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Expertise

PV-Strom vom Acker: Im Einklang mit oder in Konkurrenz zur Landwirtschaft?

Jonas Böhm, Thomas de Witte, Christoph Pahmeyer, Alexander Gocht, Sebastian Neuenfeldt | 08.05.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Photovoltaik-(PV)-Freiflächenanlagen werden voraussichtlich ein wichtiger Bestandteil des künftigen Energiesystems – aber mit welchen Auswirkungen auf die Landwirtschaft?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien rückt zunehmend in den politischen und gesellschaftlichen Fokus. Neben Windenergie werden vor allem Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen künftig eine große Rolle spielen. Ursache sind vor allem die vergleichsweise günstige Stromgestehungskosten im Vergleich zu Dachflächenanlagen.

Es stellt sich daher die Frage, wie sich der Flächenbedarf für PV-Anlagen entwickeln wird, was dies für die Landwirtschaft bedeutet und mit welchen Ansätzen mögliche Nutzungskonkurrenzen vermieden werden können. Diese Fragen untersucht das Thünen-Institut im Projekt PV-Freiflächenanlagen in der Landwirtschaft.
 

Aktuelle Flächenbeanspruchung

Zunehmend wird über eine mögliche Konkurrenz von PV und Landwirtschaft diskutiert. Um hier die Diskussion zu versachlichen, hat das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft den Status quo erfasst und untersucht.

Zunächst wurde der aktuelle Anlagenbestand analysiert. Es zeigte sich, dass im Jahr 2018 rund 25.500 ha für PV-Freiflächenanlagen genutzt wurden. Davon war ein Großteil Ackerfläche, aber auch Konversionsflächen, also alte Industrie oder Militärflächen, wurden genutzt (siehe Grafik). Insgesamt waren 2018 auf etwa 0,1 % der zuvor landwirtschaftlich genutzten Nutzfläche bereits PV-Freiflächenanlagen installiert. Da zunehmend weniger Konversionsflächen verfügbar sind, werden in den letzten Jahren vor allem Ackerflächen für die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen genutzt. Weitere Informationen gibt ein Artikel in der Zeitschrift für Energiewirtschaft.
 

Privilegierte Flächenkulissen an Autobahnen und Schienen

Um den Ausbau von PV-Freiflächenanlagen zu beschleunigen, ist am 11. Januar 2023 das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht in Kraft getreten (BGBl 2023 I Nr. 6). Es ist nun möglich, PV-Freiflächenanlagen in einem Abstand von 200 Metern entlang von Autobahnen und zweigleisigen Schienenwegen durch die Privilegierung ohne Anpassungen im Bebauungsplan zu realisieren. Von dieser Privilegierung sind etwa 450.000 ha bisher landwirtschaftlich genutzter Fläche betroffen. Hiervon entfallen etwa 70 % auf Ackerflächen, 14 % auf Dauergrünland und weitere 14 % auf sonstige Flächen, wie Dauerkulturen. Je nach Anlagengröße und Belegung der Fläche mit PV-Modulen variiert der daraus erzielbare Stromertrag. In einem interaktiven Notebook von Observable hat das Thünen-Institut eine Flächenübersicht entlang von Autobahnen und Eisenbahntrassen zusammengestellt, die sich für PV-Freiflächenanlagen eignen.


