Zahlen & Fakten
Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2022
Thomas Riedel | 08.10.2024
Der Holzvorrat und damit auch der Kohlenstoffvorrat im Wald haben in den vergangenen fünf Jahren abgenommen. Die Wälder in Deutschland sind jedoch älter und strukturreicher als vor zehn Jahren. Diese und viele weitere Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur liegen jetzt vor.
Knapp ein Drittel von Deutschland ist bewaldet. Das sind 11,5 Millionen Hektar. Wie sich der Wald zwischen 2012 und 2022 verändert hat, erfasst die vierte Bundeswaldinventur (BWI). Dazu haben rund 100 Inventurtrupps der Länder mehr als 520.000 Bäume an fast 80.000 Stichprobenpunkten vermessen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben die Inventur koordiniert und die Daten ausgewertet. Nun steht ein einzigartiger Datenschatz über den Lebensraum Wald, seine geoökologischen Strukturen, seine Holz- und Kohlenstoffvorräte und deren Nutzung und Zuwachs bereit.
Damit ein repräsentatives Bild des deutschen Waldes entsteht, haben die Gründerinnen und Gründer der Bundeswaldinventur schon in den 1980er Jahren ein Stichprobennetz in einem Raster von vier mal vier Kilometern über das ganze Land gelegt, das bei jeder Inventur wieder verwendet wird. An seinen Knotenpunkten befinden sich die Stichproben. Die meisten Länder nutzen die Möglichkeit, ihr Stichprobennetz zu verdichten, um auch für kleinere Auswertegebiete und -einheiten statistisch abgesicherte Ergebnisse zu erhalten, so auch wieder bei der BWI 2022.
Die Zustandsrechnungen für 2022 basieren auf dieser verbesserten Stichprobengrundlage. Für Veränderungsrechnungen kann nur das zu beiden Zeitpunkten erhobene Stichprobennetz genutzt werden. Dadurch passen Veränderungsrechnungen und Zustandsrechnungen im Einzelfall möglicherweise nicht additiv zueinander. Dies ist bei der Analyse und Interpretation von Veränderungen zu berücksichtigen. Im Zweifelsfall ist die Veränderungsrechnung heranzuziehen.
Klimaschützer Wald
Der Wald hat eine herausragende Bedeutung für den Klimaschutz. Der Wald speichert große Mengen an Kohlenstoff, welchen er der Atmosphäre durch die Photosynthese laufend entzieht. Andererseits gibt er Kohlenstoff ab a) in Form von Holz in Holzprodukten, wodurch der Kohlenstoff vorerst gebunden bleibt und b) in Form von Totholz, durch dessen Abbau der Kohlenstoff zurück in die Atmosphäre gelangt. Nimmt der Wald mehr Kohlenstoff auf als er abgibt, ist er eine Senke, andernfalls eine Quelle.
1,184 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (108 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar) sind derzeit in den lebenden Bäumen (oberirdisch und unterirdisch) der Wälder Deutschlands gebunden. In Totholz sind 46,1 Millionen Tonnen Kohlenstoff (4,2 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar) gebunden. Bundeswaldinventur und Kohlenstoffinventur liefern die Datenbasis zur Schätzung der Kohlenstoffvorräte für lebende Biomasse und für Totholz. Modellierungen zum Boden basierend auf Ergebnissen der Bodenzustandserhebung schätzen weitere 936 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Streu und Mineralboden. Insgesamt sind also rund 2,200 Millarden Tonnen Kohlenstoff (197,44 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar) im Wald gespeichert.
Der Kohlenstoffvorrat in der lebenden Biomasse im Wald hat im Vergleich zur letzten BWI 2012 zwar um etwa ein Prozent zugenommen. Gegenüber der Kohlenstoffinventur 2017 aber ging er 41,5 Millionen Tonnen (- drei Prozent) zurück. Da der Kohlenstoffverlust im lebenden Baumbestand in den Jahren 2017 bis 2022 jedoch höher ist als die Zunahme beim Totholz um 11,3 Millionen Tonnen Kohlenstoff und auch der Boden diesen Verlust nicht ausgleicht, ist der Wald seit 2017 zu einer CO2-Quelle geworden. Der Rückgang des Kohlenstoffvorrats in lebenden Bäumen ist im Wesentlichen auf den hohen Vorratsverlust durch Kalamitäten sowie auf den Klimawandel-bedingt verminderten Zuwachs zurückzuführen.
