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Institut für

OL Ökologischen Landbau

Projekt

Tierschutzkompetenz – tierwohlorientierte Handlungskompetenz in der beruflichen Ausbildung


Federführendes Institut OL Institut für Ökologischen Landbau

© BOKU, Wien und FNT, UniKassel

Entwicklung und Aufbau einer individuellen tierwohlorientierten Handlungskompetenz zur Gewährleistung von Tierschutz– Lehr-Lernkonzepte zur beruflichen Aus- und Weiterbildung –

Die Themen Tierschutz und Tierwohl sind bislang nur wenig in der landwirtschaftlichen Ausbildung verankert. In diesem Projekt wurden daher neue und innovative Lehr-Lernkonzepte entwickelt, die eine umfassende tierwohlorientierte Handlungskompetenz fördern.

Hintergrund und Zielsetzung

Seit 2002 ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert (Art. 20a GG). Darüber hinaus stehen neben dem Tierschutzgesetz eine breite Palette an bundes- und landesweit geltenden Tierschutzverordnungen und Leitlinien für den Tierschutz zur Verfügung.

Verschiedene Methoden und Werkzeuge zur Erfassung des Tierwohls in Praxisbetrieben und zur Überprüfung der Tiergerechtheit der Haltungsbedingungen anhand tier- und ressourcenbezogener Indikatoren stehen zur Verfügung und wurden bereits auf Praxistauglichkeit geprüft. Ein Beispiel eines solchen Indikatorensets sind die „Tierschutzindikatoren: Leitfäden für die Praxis – Rind, Schwein und Geflügel“ (Hrsg. KTBL, 1. Auflage 2016, 2., aktualisierte Auflage 2020).

Die Praxisforschung zeigt jedoch seit Jahren, dass die Tierwohlsituation in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung nicht zufriedenstellend ist und viele Betriebe Optimierungs- und Handlungsbedarf aufweisen. Tierhalter:innen schätzen häufig die Tiergesundheits- und Tierwohlsituation im eigenen Betrieb nicht korrekt ein (Stichwort „Betriebsblindheit“) und unterschätzen beispielweise das Auftreten von Lahmheiten oder sonstigen Produktionskrankheiten.

Wir gehen davon aus, dass die Schlüsselrolle für eine Sensibilisierung für Tierwohl als relevanten Faktor der Prozessqualität in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in der Ausbildung zukünftiger Landwirt:innen liegt.

Auch können über eine proaktive und regelmäßige Erhebung von Tierwohlindikatoren im eigenen Betrieb und das genaue Beobachten der Tiere die Empathie für das uns anvertraute Tier gefördert werden. Diese Bewusstseinsbildung findet bisher in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung nur unzureichend statt, weder in den Berufsschulen, noch in der überbetrieblichen Ausbildung sowie den ausbildenden Praxisbetrieben.

Die Verbreitung und Anwendung einschlägiger Werkzeuge der Tierwohlerfassung, insbesondere in den Ausbildungsbetrieben, wurde bisher kaum untersucht. Im Rahmen dieses Projektes wurden sowohl deren Verbreitung, als auch mögliche Mängel in der Anwenderfreundlichkeit bzw. Hemmnisse für deren Nutzung mittels einer breitflächigen Befragung der landwirtschaftlichen Ausbildungsbetriebe Niedersachsens in Erfahrung gebracht.

