Institut für
OL Ökologischen Landbau
Projekt
Praxisforschungsnetzwerk Biomilchviehbetriebe
Aufbau eines Praxisforschungsnetzwerks Biomilchviehbetriebe
Praxisforschung mit kontinuierlichem Austausch zwischen Praxis und Forschung ermöglicht den nachhaltigen Transfer von Erkenntnissen in die Praxis. Andersherum erhält die Wissenschaft so Impulse aus der Praxis für relevante Forschungsfragen.
Wie entwickeln sich Produktionssysteme? Mit einem Referenznetzwerk Biomilchviehbetriebe wollen wir an den Entwicklungen der Praxis ‚dranbleiben‘.
Hintergrund und Zielsetzung
Ökologisch wirtschaftende Betriebe zeichnen sich durch eine außerordentliche Vielfalt aus. Auch sie verändern sich stetig, sind vom Strukturwandel betroffen, entwickeln ihre Produktionsverfahren weiter, professionalisieren sich, nehmen neue Produktionszweige auf oder hören mit anderen auf. Diese Veränderungen und Entwicklungen von Betrieben im ökologischen Landbau wollen wir erfassen, begleiten und untersuchen: Ein dauerhaft bestehendes und kontinuierlich betreutes Referenznetzwerk ermöglicht es, Entwicklungen der Betriebe und ihrer Strukturen über lange Zeiträume zu verfolgen: So können Ad hoc-Untersuchungen zu aktuellen Fragestellungen und Entwicklungsprozessen, u.a. zur Politikberatung, sehr effizient und ohne größeren zeitlichen Vorlauf bearbeitet werden. Der Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis und umgekehrt wird über diese Zusammenarbeit ermöglicht, so dass innovative Lösungsansätze aus der Praxis aufgenommen oder gemeinsam von Wissenschaft und Praxis erarbeitet werden können.
Umfassende Datenkenntnis und Monitoring der Entwicklungen der Betriebe sind für die Politikberatung ungemein wichtig. Mit einem Referenznetzwerk ökologisch wirtschaftender Betriebe, das dauerhaft betreut wird, können diese Datengrundlagen geschaffen werden.
Wiederkäuer spielen im ökologischen Landbau eine wichtige Rolle und zudem hat die Milchproduktion auch in der ökologischen Lebensmittelerzeugung eine große wirtschaftliche Bedeutung. Daher legen wir den Fokus beim Aufbau des Praxisforschungsnetzwerks zunächst auf Betriebssysteme ökologisch wirtschaftender Milchkuhbetriebe und wollen ein bundesweites Referenznetzwerkes mit Schwerpunkt Biomilchviehbetriebe aufbauen.
In diesem Netzwerk wollen wir die Praxisforschung gemeinsam mit den Milchviehhalterinnen und Milchviehhaltern für die praxisnahe Entwicklung und stetige Rückkoppelung zwischen Praxis und Wissenschaft voranbringen. Gleichzeitig können wir in einem Referenznetzwerk durch Ad hoc-Untersuchungen aktuelle Fragestellungen und Entwicklungsprozessen, u.a. zur Politikberatung, sehr effizient und ohne größeren zeitlichen Vorlauf bearbeiten.
D.h. wir können
- Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen unter realen Bedingungen auf Praxisbetrieben geprüft und weiterentwickelt, d.h. Theorien / Versuchsergebnisse aus „Exaktversuchen“ in der Praxis validieren,
- Interventionen in verschiedenen Bereichen von Praxisbetrieben über einen längeren Zeitraum nachverfolgen,
- Auswirkungen von Politikmaßnahmen oder verändertem Marktumfeld analysieren,
- die Diversität gängiger Produktionsverfahren im ökologischen Landbau und deren Entwicklung praxisnah abbilden (Monitoring),
- kurz- bis mittelfristig aktuelle Fragestellungen auf Grundlage einer umfassenden aktuellen Datenbasis – beispielsweise im Rahmen der Politikberatung – untersuchen und beantworten.
Perspektivisch könnte das Ziel eines solchen Referenznetzwerkes auch darin liegen, produktionstechnische mit sozio-ökonomischen Daten zu verknüpfen. Denn um agrarpolitische Maßnahmen effektiv und effizient zur Erreichung politischer und gesellschaftlicher Ziele einzusetzen, benötigen sowohl die Politik beratende Wissenschaftler:innen als auch politische Entscheidungsträger:innen unbedingt beides.
Vorgehensweise
Über den Aufbau eines bundesweiten, dauerhaften Praxisforschungsnetzwerks mit langfristiger Einbindung von Betrieben wollen wir über eine langjährige Zusammenarbeit Vertrauen aufbauen.
Für die teilnehmenden Betriebe soll das Mitarbeiten selbstverständlich einen Zusatznutzen bieten: Neben dem Angebot von verschiedenen (bspw. themenspezifischen) Austauschformaten der Betriebe untereinander sind unterschiedliche Aufbereitungen der in den Betrieben erhobenen Daten und deren Rückmeldung, wie beispielsweise Benchmarking bzw. horizontaler und vertikaler Betriebsvergleich über die Zeit, denkbar und im Sinne der Motivation der Praktiker:innen an einem Netzwerk mitzuwirken sehr sinnvoll.