Der Wald in Deutschland hat einen durchschnittlichen Vorrat von 335 Kubikmeter pro Hektar. Deutschland ist damit eines der vorratsreicheren Länder Europas. Mit insgesamt 3,7 Milliarden Kubikmeter steht im deutschen Wald mehr Holz als in jedem anderen Land der Europäischen Union.
Die seit 2018 anhaltenden Schäden durch Trockenheit und Borkenkäferbefall haben einen massiven Vorratsverlust der Fichte verursacht. Im Vergleich mit der Kohlestoffinventur 2017 ist der Vorrat um 220 Millionen Kubikmeter oder 18,2 Prozent zurückgegangen. Er erreicht im Durchschnitt über alle Baumarten etwa das Niveau der Bundeswaldinventur 2012.
Im Vergleich zu 2012 hat sich der Holzvorrat der Fichte um rund 190 Millionen Kubikmeter reduziert, bei der Esche um rund 12 Millionen Kubikmeter. In allen anderen Baumartengruppen ist der Vorrat angestiegen: Bei der Kiefer beträgt der Anstieg 23,6 Millionen Kubikmeter, bei der Buche 46,5 Millionen Kubikmeter und bei der Eiche 48,1 Millionen Kubikmeter.
Die größte relative Vorratszunahme verzeichnet die Douglasie mit 32 Prozent. Trotz geringer Flächenanteile hat der Vorrat der Douglasie um 22,7 Millionen Kubikmeter zugenommen. Der Grund dafür liegt in der Produktivität (15,4 Kubikmeter pro Hektar jährlich) der Baumart und ihrem hohen Anteil wuchskräftiger junger Bäume.
Der Holzvorrat dicker Bäume hat weiter zugenommen. Dieser Trend setzt sich seit der Bundeswaldinventur 2002 fort. Damit verschiebt sich der Holzvorrat weiter in die Stärkeklassen größer 40 Zentimeter Brusthöhendurchmesser. Darunter hat der Holzvorrat abgenommen. Dieser Trend zeigt sich vor allem bei Nadelbäumen. Dies ist eine Herausforderung insbesondere für die Vermarktung von Nadelholz, da die Sägeindustrie überwiegend auf die Verarbeitung von schwachem und mittelstarkem Nadelholz zwischen 20 und 40 Zentimeter Durchmesser ausgerichtet ist.
Der Holzzuwachs beträgt rund 9,4 Kubikmeter je Hektar und Jahr beziehungsweise bundesweit 101,5 Millionen Kubikmeter jährlich. Im Vergleich zur Bundeswaldinventur 2012 hat der Zuwachs um rund 20 Prozent abgenommen. Dieser große Rückgang wird maßgeblich bestimmt durch den kalamitätsbedingten Ausfall der Fichte. Der Alterungstrend des Waldes trägt ebenfalls zum Zuwachsrückgang bei. Zusätzlich schwächt die langjährige Trockenheit die Bäume.
Dieser große Rückgang wird maßgeblich durch drei Faktoren bestimmt:
- den kalamitätsbedingten Ausfall der Fichte,
- den Alterungstrend des Waldes
- die langjährige Trockenheit
Im Zeitraum von 2012 bis 2022 sind in Deutschland durchschnittlich 72,6 Millionen Kubikmeter Rohholz (Erntefestmeter ohne Rinde) pro Jahr oder 6,7 Kubikmeter je Hektar und Jahr genutzt worden (2012: 75,7 Millionen Kubikmeter jährlich, 7 Kubikmeter je Hektar und Jahr). Der Holzeinschlag im Privatwald ist mit 6,8 Kubikmeter je Hektar und Jahr im Vergleich zur Bundeswaldinventur 2012 nahezu gleichgeblieben (7 Kubikmeter je Hektar und Jahr). Dabei hat sich der Unterschied in der Holznutzung zwischen den Eigentumsgrößen verringert. Der Privatwald wird nun in allen Größenklassen ähnlich intensiv genutzt wie der Staatswald Land.
