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© Kay Panten
Institut für

SF Seefischerei

Projekt

Monitoringkonzepte in Schutzgebieten: Habitatnutzung und Bewegungsmuster von Fischen, Haien und Rochen (NIKOFIN)


Federführendes Institut SF Institut für Seefischerei

Dr. Matthias Schaber bei Aussetzen einer beköderten Unterwasserkamera
© H2Owe/Christian Howe
Unser Kollege Dr. Matthias Schaber bei Aussetzen einer beköderten Unterwasserkamera (BRUV = Baited Remote Underwater Video). Diese Kameras sind eine Möglichkeit, das Vorkommen und die Verteilung von Fischen in für andere Methoden wie Schleppnetze nicht zugänglichen Gebieten zu erfassen.

Erfassung und Bewertung von nicht-kommerziell genutzten Fischarten in der Nordsee

NIKOFIN zielt auf eine naturschutzfachliche Bewertung der Fischgemeinschaften in der Nordsee ab. Besonderes Augenmerk wird auf nicht kommerziell genutzte Arten und Lebensräume gelegt, die mit Standardmethoden nicht repräsentativ zu beproben sind. Projektziele sind unter anderem die Erfassung der Habitatnutzung und Wanderungsbewegungen einzelner Knochenfisch- und Knorpelfischarten zur Bewertung der jeweiligen Lebensräume. Dies soll Schutzmaßnahmen unterstützen, die zur Erhaltung dieser Lebensräume und ihrer Biodiversität beitragen. Im Projekt werden verschiedene Monitoring-Methoden wie bildgebende Verfahren, eDNA und akustische Telemetrie sowie Satellitenmarkierungen eingesetzt, um als übergeordnetes Projektziel ein Monitoringkonzept für solche Fischarten in Schutzgebieten zu erarbeiten.

 

Hintergrund und Zielsetzung

Die Bewahrung der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges Schutzziel auf nationaler und internationaler Ebene. Hierfür ist allerdings ein profundes Wissen zur Artenvielfalt vonnöten. Speziell im Hinblick auf nicht kommerziell genutzte Fischarten ist solches Wissen oft nur ansatzweise vorhanden.

Umfassende Monitoringprogramme zur Erfassung der gesamten Fischgemeinschaften in verschiedenen Habitaten der Nordsee liegen nicht vor und sind aus diversen Gründen auch schwer realisierbar. Zum einen aus dem offensichtlichen Grund, dass Fische und Knorpelfische anders als Vögel oder Meeressäuger nicht an der Wasseroberfläche sichtbar sind, und zum anderen, weil sie ein wesentlich umfangreicheres Artenspektrum aufweisen und eine Vielzahl verschiedener Lebensräume im Meer – zum Teil jedoch oft nur zeitweise - bewohnen. Ein einzelner Ansatz zur habitatübergreifenden Erfassung und Bewertung der gesamten Fischfauna ist nicht realisierbar – es müssen demnach verschiedene Methoden kombiniert werden, um dieses Ziel zu erreichen.

Klassische Methoden fischereiwissenschaftlichen Monitorings wie zum Beispiel der Einsatz von -meist grundberührenden - Schleppnetzen, die bisher standardmäßig zur Beprobung der kommerziell relevanten Fischarten in der Nordsee verwendet werden, scheiden als sehr invasive Methode vor allem in empfindlichen Lebensräumen und Schutzgebieten aus und können in solchen Gebieten auch aufgrund der Gefahr der Beschädigung oder gar des Verlusts des Fanggeräts nicht verwendet werden. Alternative Beprobungsmethoden in solchen Gebieten sind passive Fischereigeräte wie z.B. Multimaschennetze/Stellnetze und Fischfallen/Reusen. Vor allem Reusen gelten als deutlich weniger invasiv, da die gefangenen Fische in der Regel nach der wissenschaftlichen Erfassung wieder lebendig freigelassen werden können. Hier gilt jedoch zu bedenken, dass beide Fanggeräte jeweils unterschiedliche Fängigkeiten für verschiedene Fischarten aufweisen und somit ggfs. ebenfalls kein komplettes Bild der Fischdiversität im Gebiet vermitteln.

