Institut für
BD Biodiversität
Die künftige Atmosphäre im Freiland simulieren
Im Zuge des Klimawandels steigt die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre immer weiter an. Im Jahr 2000 betrug sie 369 ppm und im Jahr 2014 bereits 399 ppm. Modellrechnungen gehen von 550 ppm (parts per million) Mitte dieses Jahrhunderts aus . Kohlendioxid ist für die Pflanzen der wichtigste „Nährstoff“, den sie aus der Luft aufnehmen und im Zuge der Photosynthese in Biomasse umwandeln. Führt eine Erhöhung der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre zu einem verstärkten Pflanzenwachstum (Kohlendioxid-Düngeeffekt) und wie werden andere Stoffwechsel-Parameter, etwa der Wasserverbrauch und die Qualität, beeinflusst? Ändert sich durch diese Vorgänge auch die biologische Vielfalt auf den Äckern? Wenn man Aussagen zur Pflanzenproduktion der Zukunft machen will, sind das essentielle Fragen.
Um hier Antworten zu finden, läuft auf den Versuchsfeldern des Thünen-Instituts für Biodiversität in Braunschweig seit 1999 das sogenannte FACE-Projekt (Free Air Carbon Dioxide Enrichment). Kreisförmige Teilflächen der Felder mit 20 Metern Durchmesser werden mithilfe von computergesteuerten Düsen während der gesamten Vegetationsperiode mit Kohlendioxid begast, sodass innerhalb dieser Flächen Kohlendioxid-Konzentrationen von rund 550 ppm herrschen. Fallweise können auch noch die Düngung variiert oder Trockenheit bzw. erhöhte Temperaturen simuliert werden. Auf diese Weise ist es möglich, unter realen Feldbedingungen die Zukunft vorwegzunehmen und die Auswirkungen einer künftig erhöhten Kohlendioxid-Konzentration verbunden mit Sommertrockenheit zu studieren. Dabei geht es um Empfehlungen zur Anpassung der Landwirtschaft an künftige Klimaszenarien.
Diese äußerst aufwändige Versuchseinrichtung gibt es weltweit nur an wenigen Stellen. Braunschweig ist der einzige FACE-Standort für Ackerbausysteme in Europa. Während zunächst eine dreigliedrige Fruchtfolge (Wintergerste, Zuckerrüben, Winterweizen) untersucht wurde, folgte 2007 und 2008 Mais. 2010 wie auch 2011 standen verschiedene Genotypen von Sorghum-Hirsen als Energiepflanzen auf dem Programm.
In 2014 und 2015 laufen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Hitzestress und Kohlendioxid-Erhöhung bei Weizen (s. Pressemitteilung vom 07.11.2012). In einem weiteren Versuch geht es um die Aufklärung der Prozesse, die für die Verschlechterung der Backqualität von Weizen unter Kohlendioxid-Erhöhung verantwortlich sind, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Bisherige Ergebnisse zur Auswirkung erhöhter Kohlendioxid-Konzentrationen
- Höhere Erträge (+7 % bis +15 %) bei allen C3-Pflanzen (Gerste, Weizen, Zuckerrübe). Bei der C4-Pflanze Mais steigen die Erträge nicht, jedoch kann Mais bei erhöhter Kohlendioxid-Konzentration Trockenzeiten besser tolerieren und zeigt geringere Ertragsdepressionen.
- Pflanzen benötigen weniger Wasser und Bestände werden „wärmer“, weil über die Spaltöffnungen weniger Wasser verdunstet (siehe Fotostrecke, Bild 4).
- Ertragsqualität (Rohproteingehalt) geht bei Getreide zurück.
- Die funktionelle Diversität der Bodenfauna ändert sich. Zum Beispiel erhöhte sich in den meisten Fällen die Anzahl der Collembolen (eine Gruppe bodenbewohnender Insekten) in den Kohlendioxid-angereicherten Parzellen, innerhalb der Collembolen verschob sich das Artengefüge.
Weiterführende Informationen
Artikel "Zur Wirkung erhöhter Kohlendioxid-Konzentrationen auf Wintergerste, Zuckerrüben und Winterweizen in einer Fruchtfolge", in: Landbauforschung Völkenrode 2006 [PDF]
Artikel "The other greenhouse effect", in: Nature 2007 [PDF]
Artikel "Es wird wärmer - gut so", in: FOCUS, Heft 48/10 (November 2010, 4 Seiten) [Link]
Artikel "Die guten Seiten des Klimakillers", in: Braunschweiger Zeitung, Mai 2011 [PDF]
Artikel "Crop growth responses to free air Kohlendioxid enrichment and nitrogen fertilization: Rotating barley, ryegrass, sugar beet and wheat", in: European Journal of Agronomy (2012) [Link]
Artikel "Das Braunschweiger FACE Experiment", in: Promet. Jahrg. 38, Nr. 1/2, März 2013 [PDF]
Artikel „Klimawandel: Vorteil Mais oder Sorghum?“ in: mais 1/2014 (41. Jg.), 22-25 [PDF]
Pressemitteilung vom 7. November 2012 [PDF]
Pressemitteilung vom 10. Dezember 2009 [PDF]