Ziel des geplanten Projektes war es, Konzepte, Werkzeuge und Lehr-, Lern- sowie Schulungsmaterialien zur Erhebung von tierbezogenen Indikatoren für Tierwohl zu entwickeln, die sich als valide, reliabel und praktikabel erwiesen haben. Unter den Bedingungen der zunehmend technisierten und digitalisierten Arbeit in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der damit einhergehenden Distanzierung vom Tier sollen die Auszubildenden so stärker für das Thema Tierwohl sensibilisiert werden und damit eine Handlungskompetenz entwickeln. Eine hohe Tierwohlkompetenz erfordert sowohl Wissen über das jeweilige Tier und seine Bedürfnisse, als auch Fähigkeiten im Umgang mit den Tieren sowie eine empathische Einstellung ihnen gegenüber. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Bedeutungszunahme von Prozessqualität und Tierschutz in der Nutztierhaltung von Relevanz. Dabei sind insbesondere die Diagnosefähigkeiten gegenüber dem Tier zentral. Entscheidend ist die Fähigkeit zum selbstreflexiven und verantwortungsvollen Handeln im Spannungsfeld von wirtschaftlicher Betriebsführung, (digitalisierter) Technik und Tierwohl.

Es wurden innovative Lehr-Lernkonzepte (weiter-)entwickelt, die den Lernenden ein klares Verständnis von Tierwohl ermöglichen, ihr Wissen über natürliches Verhalten von Rindern und Schweinen und den daraus entstehenden Bedürfnissen vertiefen, ihre Fähigkeiten zur Tierbeobachtung und Problemerkennung ausbauen und ihr Interesse und ihre Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex wecken, um den Erwerb einer Tierschutzkompetenz zu ermöglichen.

Zielgruppe

  • Auszubildende im Ausbildungsberuf zur Landwirt:in oder Tierwirt:in
  • Ausbilder:innen der Ausbildungsbetriebe

Vorgehensweise

In unserem im November 2021 gestarteten Projekt bearbeiteten die drei Kooperationspartner – das Landwirtschaftliche Bildungszentrum in Echem (LBZ Echem - Koordination), das Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung (IfBE) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und die Arbeitsgruppe Tierwohl des Thünen-Instituts für Ökologischen Landbau das oben genannte Thema.

Das IfBE ermittelte nach einer Analyse der geltenden Rahmenlehrpläne und Curricula für die Berufsausbildung der Landwirt:innen und Befragungen im Rahmen einer empirischen Feldstudie, welche Faktoren der berufsbezogenen Sozialisation der oben genannten Zielgruppen wirksam werden, die die Ausprägung von Tierschutzkompetenzen begünstigen.

Parallel dazu untersuchten wir im Thünen-Institut für Ökologischen Landbau im Rahmen einer repräsentativen Befragung der Ausbildungsbetriebe Niedersachsens mit Rindern und/oder Schweinen, inwieweit die zahlreichen verfügbaren Praxisleitfäden, Checklisten, Erfassungs- und Bewertungshilfen für die Rinder- sowie Schweinehaltung bekannt bzw. verbreitet sind und in der betrieblichen Ausbildung für eine Sensibilisierung für das Thema Tierwohl zur Anwendung kommen. Darüber hinaus erfolgt eine umfangreiche Recherche zu bereits vorhanden Erhebungsprotokollen etc. sowie deren kritische Prüfung und Weiterentwicklung bezüglich ihrer Anwenderfreundlichkeit mit dem Fokus der Nutzung in der Aus- und Weiterbildung.

Beide Untersuchungen lieferten Ansätze, mit welchen didaktischen Methoden sich eher eine positiv besetzte Hinwendung zum Themenkomplex „Tierschutz/ Tierwohl in der Nutztierhaltung“ aufbauen lässt. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen unmittelbar in die zu konzipierenden neuen Lehr-Lern-Einheiten zum Thema Tierwohl ein.

Ergebnisse

Befragung der landwirtschaftlichen Ausbildungsbetriebe mit Rindern/Schweinen in Niedersachsen

Die Betriebe nutzen mehrheitlich Tierwohl-Werkzeuge, die auf bestehenden Daten beruhen, während Tools mit am Tier erhobenen Indikatoren auf den Betrieben deutlich weniger zum Einsatz kommen. Es ist somit davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Auszubildenden in ihren Ausbildungsbetrieben nicht mit dem Einsatz tierbezogener Tierwohlindikatoren in Berührungen kommt und daher der Umgang hiermit in der Überbetrieblichen Ausbildung vorgestellt und erprobt werden sollte.