Der Fokus bei der Entwicklung alternativer Monitoringstrategien rückt zunehmend auf nicht-invasive Ansätze, gerade auch im Bezug auf Schutzgebiete und gefährdete Arten. Als besonders vielversprechend sind hierbei genetische Verfahren wie Umwelt-DNA (eDNA) und auch bildgebende Verfahren (Unterwasser-Videokameras) zu nennen. Darüber hinaus können einzelne Fische minimal-invasiv mit akustischen oder Satellitensendern markiert werden, um deren Habitatnutzung, deren bevorzugte Lebensräume und auch eventuelle Wanderbewegungen identifizieren zu können. Auch diese Methoden unterliegen jeweils Limitierungen – aber eine Kombination mehrerer dieser Methoden scheint für ein geeignetes Monitoringkonzept in Schutzgebieten oder in anderweitig durch Standardmethoden nicht zugänglichen Gebieten vielversprechend.

 

Zielgruppe

Wissenschaft, Politik (Fischerei, Artenschutz)

 

Vorgehensweise

Im Arbeitspaket „Habitatnutzung“ sollen riffassoziierte Knochenfische und Knorpelfische mittels akustischer Telemetrie und Satelliten-Tags markiert werden. Als stationäre, riffassoziierte Knochenfischarten sollen hierbei Klippenbarsche (Ctenolabrus rupestris), gefleckte Lippfische (Labrus bergylta) oder Rote Knurrhähne (Chelidonichthys lucerna) mit akustischen Sendern markiert werden. Unter den Knorpelfischen sollen - als weit-wandernde Art - Hundshaie (Galeorhinus galeus) und - als potentiell eher standorttreue Art - Nagelrochen (Raja clavata) ebenfalls mit akustischen Sendern markiert werden. Hundshaie sollen zusätzlich mit sogenannten „Satellite Pop-Up Tags“, also Satellitensendern markiert werden. Im Idealfall sollen auch Vertreter wandernder Knochenfischarten wie z.B. Finten (Alosa fallax) oder Maifische (Alosa alosa) besendert werden. Die akustischen Sender werden den zu markierenden Fischen in einem kurzen, minimal-invasiven Eingriff in die Bauchhöhle implantiert. Die Satellitensender werden extern an der Rückenflosse angebracht.

Zur Erfassung der kleinskaligen Bewegungen der markierten Fische im Lebensraum und zur Nutzung der jeweiligen Habitate (mittels akustischer Telemetrie) soll ein Netzwerk aus Empfängern in drei Gebieten der Deutschen Nordsee installiert und an das European Tracking Network (ETN) angeschlossen werden: Sylter Außenriff, Steingrund (bei Helgoland), MarGate Messfeld (Helgoland). Weitreichende Wanderbewegungen der Hundshaie, die sich im Untersuchungsgebiet nur temporär aufhalten, sollen zusätzlich durch Messungen mit Satelliten-Tags analysiert werden.

Aus den erhobenen Messdaten soll exemplarisch für die ausgewählten Fisch- und Knorpelfischarten ermittelt werden, welche Rolle die jeweiligen Habitate für diese Tiere spielen und wie die (temporäre) Nutzung dieser Lebensräume durch die jeweiligen Arten erfolgt. Neben der Ergänzung unserer bei diesen Arten immer noch limitierten Kenntnisse um deren Verbreitung, Abundanz und Habitatnutzung - also biologischer Parameter - sollen die Ergebnisse der Analysen auch helfen, ein umfassendes Monitoringkonzept für solche Arten in Schutzgebieten zu erarbeiten.

 

Daten und Methoden

Bei den Sendern der akustischen Telemetriestudie handelt es sich um sogenannte Akustiktransmitter, welche je nach Konfiguration eine Langzeituntersuchung über mehrere Jahre hinweg erlauben. Für die Markierung werden Fische in den jeweiligen Untersuchungsgebieten durch passive Fangmethoden (beköderte Fischfallen) bzw. durch Angelfischerei gefangen. Ausgewählte Fische werden durch die Verabreichung eines Narkotikums betäubt und die Akustiktransmitter mittels eines minimal-invasiven chirurgischen Eingriffs in die Bauchhöhle implantiert. Nachdem die Fische einige Zeit in einem Erholungsbecken verbracht haben und deren Zustand überwacht wurde, werden sie wieder entlassen. Von diesem Zeitpunkt an senden die implantierten Transmitter Signale in vorgegebenen Intervallen.