Aktuell ist die Holznutzung auf 87 Prozent der Waldfläche grundsätzlich uneingeschränkt möglich. Allerdings wird nicht überall Holz genutzt. Auf sieben Prozent der gesamten Waldfläche ist die Nutzung nur teilweise zu erwarten. Sechs Prozent der Fläche wird gar nicht genutzt, wobei hier zwischen den Eigentumsarten große Unterschiede bestehen. Im Staatswald des Bundes und der Länder ist auf elf Prozent der Fläche keine Holznutzung zu erwarten, während es im Körperschaftswald und im Privatwald lediglich knapp vier Prozent betrifft. Im Vergleich zur letzten Inventur hat die Fläche mit Einschränkungen weiter zugenommen.
Gegenwärtig prägen Kiefern, Fichten, Buchen und Eichen das Gesicht unserer Wälder. Dabei hat die Fichte ihren Platz als häufigste Baumart an die Kiefer abgegeben. Die Baumarten haben unterschiedliche regionale Schwerpunkte.
Hauptverbreitungsgebiet der Kiefer ist das nordostdeutsche Tiefland von Niedersachsen bis nach Brandenburg und Sachsen. Weitere Schwerpunkte liegen im Pfälzer Wald, in der Rhein-Main-Niederung und im Oberpfälzer Becken- und Hügelland. Die Kiefer ist mit 2,4 Millionen Hektar die Baumart mit der größten Verbreitung (21,8 Prozent), obwohl auch sie zwischen den letzten beiden Bundeswaldinventuren 41.000 Hektar an Fläche verloren hat.
Die Fichte formt vielfach die Wälder vom Alpenvorland bis in die Hochlagen Süd- und Südwestdeutschlands und in den Mittelgebirgen Nordostbayerns. In den Mittelgebirgen wie im Harz, Solling, Bergischen Land, Sauerland, Rothaargebirge, Thüringer Wald und Erzgebirge hat sie durch Stürme, Dürren und die daraus resultierende Massenvermehrung des Borkenkäfers ab 2018 erheblich an Bedeutung eingebüßt. Sie hat im Vergleich zur Bundeswaldinventur 2012 460.000 Hektar an Fläche verloren und stockt nun auf 2,3 Millionen Hektar bzw. auf 20,9 Prozent der Waldfläche.
Die Buche kommt schwerpunktmäßig in den Mittelgebirgen von der Schwäbisch-Fränkischen Alb über Pfälzerwald, Vogelsberg, Eifel, Odenwald und Spessart bis zum Solling vor. Während ihre Verbreitung zur BWI 2012 noch bei 15,6 Prozent lag, ist ihre Verbreitung um 130.000 Hektar auf 1,8 Millionen Hektar bzw. 16,6 Prozent gestiegen. Die Buche zeigt aktuell deutliche Schäden durch die Trockenheit, die sich in der BWI 2022 noch kaum niederschlagen.
Die Eiche trifft man besonders im Pfälzer Wald, dem Spessart und den warmen Tieflagen Deutschlands. Ihr Anteil ist von 10,4 auf 11,5 Prozent oder um 119.000 Hektar auf 1,3 Millionen Hektar gestiegen. Auch die Eiche leidet unter der Trockenheit, so dass regional ein massenhafter Befall durch den Eichenprachtkäfer festzustellen ist. Eichen sterben ab und ganze Bestände sind in Struktur und Existenz als Eichenwald gefährdet.
Im Vergleich zur BWI 2012 sind die Wälder in Deutschland älter geworden. 2022 sind über 30 Prozent unserer Wälder älter als 100 Jahre, über 20 Prozent älter als 120 Jahre. Bei der Inventur 2012 war nur 14 Prozent der Waldfläche älter als 120 Jahre.
Der Wald ist im Jahr 2022 durchschnittlich 82 Jahre alt. Er ist trotz der Waldschäden durch Sturm, Dürre und Borkenkäferbefall und des damit verbundenen Verlusts alter Bäume gegenüber 2012 um fünf Jahre älter geworden.
