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Waldzustand 2024: Keine Entwarnung trotz feuchtem Winter

Die Kronenverlichtung von Fichte, Buche und Eiche bleibt auf sehr hohem Niveau, die Kiefer hat sich leicht erholt. Die Fichtenbestände weisen weiterhin hohe Ausscheideraten auf.

Bundesminister Özdemir und Nicole Wellbrock halten zusammen den Ausdruck des Waldzustandsberichts 2023
© BMEL

Übergabe des Waldzustandsbericht an Bundesminister Özdemir

Eberswalde (13. Mai 2024). Wie geht es dem deutschen Wald? Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 durch den Deutschen Wetterdienst. Zugleich gab es viele Niederschläge. Die trockenen, heißen Sommer der vergangenen Jahre wirken jedoch nach. Bei vielen Bäumen sind Teile der Kronen abgestorben. Außerdem sind die geschwächten Bäume anfällig für den Befall von Schädlingen wie Borkenkäfer, Pilze und Misteln. Die langfristig wirkenden Ursachen wie Klimawandel, hohe Stickstoffeinträge sowie eine Vielzahl umbaubedürftiger Reinbestände beeinflussen den Zustand weiterhin negativ. Das zeigt der aktuelle Waldzustandsbericht.

Der Bericht wird seit Mitte der 1980er Jahren regelmäßig von Bundesregierung veröffentlicht. Die Bewertung des Kronenzustandes ist dabei ein wichtiger Indikator. Geschulte Inventurteams der Bundesländer sehen sich die Baumkronen jedes Jahr im Juli und August genau an. Mit Hilfe von Stichproben in 16x16 Kilometer großen Arealen schätzen sie die Kronenverlichtung. In Fünf-Prozent-Schritten wird dabei die Abweichung der begutachteten Bäume von einem voll benadelten bzw. voll belaubten Baum eingestuft. Ab 25 Prozent Abweichung wird von deutlicher Kronenverlichtung gesprochen. Am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde werden aus den bereitgestellten Rohdaten der Länder die Ergebnisse für die bundesweite Waldzustandserhebung errechnet.

Baumarten sind unterschiedlich stark geschädigt

Der schlechte Zustand des Waldes betrifft alle Hauptbaumarten gleichermaßen. Eine kleine Ausnahme macht die Kiefer. Der Anteil mit deutlicher Kronenverlichtung (36 Prozent) hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht um einen Prozentpunkt erhöht. Der Anteil ohne Kronenverlichtung lag im Jahr 2023 bei 20 Prozent und somit auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr (21 Prozent). Die mittlere Kronenverlichtung aller Baumarten war mit 25,9 Prozent nahezu unverändert. Besonders alte Bäume über 60 Jahre wiesen deutliche Kronenverlichtungen auf, die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen fällt alten Bäumen schwer. Bei dieser Gruppe liegt der Anteil der deutlichen Kronenverlichtung bei 43 Prozent.

Auffällig war im vergangenen Jahr, dass insbesondere Buche und Kiefer vermehrt Früchte gebildet haben. In Jahren mit vermehrter Furchtbildung ist die Kronenverlichtung höher. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen den so genannten Mastjahren, erhöhten Stickstoffeinträgen aus der Luft und trocken-warmen Vorjahren wie 2022.

Weil es keine größeren Stürme gab, ist die Ausscheiderate von 6,7 Prozent auf 4,7 Prozent gesunken. Die Ausscheiderate bezeichnet den Anteil der Bäume, die aus der Stichprobe rausgefallen sind. Die nach wie vor hohe Ausscheiderate der Fichte lag bei 9,0 Prozent, davon sind 4,3 Prozent biotisch bedingt, also von Schädlingen wie dem Borkenkäfer verursacht.

Erstmals Kronenverlichtung von weniger häufigen Baumarten untersucht

Bedingt durch das Eschentriebsterben weist die Esche seit 2010 eine stetig zunehmende mittlere Kronenverlichtung auf. Seit 2018 ist die Verlichtung deutlich höher als bei allen anderen untersuchten Baumarten. Die Moorbirke wies in den Trockenjahren 2018 bis 2020 besonders hohe Werte auf, konnte sich aber wieder erholen. Im Gegensatz dazu steht die Sandbirke, die in den vergangenen Jahren auch bei günstigerer Witterung hohe mittlere Kronenverlichtungswerte aufwies. Die Weißtanne liegt seit 2015 unter dem Niveau der Fichte. Arten mit vergleichsweise niedrigen Kronenverlichtungen sind z.B. Berg-Ahorn, Schwarz-Erle und Douglasie.

