Dossier
Biodiversität und Wanderfische
Reinhold Hanel | 20.06.2022
Wanderfische, die zum Teil gewaltige Distanzen zwischen Futterplätzen und Laichgründen zurücklegen, zählen zu den biologisch besonders interessanten Arten des aquatischen Bereichs. Ihr Verhalten macht sie anfällig für menschliche Einflüsse.
Weltweit gibt es über 34.000 Fischarten, von denen etwa 7.000 menschlicher Nutzung unterliegen – Tendenz steigend. Sie lassen sich oft nur anhand weniger Merkmale und von Experten unterscheiden. Am Thünen-Institut haben wir Expertise in der Fischerkennung, Laboranalytik und Fischgenetik. Wir entwickeln genetische Marker zur Arterkennung ebenso wie zur Bestandsdifferenzierung wichtiger Modellarten. Dazu gehören Sprotten und Heringe, aber auch Eis- und Thunfische.
Ein wichtiger und biologisch besonders interessanter Teil des aquatischen Arteninventars sind Wanderfische. Um ihre Laichplätze aufzusuchen oder ihre Futtergründe zu erreichen, legen viele Fischarten lange und strapaziöse Wanderungen zurück und überwinden dabei zum Teil gewaltige Distanzen und große Hindernisse. Solche Fischarten, die zwischen Salz- und Süßwasser wechseln, sogenannte diadrome Arten, sind dabei oftmals besonders anfällig für menschliche Einflüsse. Verbaute und zergliederte Flüsse, Überfischung oder auch klimatische Veränderungen setzen sie unter Druck.
Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen für das Bestandsmanagement, häufig verbunden mit einer internationalen Koordination von Schutzmaßnahmen und nachhaltigen Nutzungsstrategien. Wir beschäftigen uns mit unterschiedlichsten Fragestellungen zu Biologie, Ökologie, Verhalten, Schutz und Nutzung von ökologisch und ökonomisch bedeutenden Wanderfischarten.
Ein Schwerpunkt unserer Forschung liegt dabei auf der Untersuchung der verschiedenen Lebensstadien des Europäischen Aals (Anguilla anguilla), dessen Bestand bereits seit Jahren als außerhalb biologisch sicherer Grenzen und damit als gefährdet eingestuft wird. Sowohl mit Feld- als auch mit Laborexperimenten arbeiten wir daran, den Lebenszyklus und die Faktoren und Mechanismen besser zu verstehen, die den Bestand beeinflussen und damit die Grundlagen für ein nachhaltiges Bestandsmanagement dieser Art zu entwickeln.