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Institut für

OF Ostseefischerei

Projekt

Agentenbasierte Modellierung von Ostseedorschen


Federführendes Institut OF Institut für Ostseefischerei

Abgemagerter Dorsch aus der östlichen Ostsee.
© D. Stepputtis
Abgemagerter Dorsch aus der östlichen Ostsee.

Regelbasierte Mehrebenen-Modellierung der Bioenergetik und Art-Habitatinteraktionen von Dorschen der östlichen Ostsee

Trotz umfangreicher Untersuchungen in der Vergangenheit sind Wissenschaftler des ICES derzeit nicht in der Lage, die ökologischen Zusammenhänge, welche die gegenwärtigen Veränderungen im Dorschbestand der östlichen Ostsee antreiben, schlüssig zu erklären. Gleichungsbasierte Makromodelle liefern keine brauchbaren Erkenntnisse, da sie die den Veränderungen zu Grunde liegenden physiologische Prozesse der Dorsche nicht adäquat abbilden können. Ziel dieses Projektes ist deshalb die Entwicklung eines agentenbasierten Mehrebenenmodells der Bioenergetik und des Verhaltens von Dorschen sowie der Hydrographie des Bornholmbeckens und relevanter Aspekte seiner Beute. Letztlich soll hier ein Modell entwickelt werden, welches den Fischereibiologen und Fischphysiologen als Simulationswerkzeug für wissenschaftliche Fragestellungen dienen kann.

Hintergrund und Zielsetzung

Etablierte gleichungsbasierte Makromodelle liefern derzeit keine verlässlichen Vorhersagen über die Gesamtbiomasse und den Zustand des Bestandes. Hypothesen zu möglichen Mechanismen, die z.B. das verstärkte Auftreten von „Magerdorschen“ (Nahrungsmangel, Hypoxia-Effekte) und das Fehlen größerer Dorsche (Fischerei, Zunahme der natürlichen Sterblichkeit) erklären, können derzeit nicht getestet werden. Zum Zeitpunkt der Änderungen im Bestand (etwa ab dem Jahr 2010) sind keine entsprechenden Experimente durchgeführt worden. Die damals herrschenden Umweltbedingungen sind nicht replizierbar und die damals lebenden Dorsche sind entweder in der Zwischenzeit gestorben oder nicht mehr in dem Zustand, in dem sie in der Vergangenheit waren.

Da biologische Proben in ökologischen Systemen nicht retrospektiv genommen werden können, können ökologische Hypothesen die sich auf die Vergangenheit beziehen nur mit Hilfe von Computermodellen experimentell untersucht werden. Solche Modelle müssen allerdings die Dynamik und unterschiedlichen Maßstäbe eines komplexen ökologischen Systems angemessen und flexibel darstellen und dabei gleichzeitig übersichtlich bleiben. Die Modellierungssprache ML-Rules (ursprünglich für die Modellierung zellbiologischer Systeme entwickelt) erscheint vielversprechend, diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden und wird darum als Basis für unseren Forschungsansatz verwendet.

Vorgehensweise

Das Modell wird in Form einzelner Submodelle entwickelt, welche die unterschiedlichen Aspekte des ökologischen Systems abbilden. Dabei werden u.a. Habitat, Verhalten sowie Beute und die Bioenergetik des Dorsches innerhalb der Ostsee betrachtet. Bedingt durch den regelbasierten Ansatz kann jedes Submodell für sich weiterentwickelt und validiert und das Gesamtmodell anschließend zusammenhängend genutzt werden.

  • Insbesondere das Bioenergetik-Submodell, aber auch die anderen Submodelle sollen in einer solchen Form ausgestaltet und dokumentiert werden, dass sie den Wissenschaftlern des jeweiligen Fachbereichs als Werkzeug für Ihre Forschung dienen können. Es soll geprüft werden, ob die Submodelle sich sinnvoll auf andere Systeme (zum Beispiel einen anderen Bestand oder eine andere Fischart im Falle des Bioenergetik-Submodells) übertragen lassen.
  • Vorlagen für die Spezifikationen von Simulationsexperimenten werden in SESSL (Simulation Experiment Specification via a Scala Layer) definiert und gespeichert, um Experimente mit dem Model zu unterstützen. Dies gilt sowohl für die Kalibrierung neuer Zustände als auch für Testreihen zu Parametern (Scans) sowie der Berechnung von „was-wäre-wenn“-Szenarien.
  • Schließlich soll ein Handbuch entwickelt werden, welches es ohne weitere Hilfsmittel ermöglicht, das Modell vollständig zu verstehen, selbstständig zu verändern, weiterzuentwickeln und es damit möglichst vielseitig nutzbar zu machen.