Zukünftiger Flächenbedarf

Es stellt sich die Frage, wie viel Agrarfläche – neben der aktuell schon genutzten Fläche – bei den geplanten Ausbauzielen künftig benötigt wird? Dazu hat das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft eine Abschätzung vorgenommen. Basierend auf dem zukünftigen Bedarf an PV-Leistung in einem transformierten Energiesystem, dem Anteil von PV-Freiflächenanlagen an der PV-Leistung sowie der spezifischen Flächeninanspruchnahme wird von einem Bedarf von ca. 2 % der aktuell landwirtschaftlich genutzten Fläche ausgegangen. Je nach Szenario kann der Bedarf auch höher liegen, maximal bei 4 %. Um diesen Wert einzuschätzen, ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, dass bereits jetzt 9 % der Agrarfläche für die Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas in Anspruch genommen wird. Selbst wenn in einem Extremszenario davon ausgegangen wird, dass der gesamte Energiebedarf Deutschlands über Wind und PV gedeckt wird, liegt der erforderliche Flächenbedarf damit deutlich unterhalb des aktuellen Flächenumfangs für Energiepflanzen. Details zur Analyse gibt das Thünen Working Paper 204.

Im Dossier Photovoltaik auf Agrarflächen wird detailliert dargelegt, wie die Energieversorgung vom Acker funktionieren kann, ohne die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln zu gefährden.
 

Vergleich der Flächenenergieerträge

Aufgrund der steigenden Flächenansprüche für die Nahrungsmittel- und Energieerzeugung sowie die Bereitstellung von Biodiversitätsleistungen wird es künftig zunehmend wichtiger, die Fläche möglichst effizient zu nutzen. Vor diesem Hintergrund hat das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft analysiert, wie hoch die Energieerträge verschiedener regenerativer Energien für die Erzeugung von Strom, Wärme und Mobilität sind. Die Ergebnisse zeigen, dass mit Windenergieanlagen und PV-Freiflächenanlagen je nach Energieart die 24 bis 80-fache Energiemenge je Hektar Fläche bereitgestellt werden kann als mit Energiepflanzen. In dem Thünen-Video „Energie vom Acker – lohnt sich das?“ werden die Unterschiede erläutert. Die Kalkulations- und Datengrundlagen für das Video finden sich in einem Beitrag in der Zeitschrift Berichte über Landwirtschaft.

Wirtschaftlichkeit und Rahmenbedingungen

Wie sich der zukünftige Ausbau von PV-Freiflächenanlagen weiterentwickelt, ist stark von den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Wirtschaftlichkeit der PV-Freiflächenanlagen abhängig. Wirtschaftlichkeitsanalysen zeigen, dass die Entfernung zum Netzeinspeisepunkt entscheidend für die wirtschaftliche Realisierung der Anlage ist (siehe Grafik). Ein weiterer wichtiger Parameter für die Rentabilität der Anlagen ist die Anlagengröße. Derzeit rentieren sich vor allem Anlagen ab einer Anlagengröße von ca. 7 Hektar. Die wirtschaftliche Verwertung des Bodens, ausgedrückt in der Grundrente, ist deutlich höher als bei einer klassischen landwirtschaftlichen Nutzung. Somit entsteht ein erheblicher Anreiz, PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zu errichten. Für Flächeneigentümer dürfte es somit rentabler sein, ihre Flächen an PV-Anlagenbetreiber zu verpachten, anstatt an landwirtschaftliche Betriebe.

Weitere Informationen zu den aktuellen Rahmenbedingungen sowie der Wirtschaftlichkeit von PV-Freiflächenanlagen sind in dem genannten Beitrag in der Zeitschrift Berichte über Landwirtschaft zusammengetragen.

Mit Agri-PV Flächennutzungskonkurrenzen verringern?

Eine Idee, mögliche Flächenkonkurrenzen zu verringern, sind sogenannte Agri-PV Anlagen. Dabei werden die landwirtschaftliche Nutzung und PV-Stromerzeugung auf derselben Fläche miteinander kombiniert. Dies kann mit verschiedenen Konzepten realisiert werden (siehe Fotos). Das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft wird künftig untersuchen, ob die Agri-PV eine wirtschaftlich tragbare Möglichkeit darstellt, welche Konzepte aktuell am vielversprechendsten sind und wie diese in landwirtschaftliche Betriebe eingebunden werden können.

Ein Thünen-Podcast zu den Vor- und Nachteilen von Agri-PV ist hier zu finden.

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