Kronenverlichtung und Absterbeverhalten entwickeln sich unterschiedlich

Laubbäume wiesen bis 2018 eine deutliche höhere mittlere Kronenverlichtung auf als Nadelbäume. Aktuell liegt diese bei Buche und Eiche aber auf ähnlichem Niveau wie bei Fichte. Allerdings bleibt nur bei der Fichte und der Esche die Absterberate weiterhin hoch.

Bei der Buche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen um einen Prozentpunkt auf 46 Prozent gestiegen. Auf die Warnstufe entfielen 39 Prozent (2022: 34 Prozent). Bei der aktuellen Inventur gab es nur noch 15 Prozent ohne Verlichtungen. 2022 waren es noch 21 Prozent. Auch die mittlere Kronenverlichtung hat sich leicht verschlechtert auf nun 28,5 Prozent. Die Ergebnisse zeigen, dass 61 Prozent der Buchen Früchte gebildet haben. Auch dieser Anteil lag über dem des Vorjahres.

Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen um vier Zähler auf nun 44 Prozent gestiegen. Der Anteil der Warnstufe sank dagegen leicht von 41 auf 39 Prozent. Auch der Anteil ohne Verlichtungen sank leicht von 19 auf 17 Prozent. Die mittlere Kronenverlichtung ist von 26,1 auf 27,6 Prozent geringfügig gestiegen. Die Fruchtbildung der Eiche war im Vergleich zu 2022 deutlich geringer.

Bei der Fichte ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 40 auf 43 Prozent gestiegen. Auf die Warnstufe entfielen 40 Prozent und damit vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Ohne Verlichtungen waren nur noch 17 Prozent, sieben Prozentpunkte weniger als 2022. Die mittlere Kronenverlichtung ist von 29,6 auf 28,6 Prozent leicht gesunken. Im Vergleich zu den anderen Baumarten weist die Fichte die höchste Ausscheiderate auf.

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Zustand bei der Kiefer etwas entspannt. Der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen ist von 28 auf 24 Prozent gesunken. Auf die Warnstufe entfielen 53 Prozent, sechs Prozentpunkte weniger als 2022. Der Anteil ohne Verlichtungen ist von 13 auf 23 Prozent gestiegen. Die mittlere Kronenverlichtung sank 2023 von 23,9 auf 22,3 Prozent. Allerdings haben die Kiefern im vergangenen Jahr ebenfalls mehr Früchte ausgebildet. 83 Prozent aller Bäume trugen Früchte, davon rund 29 Prozent mittelstark und vier Prozent stark.

Notwendig: Mehr Klimaschutz und weniger Stickstoffeinträge

Die zurückliegenden Rekordtrocken- und Hitzejahre 2018 bis 2020 sowie 2022 haben gezeigt, dass der Klimawandel endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen ist – auch wenn es Zeiten der Erholung gibt. Einfache technische Lösungen zur Verbesserung des Waldzustands, wie sie in den 1980er Jahren etwa durch Luftfiltertechnik und Waldkalkung praktiziert wurden, werden nicht möglich sein. Klimaschutz und die Minderung von Stickstoffeinträgen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft sind ebenso notwendig wie die Umgestaltung der Wälder.

Positiv: Viele Niederschläge im Herbst und Winter

Im Herbst und Winter 2023/24 hat es viel geregnet und geschneit. Deshalb hat sich erstmals seit Jahren der Bodenwasserspeicher in Deutschland wieder vollständig aufgefüllt. Auswirken wird sich dies allerdings erst auf den Zustand der Bäume in diesem Jahr – immer vorausgesetzt, die Bedingungen bleiben günstig. Bei einer Hitze- und Trockenperiode im Frühjahr und Sommer kann die Erholungsphase schnell vorbei sein. Daher ist eine Fortsetzung des Waldumbaus hin zu klimawandel-angepassten Mischwäldern geboten.

Kontakt

Institut für Waldökosysteme
Leiterin Arbeitsbereich Bodenschutz und Waldzustand, Kontaktperson Bodenzustandserhebung und Waldzustandserhebung
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