Ergebnisse

Zum Abschluss des Projektes steht nun ein Gesamtmodell bestehend aus funktional integrierten kleineren Modellen zur Verfügung. Diese Submodelle umfassen die Facetten Physiologie, Reproduktion, Verhalten, Umwelt, Beute und Parasitierung. Das Gesamtmodell erlaubt damit die detaillierte Untersuchung der bereits implementierten Mechanismen sowohl in Form einzelner Facetten als auch in Ihrer Interaktion und Gesamtwirkung. Auf Grundlage der umfangreichen und strukturierten Dokumentation können Mechanismen aber auch entsprechend aktueller Hypothesen neu implementiert und in das bestehende Modell integriert werden.

Bislang wurden mit dem Modell die Treiber Sauerstoffmangel, veränderte und verringerte Nahrungsqualität und zunehmende Parasitierung sowie deren kumulative Effekte untersucht, auch in Verbindung mit abiotischen Bedingungen und im Rahmen von jährlichen Wanderungen. Das Ergebnis zeigt, dass diese Faktoren nicht als alleinige Treiber der gegenwärtigen Entwicklung in Frage kommen.

Methodisch hat das Projekt Weiterentwicklungen im Bereich der umfassenden Modellierung von komplexen adaptiven Systemen (CAS) gebracht. Hier ist insbesondere die Erweiterung des ‚Multi-facetted‘ Modellierungsansatzes um eine funktionale white-box Integration von unterschiedlichen Facetten einzelner Prozesse ein vielversprechendes Werkzeug für die transparente und weitreichende Erforschung dieser Art von Fragestellung.  Es wurde auch darauf geachtet, die Validierung bereits erfolgreich implementierter Mechanismen nach der Integration neuer Submodelle zu erhalten. Hier wurde der typischerweise hohe Arbeitsaufwand durch die systematische Wiederverwendung von Simulationsexperimenten drastisch verringert.

Das begleitende Handbuch wurde nach dem TRACE-Protokoll umgesetzt, das als State-of-the-art für die Dokumentation von ökologischen Modellen gilt, und ist zusammen mit dem Modell, den verschiedenen Simulationsexperimenten und Beispielergebnissen in einem Git-Repositorium veröffentlicht.

Links und Downloads

github.com/Baltic-Cod/EBC_IBM

Thünen-Ansprechperson

Dr. Uwe Krumme

Telefon
+49 381 66099 148
uwe.krumme@thuenen.de

Beteiligte externe Thünen-Partner

  • Universität Rostock
    (Rostock, Deutschland)

Zeitraum

8.2016 - 12.2022

Weitere Projektdaten

Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Pierce ME (2023) Integrating knowledge about complex adaptive systems - insights from modelling the Eastern Baltic cod. Rostock: Univ Rostock, 151 p, Rostock, Univ, Fak f Informatik und Elektrotechnik, Diss, 2022, DOI:10.18453/rosdok_id00004121

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065939.pdf

  2. 1

    Funk S, Funk N, Herrmann JP, Hinrichsen HH, Krumme U, Möllmann C, Temming A (2023) Tracing growth patterns in cod (Gadus morhua L.) using bioenergetic modelling. Ecol Evol 13(11):e10751, DOI:10.1002/ece3.10751

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067252.pdf

  3. 2

    Pierce ME, Krumme U, Uhrmacher AM (2018) Building simulation models of complex ecological systems by successive composition and reusing simulation experiments. In: Rabe M, Juan AA, Mustafee N, Skoogh A, Jain S, Johansson B (eds) Proceedings of the 2018 Winter Simulation Conference (WSC 2018), 9-12 Dec 2018, Göteborg, Sweden. pp 2363-2374, DOI:10.1109/WSC.2018.8632262

  4. 3

    Pierce ME, Warnke T, Krumme U, Helms T, Hammer C, Uhrmacher AM (2017) Developing and validating a multi-level ecological model of eastern Baltic cod (Gadus morhua) in the Bornholm Basin - a case for domain-specific languages. Ecol Model 361:49-65, DOI:10.1016/j.ecolmodel.2017.07.012

  5. 4

    Pierce ME, Warnke T, Helms T, Uhrmacher AM, Krumme U, Hammer C (2015) Individual-based cod simulation with ML-Rules. In: Yilmaz L (ed) Proceedings of the 2015 Winter Simulation Conference, December 6 - 9, 2015, Huntington Beach, CA. Piscataway, NJ: Omnipress, p 2

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