Institut für
OF Ostseefischerei
Entscheidung des EU-Fischereirates zur Freizeitfischerei auf Lachs in der Ostsee 2025
Der EU-Fischereirat hat am 22.10.2024 in Luxemburg die Fangquoten für die Fischbestände in der Ostsee für das Jahr 2025 beschlossen (BMEL, 2024). Der Vorschlag der EU-Kommission sah eine vollständige Schließung der Freizeitfischerei auf Lachs in der Ostsee südlich der Ålandsee vor. Deutschland hatte sich basierend auf einer wissenschaftlichen Empfehlung des Thünen-Instituts für Ostseefischerei für eine Weiterführung der bisherigen, sehr restriktiven Regelungen in der Freizeitfischerei auf Lachs eingesetzt, da die Auswirkungen auf die Bestände sehr gering sind. Der EU-Ministerrat ist dieser Empfehlung gefolgt und hat eine Weiterführung der bisherigen Regelungen beschlossen. Somit dürfen Angler in der Ostsee weiterhin einen Lachs aus Besatz (ohne Fettflosse) pro Person und Tag entnehmen.
Hintergrund und Bestandssituation
Die Lachsbestände (Salmo salar) in der Ostsee (ICES Gebiete SD 22-31, ohne Finnischen Meerbusen (SD 32)) stammen aus 29 Flusspopulationen, die in fünf Bestandseinheiten (Assessment Units, AUs) unterteilt sind (Abb. 1). Rund 80 % der Junglachs-Produktion (Smolts) in der Ostsee entfallen auf die vier Flüsse der nördlichsten AU 1 (ICES, 2024a). Obwohl sich die Junglachs-Produktion in den letzten Jahrzehnten teilweise verzehnfacht hat, ist die Zahl der aufsteigenden Laichfische in den letzten Jahren leicht gesunken. Grund hierfür ist eine Verringerung der Überlebensrate von wilden Junglachsen, die von 10-20 % im Jahr 2021 auf den niedrigsten Wert der Zeitreihe (7,7 %) gesunken ist (ICES, 2024a). Trotz dieser Entwicklung liegt die Wahrscheinlichkeit, dass 15 der 17 Flusspopulationen in den AUs 1-4 im Jahr 2023 den geforderten Referenzwert für den maximalen nachhaltigen Dauerertrag (RMSY) erreicht oder überschritten haben, bei über 50 % (ICES, 2024a). Die beiden anderen Populationen liegen oberhalb des Mindestreferenzwertes (Rlim) und haben damit eine hohe Wahrscheinlichkeit sich weiter zu erholen und RMSY zu erreichen. Für die Bestände der südlichen AU 5 gibt es zwar keine analytische Bestandsbewertung, jedoch liegt die Junglachs-Produktion in vielen Flüssen deutlich unter dem geforderten Mindestreferenzwert (Rlim). Von den insgesamt 12 Flusspopulationen in AU 5 sind sieben als „wild“ und fünf als „gemischt“ (Flüsse mit sowohl wildem als auch besetztem Lachs) eingestuft. Nur in den Flüssen Salaca und Saka (beide in Lettland) wird die Produktion von wilden Junglachsen im Jahr 2023/2024 den Referenzwert (Rlim) erreichen. Die übrigen Populationen liegen deutlich unter Rlim und weisen somit eine hohe Wahrscheinlichkeit auf sich nicht zu erholen. Insgesamt befinden sich also fünf der 24 reinen Wildlachsbestände in der Ostsee in einem schlechten Zustand (ICES, 2024a).
Um die gefährdeten Bestände in AU 5 zu schützen, empfiehlt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) seit 2021, den Fang von Ostseelachs in der gemischten Meeresfischerei (Berufsfischerei und Freizeitfischerei) in der südlichen Ostsee einzustellen. Seit 2022 ist die gezielte Berufsfischerei auf Lachs hier geschlossen, und in der Freizeitfischerei wurde die Entnahme auf einen Lachs pro Tag und Angler (nur besetzte Lachse ohne Fettflosse) begrenzt (EU, 2021). Es gibt Hinweise darauf, dass diese Maßnahmen zur Reduzierung der fischereilichen Sterblichkeit im Meer positive Auswirkungen auf die Erholung der AU-5-Bestände haben. Neben der Fischerei beeinflussen aber auch verschiedene andere Faktoren während der Süßwasserphase des Lachses die Entwicklung der AU-5-Bestände negativ, darunter Flussfischerei, Lebensraumzerstörung, Verschmutzung durch Landwirtschaft und Industrie, Flussbegradigungen, Wanderhindernisse und teilweise Fischwilderei. Daher sind nationale Maßnahmen zur Verbesserung der Flusslebensräume und Wanderwege in den jeweiligen Ländern unerlässlich, um die schwachen Bestände zu stärken und die Laichfischzahlen zu erhöhen (ICES, 2024a). Eine Schließung bzw. Beschränkung der Fischerei in der Ostsee allein wird hierfür nicht ausreichen.
