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Lebensmittelverschwendung befeuert Klimawandel

Neue Studie bilanziert Treibhausgas-Emissionen der in Deutschland konsumierten Lebensmittel und zeigt Wege auf, Lebensmittelabfälle zu reduzieren

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Bis 2030 will die Bundesregierung Lebensmittelabfälle auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren. Wie das gelingen kann, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Verbundprojekt REFOWAS (Pathways to REduce FOod WASte) untersucht. Dafür haben sie zum einen das aktuelle Aufkommen an Lebensmittelabfällen, insbesondere ihrer vermeidbaren Anteile berechnet. Zum anderen haben sie die Umweltwirkungen analysiert, die mit der Lebensmittelproduktion und -verschwendung einhergehen. Das Verbraucherverhalten wurde in einer sozialempirischen Untersuchung unter die Lupe genommen. Darüber hinaus konnten in mehreren Fallstudien Maßnahmen identifiziert und praktisch erprobt werden, mit denen sich Abfälle reduzieren lassen.

In Deutschland landen jährlich rund 12,7 Millionen Tonnen Essen im Müll. Der Großteil der Abfälle entsteht mit 55 % (7,0 Mio. Tonnen) in privaten Haushalten. Somit wirft jeder in Deutschland im Durchschnitt etwa 85 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Die restlichen 45 % teilen sich wie folgt auf: 11 % stammen aus der Landwirtschaft (Nachernteverluste), 17 % aus der Verarbeitung, 13 % aus der Gastronomie und 4 % aus dem Handel. „Im Groß- und Einzelhandel selbst fällt nur ein geringer Teil der Abfälle an. Allerdings spielt der Handel eine zentrale Rolle im Gesamtabfallaufkommen, denn er beeinflusst sowohl die Produzenten durch hohe Qualitätsanforderungen als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher durch Kaufanreize“, sagt Projektkoordinator Dr. Thomas Schmidt vom Thünen-Institut für Ländliche Räume. Anders als die im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erstellte Studie Lebensmittelabfälle in Deutschland – Baseline 2015, die das Thünen-Institut im September 2019 veröffentlicht hat, enthalten die Berechnungen der REFOWAS-Studie auch Lebensmittelabfälle, die über die Kanalisation entsorgt werden.

Neben der reinen Mengenbetrachtung spielen die ökologischen Effekte der Lebensmittelverschwendung eine zentrale Rolle. Um zu berechnen, in welcher Größenordnung die in Deutschland konsumierten Lebensmittel und insbesondere die Lebensmittelabfälle die Umwelt belasten, hat das Thünen-Institut ein Ökobilanzmodell für den gesamten deutschen Ernährungssektor entwickelt. Das Modell umfasst zwölf Produktgruppen, die alle Lebensmittelbereiche abdecken (Fleisch, Eier, Milch, Getreide, Kartoffeln, Öle und Fette, Zucker und Süßigkeiten, Gemüse, Obst, Fisch, Getränke und sonstige Nahrungsmittel wie Gewürze und Soßen). Auf Basis des gesamten Lebenszyklus eines Produkts, ausgehend von der Rohstoffgewinnung, konnte berechnet werden, wie viel Treibhausgas-Emissionen je Kilogramm produziertes Lebensmittel anfallen, welche Auswirkungen die Lebensmittelabfälle auf Umwelt und Klima haben und wie sich eine Abfallreduzierung darauf auswirken würde. Wenn Deutschland sein für 2030 anvisiertes Ziel erreicht, die Lebensmittelabfälle auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren, würde dies die auf den Lebensmittelkonsum in Deutschland zurückzuführenden Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Basis 2015 um 9,5 % reduzieren.

Die sozialempirischen Untersuchungen des Max Rubner-Instituts zeigen, dass in den privaten Haushalten vor allem Obst, Gemüse und Backwaren weggeworfen werden. Diesen Analysen zufolge gehen Befragte höheren Alters sorgsamer mit Lebensmitteln um: Sie kaufen seltener mehr als benötigt ein, werfen seltener Reste und Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum weg und entsorgen insgesamt weniger Lebensmittel. Jüngere Menschen müssen stärker für das Thema sensibilisiert werden. Neben Verhaltensänderungen der Verbraucher, zum Beispiel eine bewusstere Einkaufsplanung, die auch die Prüfung der bestehenden Vorräte beinhaltet, braucht es laut der REFOWAS-Studie aber auch Änderungen seitens des Handels, um die Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Diese sollten darauf abzielen, Anreize zum Mehrkauf wie Großpackungen und Sonderangebote zu vermeiden.

Wie eine wirkungsvolle Reduzierung von Lebensmittelabfällen gelingen kann, wurde auch in Fallstudien zur Schulversorgung, für Bäckereien und für den Obst- und Gemüseanbau untersucht. Mit den jeweiligen Akteuren erarbeiteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Mittel und Wege, die von einfachen Maßnahmen wie Schulungen bis hin zu technischen, digitalen Lösungen reichen. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Konsumenten konzentrieren sich auf die Vermeidung der Lebensmittelverschwendung. „Erst wenn die Option der Vermeidung wegen zu hoher Kosten nicht in Frage kommt, sollten Maßnahmen wie Verfütterung, Vergärung in Biogasanlagen oder Kompostierung ergriffen werden“, so Thomas Schmidt.

Im Verbundprojekt REFOWAS forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Stuttgart, des Max Rubner-Instituts, der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und des Thünen-Instituts noch bis Mitte 2020 gemeinsam an der Nachhaltigkeitsbewertung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Die Ergebnisse des Verbundprojekts REFOWAS sind als Thünen Report 73 „Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – Pathways to reduce food waste (REFOWAS): Maßnahmen, Bewertungsrahmen und Analysewerkzeuge sowie zukunftsfähige Ansätze für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln unter Einbindung sozio-ökologischer Innovationen“ erschienen. Der Thünen Report ist als kostenfreier Download unter https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen-Report_73_Vol1.pdf erhältlich. Weitere Informationen zum Projekt REFOWAS

finden Sie auf der Projektseite refowas.de

 

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