Die Zukunft der Landwirtschaft ist nicht ohne digitale Systeme und eine intensive digitale Kommunikation und Datennutzung denkbar. Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Betrieben der Nutztierhaltung zeigt jedoch, dass der überwiegende Teil der im Betrieb anfallenden Daten noch immer manuell erhoben oder eingegeben wird. Gesetzlich vorgeschriebene Aufzeichnungen und Meldungen werden zu mehr als einem Drittel in Papierform aufbewahrt. Die Umfrage war Teil des niedersächsischen Verbundprojekts Zukunftslabor Agrar (ZLA). Fünf Jahre lang untersuchten Forschungseinrichtungen aus Niedersachsen darin Aspekte der digitalisierten Landwirtschaft der Zukunft. Nun liegen erste Ergebnisse vor.
Produzierende in der Landwirtschaft müssen verschiedene Melde- und Aufzeichnungspflichten erfüllen. Das Thünen-Institut für Agrartechnologie hat die Datenflüsse zwischen Landwirtschaftsbetrieben aus der Nutztierhaltung und staatlichen Stellen, insbesondere Veterinärämtern, sowie Qualitäts- und Zertifizierungsstellen untersucht. Dabei hat sich gezeigt: Die Datenerhebung in den Betrieben läuft meist nicht voll automatisiert, etwa über Sensoren, sondern oft manuell, beispielsweise über Eingaben in ein digitales Farmmanagementsystem. Die Übermittlung der Daten an die Kontrollstellen ist für den Datenfluss wie ein Hürdenlauf: Meistens werden die Daten einfach nur aufbewahrt, um sie bei einer Vor-Ort-Inspektion vorzeigen zu können. Vielfach werden sie jedoch auch per Post oder per Fax verschickt. Ein Formular dafür auszufüllen oder auch die Daten in eine Webschnittstelle einzugeben, dauert durchschnittlich 20 Minuten. Eine Meldung direkt aus der Farmmanagement-Software zu generieren, kostet hingegen knapp zehn Minuten Zeit.
Prof. Dr. Joachim Hertzberg, wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Sprecher des Zukunftslabors Agrar, schickte während der Abschlussveranstaltung zum ZLA am 18. September in Osnabrück ein deutliches Signal in Richtung Behörden: „Einheitliche digitale Schnittstellen existieren in der Interaktion zwischen den Akteuren in der Landwirtschaft noch nicht, sind aber unbedingt erforderlich. Die Politik muss diese ermöglichen, ähnlich wie heute schon für die Steuererklärung. Landwirtinnen und Landwirte können sonst mit den Daten aus ihren digitalisierten Prozessen gegenüber den Behörden erstmal nichts anfangen und haben eine Menge Zusatzarbeit.“
Ein weiteres Problem zeigte sich während der Projektlaufzeit in Workshops der Universität Vechta: der Föderalismus. Die Bundesländer verwenden unterschiedliche digitale Schnittstellen. Betriebe, die sich über mehr als ein Bundesland erstrecken, haben es daher besonders schwer, ihre Daten digital zu verschicken.
Roboter aufs Feld
Projekte und Ideen des ZLA
Am Julius Kühn-Institut (JKI) entstand 2017 die Idee des Spot Farming. Dabei ist ein Feld keine homogene Fläche mehr. Ziel ist es, unterschiedliche Pflanzen dort anzubauen, wo sie jeweils optimale Wachstumsbedingungen vorfinden. Damit werden sie resilienter, ertragreicher und die Umwelt wird geschützt. Benötigt werden für die Spots kleinere Maschinen, also Roboter.
Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz am JKI entwickelte im ZLA unter anderem eine agrarwissenschaftliche Methode, wie man auf der Grundlage öffentlich verfügbarer Geodaten Spots mit unterschiedlichen Wachstumsbedingungen auf einem Feld identifiziert. Gemeinsam mit DFKI-Forschenden entstand ein Tool, mit dem automatisiert Feldkarten mit Spots erstellt werden, die mit Robotern bewirtschaftet werden können. Die TU Braunschweig konstruierte dazu passend einen physischen Prototyp einer Universal-Sämaschine, die die Saat in idealen Abständen für das Wachstum der Pflanzen in die Erde einbringt und an einem Roboter befestigt wird.
Funktionstüchtige Roboter sind Grundlage
Roboter müssen sich in ihrem Umfeld zurechtfinden. Forschende im DFKI-Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung haben eine semantische Karte mit Geo- und Umgebungsdaten eines realen Bauernhofs aufgebaut. Durch diese Karte konnte ein Roboter seine Umgebung wahrnehmen, verstehen, darin navigieren und autonom über den Betrieb fahren.
An der Hochschule Osnabrück wurden mithilfe eines GPS-gesteuerten Roboters automatisiert an verschiedenen Stellen eines Feldes Daten zur Bodenverdichtung erhoben. In Bereichen mit einer hohen Dichte ist Wasser für die Pflanzen schlechter verfügbar, was Auswirkungen auf den Ertrag hat.
Ohne Daten keine KI und Robotik
Intelligente, digitale Technologien brauchen immer Daten. Diese stehen aber nicht einfach zur Verfügung. Benjamin Kisliuk, Wissenschaftler am DFKI, stellt fest: „Damit ein Roboter auf einem Betrieb selbstständig arbeiten kann, braucht es einen Digital Twin, also ein virtuelles Abbild der Wirklichkeit. Wenn man zum Beispiel wissen will, wo Feldgrenzen verlaufen, braucht man die entsprechenden Geodaten. Nicht in jedem Bundesland können diese einfach abgerufen werden. Während sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen aus einer Datenbank einfach heruntergeladen werden können, schreibt man bei uns in Niedersachsen erstmal eine E-Mail an das Amt."
Transformation gelingt nur mit den Menschen
Damit die Transformation hin zu datenbasierten KI-Analyseinstrumenten und neuen Konzepten wie dem Spot Farming gelingen kann, darf neben den technischen Voraussetzungen auch die soziale Komponente nicht vernachlässigt werden. Prof. Silke Hüttel von der Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, hat mit ihrem Team im ZLA Landwirtinnen und Landwirte aus dem Zuckerrübenanbau aus Nord- und Westdeutschland befragt. Sie wollten herausfinden, welche Faktoren die Akzeptanz und die Nutzungsbereitschaft für autonome Roboter beeinflussen. Es zeigte sich: Landwirtinnen und Landwirte können sich insbesondere dann vorstellen, autonome Roboter einzusetzen, wenn diese wirksam sind, also zuverlässig arbeiten und keine Zusatzarbeit verursachen. Zudem wollen sie die Kontrolle behalten. Wenn sie mit ihrer aktuellen Verfahrensweise gut zurechtkommen, sind sie eher zurückhaltend. Zuspruch durch positive Signale aus der Bevölkerung wirken sich positiv auf die Einstellung aus, Robotik zu nutzen.
Das Verbundprojekt Zukunftslabor Agrar (ZLA)
Das Zukunftslabor Agrar ist im Oktober 2019 gestartet und wurde vom Land Niedersachsen im Rahmen des Zentrums für Digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) aus Mitteln des Fonds zukunft.niedersachsen mit einer Fördersumme von 3,7 Millionen Euro gefördert. Neben dem DFKI und dem Konsortialführer Universität Osnabrück waren folgende Institutionen am Projekt Zukunftslabor Agrar beteiligt: Die Georg-August-Universität Göttingen, die Hochschule Osnabrück, das Julius Kühn-Institut, die Technische Universität Braunschweig, das Thünen-Institut und die Universität Vechta.
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