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Expertise

Alles fließt – auch in der Bioökonomie

Jörg Schweinle und Martin Banse | 27.05.2022


MA Institut für Marktanalyse
WF Institut für Waldwirtschaft

Die Politik strebt an, den Verbrauch fossiler Rohstoffe immer weiter zu reduzieren und eine kreislauforientierte Wirtschaft zu schaffen. Hierbei sollen auch die Potenziale der Bioökonomie genutzt werden. Das Thünen-Institut hat ein Konzept für ein systematisches Bioökonomie-Monitoring entwickelt.

Der Begriff Bioökonomie oder „biobasierte Wirtschaft“ bezeichnet zweierlei: zum einen jenen Teil der Wirtschaft, der nachwachsende Rohstoffe erzeugt oder verwendet, zum anderen die Nutzung biologischen Wissens im Wirtschaftsleben. Die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft ist Teil der Bioökonomie.

Ein ständiges Wachstum der Bioökonomie ist nicht automatisch „gut“. Das gilt auch für die Substitution fossiler Rohstoffe. Diese wird nur dann zu einer nachhaltigen Wirtschaft führen, wenn bei der Erzeugung und Verarbeitung der biobasierten Rohstoffe die Prinzipien der Nachhaltigkeit erfüllt sind. Hierbei sind auch mögliche Nebenwirkungen zu beachten, beispielsweise die Ausbeutung endlicher Lagerstätten für Phosphatdüngemittel oder die Entwaldung in den Tropen.

Um beurteilen zu können, wie sich die Bioökonomie in Deutschland entwickelt und wie diese Entwicklung zu bewerten ist, benötigt man ein aussagekräftiges Monitoring. Dieses sollte im Idealfall aus zwei Bereichen bestehen. Zunächst einmal muss eine konsistente, zeitreihenfähige Datenlage darüber geschaffen werden, wie viel biobasierte Rohstoffe und Produkte erzeugt, im- und exportiert, verarbeitet, konsumiert, wiederverwertet und entsorgt werden. Darauf aufbauend müssen dann weiterführende Analysewerkzeuge entwickelt werden, um die Nachhaltigkeitswirkungen der Bioökonomie abschätzen zu können.

Das Thünen-Institut hat nun im Auftrag des BMEL und der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) ein Konzept für den Aufbau eines systematischen Monitorings der Bioökonomie entwickelt. Hierbei kam ihm seine breite Expertise zugute, die die Bereiche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei überspannt. Der Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten lag auf der Analyse der Stoffflüsse sowie auf der Entwicklung einer Methode, Nachhaltigkeitseffekte zu erfassen.

Stoffströme grafisch zusammengefasst

Die Abbildung stellt den Stofffluss des biobasierten Ressourceneinsatzes in Deutschland dar. Die biobasierten Ressourcen sind in landwirtschaftliche (orange), forstliche (grün) und aquatische (blau) Stoffströme untergliedert. Jeder Stoffstrom beginnt mit der inländischen Produktion. Die weitere Verarbeitung der Ressourcen wird von oben nach unten abgebildet, ab der ersten Verarbeitungsstufe in hellerer Farbgebung. Von links fließen Importe in den inländischen Stoffstrom. Exporte verlassen das Land nach rechts.

Als wichtige Zwischenstufen sind das Gesamtaufkommen aller Rohstoffe sowie das Gesamtaufkommen aller verarbeiteten Waren dargestellt. Die Verarbeitung der Biomasse ist in dem Bild sehr stark zusammengefasst. Einzelne Zwischenschritte in der Verarbeitung (z. B. vom Rohholz zum Schnittholz zum Möbel) werden nicht gezeigt. Die Verwendung im Inland ist unterteilt in stoffliche Nutzung, energetische Nutzung, Futtermittel und Nahrungsmittel. Alle Werte sind in der Einheit 1.000 Tonnen atro (= absolut trocken, also nur die Biomasse ohne Wasser) dargestellt.

Die gesamte Rohstoffproduktion beträgt 185 Mio. Tonnen. Fast drei Viertel hiervon sind landwirtschaftliche Ressourcen, gut ein Viertel ist forstliche Biomasse. Zu beachten ist hier, dass die inländische Produktion von Recyclingstoffen wie Altpapier und Altholz mit eingerechnet ist (grün schraffiert). Aquatische Biomasse macht nur einen sehr kleinen Teil aus. Die Import- und Exportanteile sind bei der landwirtschaftlichen Biomasse besonders niedrig: Nur gut ein Fünftel der Gesamtmasse wird ein- bzw. ausgeführt. Forstbasierte Biomasse wird zu etwa 40 % der gesamten Masse importiert, aber ein Drittel in Form von Holzwaren auch wieder exportiert. Bei aquatischen Ressourcen ist der Außenhandel von besonders großer Relevanz. 85 % der Gesamtmasse werden eingeführt, knapp 60 % wieder ausgeführt.

Der weitaus größte Teil der landwirtschaftlichen Biomasse (138 Mio. t) wird als Futtermittel verwendet (89 Mio. t). Die aus diesen Futtermitteln erzeugten tierischen Nahrungsmittel (7 Mio. t) sind in der Abbildung bereits im Nahrungsmittel-Strom (insgesamt 21 Mio. t) enthalten.

Die vermeintlich ‚schlechte‘ Futterverwertung ist dadurch begründet, dass hier alle Größen in Trockenmasse beschrieben werden. Dadurch fällt die Menge erzeugter tierischer Nahrungsmittel vergleichsweise niedrig aus. Bedeutsam ist weiterhin die Biomasseverwendung zur Energieerzeugung, die sich zu fast gleichen Teilen auf forstliche und landwirtschaftliche Biomasse aufteilt. Bei der stofflichen Nutzung dominiert dagegen die forstliche Biomasse mit fast 90 % Nutzungsanteil.

Biobasiert = nachhaltig?

Aufbauend auf der Analyse der Stoffflüsse kann auch untersucht werden, ob Produkte der Bioökonomie im Vergleich zu anderen Produkten nachhaltiger sind und wie nachhaltig die Bioökonomie als Ganzes ist. Das lässt sich nicht pauschal mit ja oder nein beantworten. Es hängt zum einen von den jeweiligen Produktions- und Verarbeitungsstrukturen ab, zum anderen davon, wie stark die Expansion der Bioökonomie die natürlichen Ressourcen unseres Planeten beansprucht. Mehr Informationen und Ergebnisse hierzu sind im Thünen Working Paper Nr. 149 nachzulesen.

Derzeit gestattet die Datengrundlage ein umfassendes Monitoring nur bis zur ersten Verarbeitungsstufe. Rest- und Abfallströme lassen sich nur ansatzweise einbinden. Die Voraussetzungen zur Abschätzung von Nachhaltigkeitseffekten sind gegeben, bedürfen aber der weiteren Konkretisierung. Die Datengrundlage wird sich nicht von selbst verbessern. Somit wird letztlich politisch zu entscheiden sein, wie aussagekräftig das Monitoring der Bioökonomie künftig ausfallen kann.

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