Um diese Signale aufzuzeichnen, muss ein Empfängernetzwerk (Receiver) installiert werden. Im Bereich der südlichen Nordsee ist ein über verschiedene andere internationale Projekte durch das „European Tracking Network“ (ETN) etabliertes Netzwerk vorhanden. Im deutschen Teil der Nordsee muss dieses erst ausgebracht werden. Wir planen, Empfänger auf dem Steingrund bei Helgoland (bekannter temporärer Aufenthaltsort der Hundshaie, wichtiges Habitat für Lippfische), im Unterwassertestfeld MarGate auf Helgoland und auf dem Sylter Außenriff (wichtiges Habitat für alle zu untersuchenden Fischarten) auszubringen. Die Empfänger haben eine Batterielaufzeit von mehr als einem Jahr und werden im Rahmen der Monitoringaktivitäten ausgebracht, ausgelesen und gewartet.

Befindet sich ein mit einem Transmitter markierter Fisch im Empfangsbereich eines Receivers, werden die codierten Signale des Transmitters aufgezeichnet. Aus diesen Daten können im Folgenden dann die kleinskalige Bewegungen innerhalb des Habitats, die Habitatnutzung und auch eventuelle periodischen Zyklen ermittelt werden. Tiere, die den Erfassungsbereich des in den o.g. Gebieten installierten Empfängernetzwerks verlassen, können auch detektiert werden, wenn sie in den Empfangsbereich eines anderen Empfängers des ETN gelangen. Die Möglichkeit der Nutzung der ETN-Infrastruktur erlaubt somit ggfs. auch Aussagen zur Habitatnutzung und zu regionalen Wanderungen, falls die markierten Tiere unser „eigenes“ Messfeld verlassen.

Für die Erfassung weitreichender Wanderbewegungen werden - für derartige Wanderungen bekannte - Hundshaie zusätzlich mit pop-up-Satellitenmarkierungen (Satellitentags) besendert. Diese Tags zeichnen Über einen vorprogrammierten Zeitraum bis zu 365 Tagen Umweltparameter wie Temperatur, Tiefe und Lichtintensität auf. Nach Ablauf der Messphase löst sich der Sender vom Tier und steigt an die Wasseroberfläche. Dort werden die gespeicherten Messdaten dann über ARGOS-Satelliten (= Advanced Research and Global Observation Satellite) übermittelt. Diese Messdaten ermöglichen nun eine genaue Rekonstruktion der Bewegungsmuster, Aktivitätszyklen und Wanderrouten der Haie vom Ort der Markierung bis zum Ablösen des Senders vom Tier.

 

Unsere Forschungsfragen

Neben vielen weiteren Forschungsfragen im Verbundprojekt stehen unter anderem folgende Fragen im Mittelpunkt unseres Arbeitspakets „Habitatnutzung“:

  • Welches (Langzeit-)Monitoringkonzept eignet sich für nicht kommerziell genutzte Fischarten vor allem in Naturschutzgebieten der Nordsee?
  • Wie können etablierte Methoden zur Erfassung der Habitatnutzung und Wanderung in so ein Monitoringkonzept integriert und weiterentwickelt werden?
  • Wie lässt sich die Maßnahmeneffizienz in deutschen Meeresnaturschutzgebieten in der AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone) in Bezug auf die untersuchten Fischarten bewerten?
  • Können wir einen Einfluss von Fischereiausschlussgebieten in den Schutzgebieten auf nicht kommerziell genutzte Fischarten bzw. Knorpelfische erkennen/bewerten?

 

Beteiligte externe Thünen-Partner

Geldgeber

  • Bundesamt für Naturschutz (BfN)
    (national, öffentlich)

Zeitraum

9.2024 - 8.2027

Weitere Projektdaten

Projektfördernummer: Förderkennzeichen: 991-00227BMUV-53
Projektstatus: läuft

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