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Expertise

Der Blick aus dem All

Stefan Erasmi | 27.12.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft
WO Institut für Waldökosysteme

Detaillierte Landnutzungsdaten sind unerlässlich für viele Monitoringaufgaben am Thünen-Institut und bilden eine wesentliche Grundlage für die Forschungs- und Beratungstätigkeiten. Oftmals sind solche Daten aufgrund von technischen oder administrativen Einschränkungen aber nur begrenzt verfügbar. Die Fernerkundung schließt diese Lücke.

Die Europäische Union zahlt Milliardenbeträge an die Landwirtschaft, damit sie sich umweltverträglicher entwickelt. Weniger klimaschädliche Emissionen, mehr Kohlenstoffbindung in Böden oder in Hecken, ein größerer Beitrag zur biologischen Vielfalt, weniger Wind- und Wassererosion – diese und weitere Umweltziele haben in der Vergangenheit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Bei dieser Ausgangslage gewinnt die Frage an Bedeutung, ob sich der Mitteleinsatz lohnt und wie er eventuell verändert werden sollte.

Politik, Landwirtschaft, Umweltgruppen, aber auch Rechnungshöfe fragen nach, welche Maßnahmen großen Umweltnutzen bringen, welche vielleicht gar keinen, und mit welcher Gewissheit man solche Bewertungen für die sehr unterschiedlichen Standortverhältnisse in den verschiedenen Regionen Deutschlands geben kann.

Hier ist die Wissenschaft gefragt. Diese kann auf eine Vielzahl von Studien zurückgreifen, die einzelne Aspekte des Verhältnisses von Landwirtschaft und Umwelt an ausgewählten Standorten untersucht haben. Was bisher fehlt, sind verlässliche flächendeckende Analysen, die das gesamte Standort- und Maßnahmenspektrum überspannen. Beispielsweise konnte man bisher nicht sagen, wie sich die Fruchtfolgen in den verschiedenen Regionen Deutschlands entwickelt haben. Ebenso wenig waren die Anteile von intensiv oder extensiv genutztem Grünland bekannt. Wenn solche Grundlagen fehlen, ist es schwierig, verlässliche Aussagen über die Veränderung landwirtschaftlicher Produktionssysteme und ihre möglichen Umweltwirkungen zu treffen.
 

Zusammenspiel von Felddaten, Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz

Das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, das seit 2014 in Betrieb ist, verändert die Rahmenbedingungen grundlegend, da es über seine eigene Satellitenflotte (Sentinel-Satelliten) einen hochgenauen, flächendeckenden und frei zugänglichen Datenschatz liefert. Die Satelliten sind in der Lage, die gesamte Landoberfläche wiederkehrend innerhalb weniger Tage mit unterschiedlichen Sensoren „abzutasten“. Hierzu werden zum einen optische Scanner verwendet, die das reflektierte Sonnenlicht erfassen, und zum anderen aktive Systeme, die Radarwellen aussenden und die zurückgestreute Energie „messen“.

Die so erzeugten Messdaten sind allerdings nicht selbsterklärend, der Satellit meldet also nicht für einen bestimmten Beobachtungspunkt „Winterweizen“ oder „Saumbiotop“. Vielmehr ist es erforderlich, aus den räumlichen Mustern und der zeitlichen Abfolge der Informationen in den verschiedenen Spektralbereichen Merkmale der landwirtschaftlichen Flächennutzung abzuleiten. Das gelingt mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz.

Eine wichtige Rolle spielt hierbei das sogenannte ground truthing: Nur, wenn die Rechenwerkzeuge zusätzlich zu den Satelliten-Messdaten auch mit georeferenzierten Informationen über die am Boden beobachtete Landnutzung gefüttert werden, können sie lernen, wie die Satelliteninformationen korrekt zu interpretieren sind. So kann der gigantische „Informationsbrei“ in räumlich eindeutige und zutreffende Informationen über die letztlich interessierenden Kategorien (aktuelle landwirtschaftliche Nutzung, Bewirtschaftungsmaßnahmen, Saumstrukturen usw.) überführt werden.
 

Landnutzung als Indikator für die Lebensraumvielfalt

Die Arbeitsgruppe Thünen-Fernerkundung am Thünen-Institut, die erst vor wenigen Jahren etabliert wurde, hat diese neuen technologischen Möglichkeiten für verschiedene Anwendungsfelder erschlossen. Das „Basisprodukt“ sind jährliche Karten der Hauptnutzungsklassen (Hauptfruchtarten, nicht-produktive Flächen und Grünland) für die gesamte Offenlandschaft in Deutschland. Diese Karten werden zum Beispiel für das Verbundvorhaben Monitoring der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften (MonViA) verwendet, um Indikatoren der Landnutzungsvielfalt zu berechnen. Die Abbildung zeigt, wie solche Indikatoren auf verschiedenen räumlichen Bezugsebenen dargestellt werden können. Durch die Betrachtung der Hauptnutzung über mehrere, aufeinander folgende Jahre lässt sich die Anbauabfolge (Fruchtfolge) ableiten. Eine vielgliedrige Anbauabfolge ist aus Sicht der Agrarumweltpolitik erwünscht, weil sie positive Auswirkungen sowohl auf die Habitatqualität als auch auf verschiedene Schutzfunktionen des Bodens hat. MonViA ist nun in der Lage, die Anbauabfolge als ein Indikator für die Landnutzungsvielfalt in der Agrarlandschaft regelmäßig bundesweit zu berichten.

Seine volle wissenschaftliche Kraft wird der MonViA-Verbund entfalten, wenn die Landnutzungsdaten (z. B. Anbauabfolge) künftig mit anderen georeferenzierten Informationen (z. B. aus dem Wildbienen-Monitoring) kombiniert werden. Dann entsteht die Möglichkeit, für den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen, wie sich die Landnutzungsentwicklung in den verschiedenen Naturräumen auf bestimmte Zielgrößen der Naturschutzpolitik auswirkt und welche Rückwirkungen dies auf die Produktivität und Resilienz der landwirtschaftlichen Produktionssysteme hat.
 

Daten frei verfügbar

Das Einsatzspektrum der Fernerkundungsdaten hat sich inzwischen weiter ausgedehnt. Neben den Analysen zur biologischen Vielfalt führt das Thünen-Institut auch Analysen zur Erosionsgefährdung von Standorten, zur Entwicklung von Kohlenstoffvorräten und Treibhausgasemissionen sowie zur Grünlandintensität und zur Biomassebildung auf dem Grünland durch.

Die in solchen Projekten generierten Daten werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, soweit der rechtliche Rahmen dies zulässt. Zu diesem Zweck wurde vor kurzem der Thünen-Fernerkundungsatlas in Betrieb genommen, der die aus Satellitendaten erstellten Datensätze beschreibt und in Form von interaktiven Kartenansichten erkundbar macht. Dieser Atlas enthält auch Datensätze zum Waldzustand, die auf Basis von Satellitendaten am Thünen-Institut für Waldökosysteme generiert werden. Ausgewählte Datensätze können im Rahmen einer CC-BY-4.0 Lizenz frei und kostenlos heruntergeladen und für eigene Arbeiten verwendet werden.

Quelle:

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