Ausgehend von den Perspektiven der (angehenden) Landwirt:innen sowie des Ausbildungspersonals auf landwirtschaftlichen Ausbildungsbetrieben wurde die Haltung der betrieblichen Ausbilder:innen und der Auszubildenden zum Thema Tierwohl untersucht. Hierbei zeigte sich, dass insbesondere Tiergesundheitsaspekte als wichtig erachtet wurden, während Aspekte des emotionalen Befindens und insbesondere des arteigenen Verhaltens der Nutztiere weniger stark gewichtet wurden. Die landwirtschaftlichen Ausbilder:innen wünschten sich für sich und ihre Auszubildenen insbesondere Fortbildungsmöglichkeiten im Umgang mit und zum Treiben von Rindern und Schweinen.

(Weiter-) Entwicklung der Lehr-Lern-Einheiten in der überbetrieblichen Ausbildung im Lehr- und Bildungszentrum Echem

Thematisch wurden Aspekte des arteigenen Verhaltens von Rindern und Schweinen in die Lehr-Lern-Einheiten integriert, um hieraus die Anforderungen an die Haltungsumwelt ableiten sowie um Fertigkeiten im Umgang mit den Tieren (bzw. für das Treiben) erlangen zu können. Arttypisches Verhalten, die Haltungsumgebung und am Tier erhobene Tierwohlindikatoren wurden in Zusammenhang zueinander gestellt. Ausgewählte Tierwohl-Werkzeuge wurden in die Lehr-Lern-Einheiten integriert. Darüber hinaus wurde eine Infothek für Unterrichtsmaterialien und weiterführende Tierwohl-Tools erstellt. Die Lehr-Lern-Einheiten wurden durch das Projektkonsortium am und für das Lehr- und Bildungszentrum Echem entwickelt, aber stehen öffentlich auch allen anderen Ausbildungsstätten zur Verfügung: Neben der Umsetzung in den Standorten der Überbetrieblichen Ausbildung sind die Einheiten auch in der Berufsschule, in der Meisterschule, in der betrieblichen Ausbildung oder im Rahmen des agrarwissenschaftlichen und veterinärmedizinischen Studiums umsetzbar. Darüber hinaus dient die freizugängliche Infothek auch Auszubildenden und Studierenden der Landwirtschaft und ermöglicht eine barrierearme Recherche im Themenfeld Tierschutzkompetenz.

Links und Downloads

Thünen-Ansprechperson

Dr. Solveig March

Telefon
+49 4539 8880 327
Telefon
+49 531 2570 2044
solveig.march@thuenen.de

Beteiligte externe Thünen-Partner

  • Leibniz Universität Hannover
    (Hannover, Deutschland)
  • Landwirtschaftliches Bildungszentrum Echem (LBZ Echem) der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
    (Echem, Deutschland)

Geldgeber

  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
    (national, öffentlich)
  • Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
    (national, öffentlich)

Das Projekt 2820MDT122 ist Teil der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz in der Projektphase Wissen-Dialog-Praxis. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages.
Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Zeitraum

11.2021 - 10.2024

Weitere Projektdaten

Projektfördernummer: 2820MDT122
Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Ivemeyer S, Cimer K, Brinkmann J, March S (2024) Ausbildungsort landwirtschaftlicher Betrieb: Tierwohlverständnis der Ausbilder*innen und vermittelte Fertigkeiten zum Treiben von Rindern und Schweinen. In: Bruder V, Röder-Dreher U, Breuer L, Herzig C, Gattinger A (eds) Landwirtschaft und Ernährung - Transformation macht nur gemeinsam Sinn : 17. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, 5.-8. März 2024, Justus-Liebig-Universität Gießen ; Tagungsband. 1. Auflage. Frankfurt am Main: FiBL Deutschland eV, pp 506-507, DOI:10.5281/zenodo.11204339