Im Vergleich zur BWI 2012 ist das Alter der Fichte mit nun 62 Jahren um sechs Jahre zurückgegangen. Das Alter der Kiefer ist mit 85 Jahren um acht Jahre gestiegen. Die im Mittel älteste Nadelbaumart ist und bleibt die Tanne mit 98 Jahren. Übertroffen wird sie von der Eiche mit 107 Jahren, die damit im Mittel nochmal fünf Jahre älter ist als zur BWI 2012. Die Buche folgt mit 102 Jahren, sie ist mit zwei Jahre Differenz nur wenig älter geworden. Die Douglasie ist mit 52 Jahren trotz einer Zunahme von sieben Jahren die jüngste Baumart, auch weil sie wegen ihres schnellen Wuchses im vergleichsweise frühen Alter zwischen 61 und 80 Jahren bereits genutzt und verjüngt werden kann.
Bei den Nadelbäumen zeigt sich die erste Altersklasse (Alter bis 20 Jahre) weiter rückläufig, die zweite und dritte Altersklasse mit deutlichem Flächenverlust, was ab 2018 vor allem vom Borkenkäfer verursacht sein dürfte, die höheren Altersklassen mit Flächenzunahmen. Eine Ausnahme bildet die fünfte Altersklasse, in der viele Nadelbäume ihr Nutzungsalter erreichen. Bei den Laubbäumen zeigt sich der Einfluss nachlassender Nutzungen in den höheren Altersklassen. Dort haben die Flächen in den letzten beiden Bundeswaldinventur-Perioden deutlich zugenommen.
Die Zunahme alter Bäume fördert die biologische Vielfalt. Denn alte Bäume verfügen häufiger als junge Bäume über besondere Mikrohabitate wie Grobborke, Kronentotholz, Brettwurzeln, Astabbrüche oder Spechthöhlen. Viele auch seltenere, auf bestimmte Zerfallsphasen spezialisierte Arten sind auf diese Mikrohabitate angewiesen. Außerdem sind alte Bäume ein attraktiver Blickfang für Waldbesucher.
Unter Klimaschutzaspekten ergeben sich zwei Aspekte aus der Alterszunahme des Waldes: Zum einen nimmt der Zuwachs je Hektar und damit die zusätzliche Kohlenstoffbindung und die Klimaschutzwirkung im hohen Alter ab. Zum anderen kann der Klimawandel den Standort so verändern, dass nun andere Baumarten an den neuen Standort angepasst sind. Durch Waldumbau sind diese neuen Baumarten einzuführen. Dies erfordert die Nutzung der vorhandenen älteren Bäume, was das Durchschnittsalter sinken lässt. Konsequenzen für die biologische Vielfalt sind dagegen abzuwägen. So ist z.B. das Belassen von ökologisch besonders wertvollen Baumindividuen in die Bewirtschaftung zu integrieren.
Wichtige Merkmale für die Strukturvielfalt eines Waldes sind seine horizontale und vertikale Struktur, das heißt seine Baumartenmischung und die Schichtung im Kronenraum. Ein Wald, in dem verschiedene Baumarten nebeneinander und die Kronenräume mehrerer Baumschichten übereinander stehen, bietet vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Er kann zudem durch die Vielfalt an Arten, Strukturen und Genomen besser auf ungünstige Umwelteinflüsse und Schaderreger reagieren.
Wesentliches Element der horizontalen Struktur des Waldes ist der Umfang der Baumartenmischung. Mischwälder prägen mit 79 Prozent Flächenanteil den deutschen Wald (2012: 76 Prozent). Immer noch relativ wenig gemischt sind Kiefernwälder mit 61 Prozent oder Fichtenwälder mit 75 Prozent gemischter Fläche. Alle anderen Bestockungstypen sind stärker gemischt.
Die Naturverjüngung ist mit 91 Prozent Flächenanteil an der Jungbestockung die überwiegende Verjüngungsart im deutschen Wald. Sie hat gegenüber der letzten BWI um sechs Prozentpunkte zugenommen. 220.000 Hektar oder 7,1 Prozent der Jungbestockung gingen aus einer Pflanzung hervor. Sie finden sich vor allem in Douglasienbeständen. Weniger als ein Prozent der Jungbestockung ist aus Saat oder Stockausschlag erwachsen.
Weiterführende Links
Die Ergebnisse der vierten Inventur sind öffentlich zugänglich und übersichtlich aufbereitet. Alle Kernaussagen und Hintergrundinformationen sind auf der Internetseite und in einer Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zu finden. In der Datenbank des Thünen-Instituts können Ergebnisse zu vielen Fragestellungen recherchiert und daraus Tabellen, Grafiken und Karten erzeugt werden.