweise die Vorgaben zu Einstreu und Platzangebot vorteilhaft auf die Klauen‐ und Gliedmaßengesundheit aus.
Nur wenige Studien berücksichtigen bisher neben der Tiergesundheit weitere Dimensionen des Tierwohls, d. h. Tierverhalten und emotionales Befinden. Die vorhandenen Studien deuten beim Tierverhalten und beim emotionalen Befinden Vorteile der ökologischen Tierhaltung an, z.B. durch größeres Platzangebot oder den vorgeschriebenen Zugang zu Freiflächen bzw. Weidegang.
Service zum Download
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- Thünen-Report 65Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft
- Materialband zum Thünen Report 65Materialien zur Studie „Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft“
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Sanders J, Brinkmann J, Haager D, March S, Treu H, Heß J, Kusche D, Hoppe J, Hupe A, Schmidtke K, Jung R, Gattinger A, Weckenbrock P, Freibauer A, Levin K, Brandhuber R, Wiesinger K, Hülsbergen KJ, Chmelikova L, Stein-Bachinger K, et al (2019) Im Dienste der Gesellschaft. Ökologie & Landbau(1):46-47
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