Dossier
Plastik im Boden
Daniela Thomas, Elke Brandes | 20.04.2023
In welchem Ausmaß befindet sich Plastik im Boden? Und wie wirkt es dort? Da in der Vergangenheit nur wenig zu dem Thema geforscht wurde, sind diese Fragen noch weitgehend unbeantwortet.
Die Verschmutzung der Weltmeere mit Mikroplastik ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den öffentlichen Fokus gerückt. Dies führte zu ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Ursprung, Eintrag, Verbleib und die Wirkung von Mikroplastik in den marinen Ökosystemen. Weitaus weniger wissen wir über die Belastung der terrestrischen Ökosysteme mit Kunststoffen, obwohl die Kontamination mit Plastik an Land höher als in den Ozeanen eingeschätzt wird.
Insbesondere aus landwirtschaftlich genutzten Böden kann Mikroplastik durch Erosion in Oberflächengewässer eingetragen werden. Ebenso wird Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden angereichert.
Um Vermeidungsstrategien zum Eintrag von Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden und in Gewässer entwickeln zu können, müssen zuvor das Ausmaß der Verschmutzung, der Verbleib und die Wirkungen im Boden sowie das Austragspotential in die Gewässer erforscht werden. Effiziente Lösungen lassen sich nur erarbeiten, wenn die wichtigsten Quellen identifiziert sind.
Plastikproduktion seit 1950
Mit anfänglich weltweit ca. 2 Millionen Tonnen pro Jahr wird Plastik seit den 1950er Jahren vor allem in der Industrie hergestellt. Der Begriff Plastik umfasst dabei eine ganze Bandbreite an synthetischen Polymeren, die sich in ihrer Zusammensetzung und damit in ihrem chemisch-physikalischen Verhalten unterscheiden. Durch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, die niedrigen Produktionskosten und die Langlebigkeit dieser Materialien ist Plastik aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken.
Plastik wird in allen Lebensbereichen, zum Teil direkt in unserer Umwelt, eingesetzt. Auch in der Landwirtschaft findet es Verwendung, zum Beispiel als Mulchfolie auf dem Acker, bei der Silierung oder in Form von Netzen zum Einwickeln der Strohballen. In Europa wurden im Jahr 2021 ca. 57,2 Millionen Tonnen Plastik produziert, 3,1 Prozent davon für den Landwirtschaftssektor (Plastics Europe 2022).
Nach dem Gebrauch wird der Großteil des Plastiks entsorgt. Im Jahr 2010 fielen in Deutschland 14,5 Millionen Tonnen Plastikabfälle an.
Definition Mikroplastik
Eine allgemein anerkannte Definition für Mikroplastik existiert noch nicht. Sie wird gegenwärtig durch das Internationale Normungsgremium ISO/TC 61 „Kunststoffe“ erarbeitet. Aktuell wird Plastik häufig in Makro- (>25 mm), Meso- (5-25 mm) und Mikroplastik (großes Mikroplastik: 1-5 mm und Mikroplastik: 1-1000 μm) eingeteilt. Noch kleinere Plastik-Partikel werden als „kolloidales Plastik“ (100-1000 nm) und „Nanoplastik“ (unter 100 nm) bezeichnet.
Mikroplastik wird zudem in primäres und sekundäres Mikroplastik eingeteilt. Bei primärem Mikroplastik handelt es sich um Plastik, das in Form kleinster Partikel in die Umwelt eingetragen wird. Sekundäres Mikroplastik wird aus größeren Plastikteilen durch mechanische Einwirkung oder Fragmentierung, z.B. durch Sonneneinstrahlung in der Umwelt, erzeugt.
Plastikeintrag in Böden
Die vermuteten Eintragspfade von Plastik in Böden sind vielfältig. So kann Plastik durch Mulchfolien und Plastikabdeckungen, die im Gemüse-, Obst- und Spargelanbau zur Ertragssteigerung eingesetzt werden, in Böden eingebracht werden. Weitere Eintragspfade in der Landwirtschaft stellen die Düngung mit Klärschlamm oder Kompost dar. So wird zum Beispiel Mikroplastik aus Kosmetika, Reinigungsmitteln und Faserabrieb beim Waschen von synthetischen Textilien ins Abwasser eingetragen. Bei der Behandlung in Kläranlagen enden über 95 % dieser Partikel im Klärschlamm. Ein Teil davon wird in Deutschland in der Landwirtschaft, aber auch in der Rekultivierung von Tagebau-Gebieten eingesetzt.