Der diesjährige Ratschlag des ICES empfahl für 2025, wie in den Jahren zuvor, die Einstellung der Fischerei auf Lachs in der gemischten Meeresfischerei (sowohl kommerzielle als auch Freizeitfischerei) südlich der Ålandsee und eine Fangbegrenzung von maximal 40.000 Lachsen im Bottnischen Meerbusen und in der Ålandsee (SD 29N-31; ICES, 2024b). In den letzten Jahren galt aber für die Freizeitfischerei immer die Ausnahmeregelung mit der Entnahmebegrenzung von einem Besatzlachs (ohne Fettflosse) pro Angler und Tag. In diesem Jahr enthielt der Vorschlag der EU-Kommission, den Empfehlungen des ICES folgend, erstmalig auch die vollständige Schließung der Freizeitfischerei auf Lachs in der Ostsee südlich der Ålandsee (EC, 2024).
Wirtschaftliche Bedeutung der Lachsschleppangelfischerei
In Mecklenburg-Vorpommern hat der Ostseelachs, insbesondere in der Schleppangelfischerei („Trolling“), eine wichtige touristische und wirtschaftliche Bedeutung. Die Angelfischerei auf Lachs findet in Deutschland nahezu ausschließlich in der offenen Ostsee rund um die Insel Rügen im Winter und Frühjahr statt (Weltersbach et al., 2021). Erhebungen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei seit 2016 zeigen, dass Lachsangler durchschnittlich etwa 2.750 Euro pro Jahr für das Schleppangeln im Raum Rügen ausgeben. Daraus ergeben sich jährliche Gesamtausgaben von rund 5 Millionen Euro, was Kosten von etwa 1.000 Euro pro gefangenem Lachs entspricht. Eine aktuelle Umfrage unter 402 deutschen und dänischen Lachsschleppanglern, durchgeführt vom Thünen-Institut, der Dänischen Technischen Universität und der Universität Süddänemark, ergab sogar noch höhere Ausgaben: Deutsche Angler geben im Schnitt 4.749 € und dänische Angler 3.728 € jährlich für das Lachsschleppangeln in der Ostsee aus. Ein Großteil dieser Ausgaben wird in Mecklenburg-Vorpommern getätigt und kommt insbesondere während der Nebensaison der lokalen Wirtschaft der Küstengemeinden zugute (Strehlow et al., 2023). Angler reisen dafür aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland an (Lewin et al., 2021). In Zeiten geringer Fangmöglichkeiten bei Hering und Dorsch in der kommerziellen Fischerei bietet der Angeltourismus auf Lachs eine zusätzliche Einnahmequelle für die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern (Strehlow et al., 2023).
Da sich die Lachsbestände der verschiedenen Flüsse in der Ostsee vermischen, führte die EU 2022 erstmals eine Regelung ein, die die Berufsfischerei südlich der Ålandsee untersagt. In der Freizeitfischerei wurde eine Entnahmebegrenzung von einem Lachs pro Tag und Angler eingeführt, wobei nur Besatzlachse entnommen werden dürfen, die an der entfernten Fettflosse zu erkennen sind („Fettflossenregelung“) (EU, 2021). Die Einführung dieser neuen Regelungen war ein drastischer Schritt, der erhebliche Auswirkungen auf das Verhalten der Angler und die wirtschaftliche Situation der Lachsschleppangelfischerei hatte. Der Lachsangelaufwand in der Region Rügen sank 2022 um rund 40 %, da viele Angeltouristen aus anderen Bundesländern das Lachsangeln aufgaben. Im Jahr 2023 ging der Angelaufwand weiter zurück und liegt nun um mehr als 60 % niedriger als im Vergleichszeitraum 2017-2019. Auch die Anzahl der gefangenen Lachse sank in Deutschland drastisch von 4500-5500 im Vergleichszeitraum 2017-2019 auf nur noch knapp 300 Lachse im Jahr 2023. Besonders Anbieter von geführten Lachsangeltouren spüren die wirtschaftlichen Auswirkungen stark und einige haben ihr Geschäft bereits aufgegeben. Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen Ostseeanrainerstaaten, wie Dänemark, zu beobachten. Gleichzeitig stieg aufgrund der Fettflossenregelung die Rücksetzrate geangelter Lachse von unter 10 % (Zeitraum 2019-2021) auf fast 60 % im Jahr 2022.