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067745.pdf

  2. 1

    Cimer K, Ivemeyer S, Brinkmann J, March S (2024) Eine Betrachtung der beruflichen Handlungskompetenz von Junglandwirt*innen am Beispiel von Tierwohl. In: Bruder V, Röder-Dreher U, Breuer L, Herzig C, Gattinger A (eds) Landwirtschaft und Ernährung - Transformation macht nur gemeinsam Sinn : 17. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, 5.-8. März 2024, Justus-Liebig-Universität Gießen ; Tagungsband. 1. Auflage. Frankfurt am Main: FiBL Deutschland eV, pp 508-509, DOI:10.5281/zenodo.11204339

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067744.pdf

  3. 2

    Brockmann A, Kuhlmann L, Labesius B, Weise B, Meyer R, Krause F, Preuss J, Pille M, Zimmermann D, Ivemeyer S, Cimer K, Over C, Brinkmann J, March S (2024) Entwicklung und Aufbau einer individuellen tierwohlorientierten Handlungskompetenz zur Gewährleistung von Tierschutz : Lehr-Lernkonzepte zur beruflichen Aus- und Weiterbildung ; Abschlussbericht des MDT-Verbundvorhabens 2820MDT120, 2820MDT121, 2820MDT122 [Tierschutzkompetenz]. 62 p

  4. 3

    Ivemeyer S, Over C, Preuss J, Zimmermann D, Pille M, Labesius B, March S, Brinkmann J, Weise B, Brockmann A, Krause F, Meyer R, Kuhlmann L (2024) Tierwohlkompetenz in der Überbetrieblichen Ausbildung : Fahrpläne für den Lehrgang Rind [online]. Echem: Landwirtschaftliches Bildungszentrum, 27 p, zu finden in <https://gruenetalente-niedersachsen.de/goto_lwk_crs_140.html> [zitiert am 21.11.2024]

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn069091.pdf

  5. 4

    Over C, Ivemeyer S, Preuss J, Zimmermann D, Pille M, Labesius B, March S, Brinkmann J, Weise B, Brockmann A, Krause F, Meyer R, Kuhlmann L (2024) Tierwohlkompetenz in der Überbetrieblichen Ausbildung : Fahrpläne für den Lehrgang Schwein [online]. Echem: Landwirtschaftliches Bildungszentrum, 28 p, zu finden in <https://gruenetalente-niedersachsen.de/goto_lwk_crs_1668.html> [zitiert am 21.11.2024]

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn069090.pdf

  6. 5

    Cimer K, Ivemeyer S, Hauschild J, Krause F, March S, Brinkmann J, Meyer R (2023) Entwicklung von innovativen Lehr-Lern-Settings zur Forderung einer tierwohlorientierten Handlungskompetenz von Junglandwirt*innen. In: Bibic V, Schmidtke K (eds) One step ahead - einen Schritt voraus! : Beiträge zur 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, 07.-10. März 2023, Frick (CH), FiBL Campus. 1. Auflage. Berlin: Verlag Dr Köster, pp 770-771

  7. 6

    Ivemeyer S, Cimer K, Brinkmann J, March S (2023) Tierwohlverständnis landwirtschaftlicher Ausbilderinnen/Ausbilder und betrieblich vermittelte Aspekte zum Umgang mit Rindern und Schweinen beim Treiben. KTBL Schr 11537:94-103

  8. 7

    Cimer K, Ivemeyer S, Brinkmann J, March S (2023) Was brauchen wir für die Förderung einer tierwohlorientierten Handlungskompetenz von Junglandwirt:innen? In: Geßl R (ed) 30. FREILAND-Tagung / 37. IGN-Tagung Eine Frage der Haltung - 30 Jahre FREILAND-Tagung : Kurzfassungen der Vorträge an der Universität für Bodenkultur Wien ; eine Veranstaltung von Freiland Verband, IGN, Univ. für Bodenkultur, VetMedUni Wien und FiBL AT, 21. September 2023. Wien: Freiland Verband, pp 24-30

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