Als wichtige, aber wenig untersuchte Eintragspfade außerhalb des Landwirtschaftssektors gelten der Reifenabrieb von Kraftfahrzeugen, Plastik aus der Luft (atmosphärische Deposition) sowie die unsachgemäße Entsorgung von Kunststoffprodukten (Littering). Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 0,36 % des Plastikmülls durch Littering in die Umwelt gelangen (BKV Studie). Bei einer Menge von 5,32 Millionen Tonnen Plastikabfall pro Jahr in Deutschland führt das zu ca. 19.200 Tonnen Littering, wovon schätzungsweise 13.400 Tonnen in der terrestrischen Umwelt verbleiben.
Daten zu (Mikro-)Plastik im Boden liegen bislang nur sehr lückenhaft vor, sodass über die Relevanz der verschiedenen Quellen bisher noch wenig bekannt ist.
Wenn Plastik in Böden verbleibt...
Über den Verbleib von Plastik im Boden ist aktuell wenig bekannt. In der Umwelt wird der Vorteil der Stabilität und Langlebigkeit des Plastikmaterials, die durch zugefügte Additive (z.B. UV-Stabilisatoren) erzielt werden, zum Nachteil. Dies liegt vor allem daran, dass ein Abbau über natürliche Prozesse, z.B. durch Mikroorganismen in der Umwelt, nur sehr langsam oder gar nicht stattfindet.
Ein wichtiger Prozess stellt die Fragmentierung des Plastiks in immer kleinere Partikel dar. Dies kann durch Sonneneinstrahlung, mechanische Bearbeitung sowie Aufnahme und Ausscheidung durch Bodenlebewesen verstärkt werden. So können z.B. Folienreste aus der Landwirtschaft, die versehentlich im Boden verbleiben, durch mechanische Bearbeitung und Sonneneinstrahlung zerkleinert und im Pflughorizont verteilt werden. Zudem wird vermutet, dass Mikroplastik durch die Aktivität von Regenwürmern im Boden vertikal und horizontal transportiert wird.
Forschende gehen davon aus, dass Mikroplastik über den Boden ins Grundwasser eingetragen werden kann. So ist wahrscheinlich auch eine Umlagerung im Boden bzw. ein Austrag aus dem Boden von Bedeutung. Durch die geringere Dichte der häufigsten Plastikarten im Vergleich zu Bodenpartikeln spielt vor allem die Wind- und Wassererosion eine Rolle.
Auswirkungen von Plastik und Mikroplastik
Bei der Beurteilung des Schadpotenzials von (Mikro-)Plastik muss seine große Heterogenität berücksichtigt werden. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Schadwirkungen, die durch die Plastiksubstanz selbst und durch zugesetzte Additive (z.B. Weichmacher) sowie durch die Absorption von Schadstoffen (z.B. Pestiziden) ausgelöst werden. Ein weiterer Aspekt sind ästhetische und sozio-ökonomische Auswirkungen von sichtbaren Plastikverschmutzungen, insbesondere in natürlichen und naturnahen Landschaften.
Wenige wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Mikroplastik wie andere natürliche Bodenpartikel von Bodenlebewesen (z.B. Regenwürmern) aufgenommen und ausgeschieden werden (Boots et al 2019). Ebenso können kleinste Plastikpartikel von Pflanzen aufgenommen werden.
Es wird vermutet, dass mit sinkender Größe der Partikel deren Schadpotential steigt (Büks et al 2020). Ein Großteil der toxikologischen Studien wurde bislang in Modellversuchen im Labor durchgeführt – unter der Verwendung von sehr hohen Mikroplastik-Konzentrationen, die in der Umwelt bisher nicht gemessen wurden. Somit können die schädlichen Auswirkungen von Mikroplastik auf den Boden zum derzeitigen Wissensstand noch nicht endgültig eingeschätzt werden.