Evaluierung der aktuellen Regelungen zum Schutz gefährdeter Lachsbestände
Bis vor kurzem fehlten Informationen über die Überlebensraten von Atlantischen Lachsen, die in der Ostsee oder generell im Salzwasser in der Schleppangelfischerei gefangen und wieder zurückgesetzt werden (Muoneke & Childress, 1994; Bartholomew & Bohnsack, 2005; Hühn & Arlinghaus, 2011). Aus diesem Grund war es bislang nicht möglich, eine wissenschaftlich fundierte Aussage darüber zu treffen, was nach dem Zurücksetzen der Lachse geschieht. Dadurch wurde eine genaue Berechnung der fischereilichen Sterblichkeit in der Schleppangelfischerei erschwert. Der ICES schätzte daher bisher eine Rückwurfsterblichkeit von 25 % für zurückgesetzte Lachse in der Schleppangelfischerei (ICES, 2018). Um die Überlebensraten von geangelten und zurückgesetzten Ostseelachsen genauer zu untersuchen, wurden in den Jahren 2023 und 2024 Markierungsexperimente in Schweden und Deutschland durchgeführt. Die Studien fanden als Kooperationsprojekt zwischen dem Thünen-Institut für Ostseefischerei und der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften statt. Zum Einsatz kamen sogenannte „Pop-up Satellite Archival Tags“ (PSATs), die das Schwimmverhalten und Überleben der Lachse bis zu 45 Tage nach dem Zurücksetzen aufgezeichnet haben. Unter realitätsnahen Bedingungen wurden mit Hilfe von deutschen und schwedischen Schleppanglern insgesamt 44 Lachse geangelt, markiert und zurückgesetzt. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die tatsächliche Sterblichkeit deutlich niedriger ist als die vom ICES geschätzten 25 %. Somit bleibt die große Mehrheit der gefangenen und zurückgesetzten Wildlachse den Beständen erhalten, was zeigt, dass die aktuellen Regelungen im Einklang mit dem Ziel stehen, die gefährdeten Wildlachsbestände in der südlichen Ostsee zu schützen.
Empfehlung des Thünen-Institutes
Der Vorschlag, die Angelfischerei vollständig einzustellen, würde einen drastischen Schritt darstellen und hätte erhebliche soziale sowie wirtschaftliche Folgen, ohne die Erholung der Wildlachsbestände der südlichen Ostsee nennenswert zu fördern. Dies würde den bereits rückläufigen Lachsschleppangeltourismus in Deutschland und anderen Ostseeanrainerstaaten vollständig zum Erliegen bringen. Unsere vorläufigen Ergebnisse aus einem Markierungsexperiment zeigen jedoch, dass zurückgesetzte Lachse in dieser Angelfischerei eine sehr hohe Überlebensrate aufweisen. Dies bestätigt nach unserer Einschätzung, dass die derzeitige Beschränkung auf die Entnahme von Lachsen ohne Fettflosse (Besatzlachse) effektiv ist und einen guten Kompromiss zwischen dem Schutz gefährdeter Wildlachspopulationen und der Erhaltung der Lachsschleppangelfischerei als wichtigen Wirtschaftsfaktor in strukturschwachen Regionen darstellt. Das Thünen-Institut für Ostseefischerei empfahl daher eine Beibehaltung der bisher geltenden Regelungen als besten Kompromiss zwischen dem Erhalt der Angelmöglichkeiten und dem Schutz schwacher Wildlachsbestände in der Ostsee. Deutschland und schließlich auch der EU-Ministerrat ist dieser Empfehlung gefolgt und hat am 22.10.24 eine Weiterführung der bisherigen Regelungen für 2025 beschlossen.
Ansprechperson:
Dr. Simon Weltersbach
Literaturquellen
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Lewin, W.-C., Weltersbach, M.S., Haase, K., Strehlow, H.V., 2021. Who travels how far: German Baltic sea anglers‘ travel distances as precondition for fisheries management and coastal spatial planning. Ocean and Coastal Management, 209: 105640.
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