Die Dissertation mit dem Titel „Spatio-temporal distribution, food intake and growth of cod (Gadus morhua L.) in the Western Baltic Sea ist in Zusammenarbeit mit Dr. Uwe Krumme vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock und den Professoren Axel Temming und Christian Möllmann vom Institut für Marine Ökosystem- und Fischereiwissenschaften der Universität in Hamburg entstanden.
Obwohl der Dorsch seit vielen Jahrzehnten der Brotfisch der kommerziellen Fischerei und Hauptzielfischart der Meeresangler in der westlichen Ostsee ist, gibt es überraschenderweise noch viele Lücken in unserem Verständnis zu seiner Ökologie. Dank einer umfassenden Beprobungsstrategie, die erstmals alle Monate und Tiefenzonen abdeckte, liefert die Arbeit von Steffen Funk fundierte Erkenntnisse zur räumlichen Verteilung, der Ernährungsweise und zum Wachstum der Dorsche der westlichen Ostsee. Die Arbeit folgte drei Forschungssträngen:
1) Das ökologische Wissen lokaler Stellnetzfischer aus Schleswig-Holstein und Daten aus der Beprobung kommerzieller Fischereifahrzeuge wurde genutzt, um monatliche Verteilungsmuster von Dorschen sowie die saisonalen Habitat-Präferenzen im Detail zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Dorsche nur zur Laichzeit und in der Hochsommerphase tiefere Gebiete nutzen, ansonsten aber die flachen Küstengewässer bewohnen und dort vor allem bewachsenen Hartboden, steinige Riffstrukturen, Muschelfelder und Seegraswiesen bevorzugen. Die Fischereiforschungsreisen erfassen also nur die Teile der Dorschpopulation, die die tieferen Bereiche der westlichen Ostsee nutzen. Wenn sich der Anteil der Dorsche im Flachwasser über die Jahre aber verändert hat, erhöht dies die Unsicherheit der Bestandsberechnung.
2) Für die Analyse der Mageninhalte wurden mehr als 3000 Dorsche mit verschiedenen Fanggeräten aus allen Monaten und Tiefenstufen beprobt. Die Auswertung zeigte, dass die Dorsche in den Phasen intensiver Flachwassernutzung im Frühjahr und im Herbst am meisten gefressen hatten. Die Flachwasser-Habitate sind also wichtige Nahrungsgebiete für den Dorsch. Die auf alten Studien beruhende Annahme, der Dorsch der westlichen Ostsee sei vor allem ein Fischfresser, muss offenbar revidiert werden: die Nahrung der Dorsche aus den bevorzugten Bereichen flacher als 15 m Wassertiefe bestand vor allem aus bodenlebenden Wirbellosen, insbesondere der Strandkrabbe Carcinus maenas. Fische wurden ebenfalls gefressen, spielten aber eine untergeordnete Rolle.
3) Die neuen, detaillierten Informationen zur raum-zeitlichen Verteilung und Ernährung wurden dann genutzt, um mit einem Individuen-basierten, bioenergetischen Modell zu untersuchen, wie sich diese Lebensweise auf das Wachstum der Dorsche auswirkt. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere die Flachwasserphasen in Frühjahr und Herbst für das Dorschwachstum besonders wichtig sind. Stagnation im Wachstum und sogar Hungerphasen traten im Hochsommer auf, wenn hohe Wassertemperaturen zu erhöhtem Stoffwechsel bei geringerer Nahrungsaufnahme führten. In dieser Phase sind die überhitzten Flachwasserbereiche nicht zugänglich. Sommerliche Hitzewellen verursachen Stress für die an das Leben im Flachwasser angepassten Dorsche der westlichen Ostsee. Welche Auswirkungen längere und heißere Sommer durch verringertes Wachstum auf den Zustand der Dorsche im Herbst, die Reifung ihrer Gonaden im Winter und die Nachwuchsproduktion im folgenden Frühjahr haben, wird nun weiter untersucht.
Auf eine öffentliche Preisverleihung wurde in diesem Jahr pandemiebedingt verzichtet. Die Preisverleihung fand bereits am 10. August 2021 statt.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Doktorarbeit:
Gillnet fishers’ knowledge reveals seasonality in depth and habitat use of cod (Gadus morhua) in the Western Baltic Sea
The forgotten feeding ground: patterns in seasonal and depth-specific food intake of adult cod Gadus morhua in the western Baltic Sea
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