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Ein Holztransporter voll beladen mit Baumstämmen fährt in einem Wald über eine sehr einfache Holzbrücke.
© Thünen-Institut
Ein Holztransporter voll beladen mit Baumstämmen fährt in einem Wald über eine sehr einfache Holzbrücke.
Institut für

WF Waldwirtschaft

Die Redaktion von heute.de fragt das Thünen-Institut zum internationalen Tag der Tropenwälder

"Wie steht es zurzeit um den Tropenwald?"

© ap; Christina Waitkus

Anlässlich des Internationalen Tags der Tropenwälder am 14. September bittet die Redaktion von heute.de um ein Gespräch mit dem Leiter des Arbeitsbereichs Waldwirtschaft Weltweit, Dr. Sven Günter.

"Keine Entwarnung bei Tropenwäldern"

Es steht nicht gut um die Tropenwälder. Dadurch wird nicht nur der Klimawandel angekurbelt, sondern auch die Existenzgrundlage vieler Einheimischer zerstört. "Die schlimmsten Folgen treffen die Ärmsten in den Tropen“, sagt Waldwirtschaftsexperte Sven Günter im Interview mit heute.de.      

heute.de: Wie schlimm steht es zurzeit um den Tropenwald?  

Sven Günter: Langfristig geht das Ausmaß der Tropenwaldzerstörung zurück, aber in aktueller Zeit sind keine Fortschritte erzielt worden. Das ist trotz aller Anstrengungen in den Feldern Armutsbekämpfung, Aufforstung und Klimaschutz sehr ernüchternd. Insgesamt verlieren wir jedes Jahr 8,8 Millionen Hektar Naturwald. Das bedeutet etwa jede Minute 13 Hektar. Das entspricht einer Größe von 25 Fußballfeldern. Waldbrände und Schäden durch kranke Wälder sind hier nicht eingerechnet.  

heute.de: Was heißt das denn für die Umwelt?  

Günter: Die schlimmsten Folgen treffen die Ärmsten in den Tropen. Dort hängen sehr viele Leute direkt mit ihrem Einkommen und ihrer Existenz von Wäldern ab. Insbesondere in Afrika ist dieser Zusammenhang sehr stark. Die Menschen sammeln in den Wäldern Holz – Brennmaterial und Baustoff für ihre Hütten. Außerdem gibt ihnen der Wald Nahrungsmittel. Ein weiteres Problem ist die Belastung des Klimas durch die Entwaldung, die nach wie vor anhält. Weitere Folgen sind Erosion, Probleme bei der Wasserversorgung, insbesondere in den trockenen tropischen Wäldern, und nicht zuletzt die Zerstörung der artenreichsten Ökosysteme der Erde.  

heute.de: Hinter den Kahlschlägen stehen Wirtschaftsinteressen wie die Umwandlung in Agrarflächen. Wie lässt sich das stoppen?  

Günter: Das stimmt so nicht ganz. Wenn wir bei den Ursachen der Entwaldung sind, muss man zwischen direkten und indirekten Ursachen unterscheiden. Bei den direkten Ursachen ist es richtig: Der Großteil geht in die Umwandlung von Wald in Landwirtschaftsfläche. Dahinter stecken aber nicht immer Wirtschaftsinteressen, sondern zum großen Teil Subsistenz und Armut. Das kann man nur durch wirtschaftliche Entwicklung bekämpfen, um so die Abhängigkeit vom Wald zu reduzieren.   Es stimmt, dass wirtschaftliche Interessen auch ein Treiber der Entwaldung sind, insbesondere die Soja- und Viehzucht in Südamerika oder Palmölproduktion und unsachgemäße Waldwirtschaft in Südostasien. In Afrika spielen wirtschaftliche Ursachen eine geringere Rolle. Dort sind eher Degradierungsprozesse wie Waldweiden und Brände die Ursachen. Der Ausbau von Bodenschätzen wie Kupfer, Gold und Erdöl ist auch eine direkte Ursache sowie der damit zusammenhängende Ausbau von Infrastruktur.  

heute.de: Was ist unter einer Subsistenzwirtschaft zu verstehen?  

Günter: Eine Bevölkerung hängt komplett in ihrer Existenz vom Anbau von Feldfrüchten ab. Die Menschen haben keine bezahlte Arbeit. Ihre Lebensgrundlage basiert komplett durch auf die der Bewirtschaftung von Agrarfläche. Für diese Agrarfläche wird Wald gerodet, in ganz kleinem Maß. Für jede Familie steht nur wenig Platz zur Verfügung, aber dieser wird gebraucht, um überhaupt überleben zu können. Subsistenzwirtschaft ist also armutsbedingt. Das ist angesichts steigender Bevölkerungszahlen nach wie vor ein sehr großer Treiber der Entwaldung in den Tropen.  

heute.de: Dann ist zum Beispiel ein Tropenholz-Boykott sinnlos?  

Günter: Ja. Früher hat man gedacht, dass man durch den Boykott von Tropenholz etwas erreichen könnte. Ganz im Gegenteil: Wenn Sie zertifiziertes Holz aus Tropenwäldern kaufen, könnten Sie einen Beitrag leisten, dass diese Wälder nachhaltig bewirtschaftet und auf diese Weise erhalten bleiben. Grund ist, dass das Interesse zur Umwandlung in Agrarfläche geringer wird.  

heute.de: Würden Sie denn sagen, dass Nachhaltigkeitssiegel tatsächlich garantieren, dass das Holz aus zertifizierter Waldbewirtschaftung kommt?  

Günter: Eine Garantie gibt es nie. Aber dafür sind die Zertifikate da. Für den Rohstoff Holz gibt es gute Zertifizierungssysteme wie, PEFC und FSC. Diesen Labels muss der Verbraucher auf jeden Fall vertrauen. Auf diese Weise kann der Verbraucher dem Tropenwalderhalt etwas Gutes tun.

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