Gleichzeitig können standardisierte Routinen entwickelt werden, die Datenerfassung sowie die Weiterleitung von Daten von den Betrieben an die Wissenschaftler*innen zu erleichtern und ggf. zu digitalisieren.
Die engmaschige Betreuung der Betriebe des Referenznetzwerks, verbunden mit einer regulären Datenerfassung zur Entwicklung der Produktionsverfahren, der tierischen Leistungen und Erträge, ggf. weiterer ökonomischer Kennzahlen, ist essentiell. Dieser Betreuung kommt eine Schlüsselrolle zu und nur sie kann gewährleisten, dass Praxisbetriebe langfristig dabeibleiben und auch selbst Benefit aus der Mitarbeit ziehen können. Aus wissenschaftlicher Sicht bzw. aus Sicht der Politikberatung kann jedoch über diese langfristige Zusammenarbeit ein großer Nutzen generiert werden: Es können Basis- und Vergleichsdaten, gesamtbetrieblich kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum erhoben und analysiert werden.
Das dient der Erfassung des aktuellen Status quo und der langfristigen Entwicklung (Monitoring), so können vielfältige Fragestellungen und bundesweit Entwicklungen eingeschätzt und neue Fragestellungen aufgesattelt werden. Die Politikberatung und -folgenabschätzung würde optimiert werden und sowohl Politik- und betriebliche Handlungsempfehlungen könnten abgeleitet werden.
Daten und Methoden
Um ein aussagefähiges Referenznetzwerk aufzubauen, dass es ermöglicht, allgemeingültige bzw. auf die gesamte Praxis übertragbare Ergebnisse zu generieren, ist es wichtig, typische Betriebe mit bestimmten Intensitäten und Betriebsstrukturen zu identifizieren und bei deren Auswahl auch die extremen agrarstrukturellen Unterschiede in den verschiedenen Regionen Deutschlands zu berücksichtigen. Nur so sind allgemeingültige bzw. auf die gesamte Praxis übertragbare Ergebnisse möglich, die für die Breite der Betriebstypen in Deutschland aussagefähig sind.
Auf Basis von eigenen Vorarbeiten sind wir derzeit dabei, aus existierenden größeren Betriebsdatensätzen unser vorangegangen Praxisprojekte Milchkuhbetriebe für die langfristige Mitarbeit in einem Praxisforschungsnetzwerk Biomilchviehbetriebe zu gewinnen.
Mit anderen bereits bestehenden Netzwerken, die regional oder themenspezifisch arbeiten, wollen wir die Kontakte pflegen um Synergien zu nutzen.
Unsere Forschungsfragen
- Praxisnahe und aktuelle Abbildung der Produktionsverfahren in (typischen) ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben bundesweit
- Partizipative Praxisforschung für die praxisnahe Entwicklung und Rückkoppelung zwischen Praxis und Wissenschaft und vice versa, Sicherstellung des kontinuierlichen Wissenstransfers Praxis <-> Forschung:
- nachhaltiger Transfer von Erkenntnissen in die Praxis: Konzepte zur praktischen Umsetzung und Etablierung sowie Hemmnisse erkennen
- Impulse aus der Praxis für relevante Forschungsfragen
- „Monitoring“: wie entwickeln sich Produktionssysteme?
- längerfristige Fragestellungen und Entwicklungsprozesse auf Basis kontinuierlicher und gesamtbetrieblicher Datenerhebung effizient bearbeiten, bspw.
- Interventionen im Management von Betrieben,
- Auswirkungen von Politikmaßnahmen,
- verändertes Marktumfeld.
- Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen unter realen Bedingungen auf Praxisbetrieben prüfen und weiterentwickeln: Komplexität der Zusammenhänge verschiedener Einflussfaktoren in der Lebensrealität gerecht werden.
- Ad hoc Fragen zur Politikberatung bearbeiten: kurz- bis mittelfristige produktionstechnische aktuelle Fragestellungen auf einer umfassenden Datenbasis untersuchen.
- Aufzeichnung der Entwicklung des ÖL in der Praxis monitoren, Entwicklung dokumentieren.
Vorläufige Ergebnisse
Stand beim Aufbau des Praxisforschungsnetzwerks ist derzeit (Juli 2024), dass wir von rund 260 Betrieben aus vorangegangenen Praxisprojekten (2002 – 2019) über 70 positive Rückantworten bezüglich Ihrer Mitarbeit erhalten haben. Das sogenannte „Stammdatenblatt“ mit Betriebsspiegel und Charakteristika der Milchviehhaltung für den jeweiligen Betrieb und Angabe von Forschungsideen aus der Praxis liegen inzwischen von 57 Betrieben vor.
Im 2. Halbjahr 2024 sind die ersten Betriebsbesuche geplant, mit einer Basiserhebung und vor allem dem persönlichen Austausch.
Kontakt: praxisforschung@thuenen.de