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Seetagebuch

Solea, 841. Reise

Annika Brüger, Beate Büttner | 24.10.2024


OF Institut für Ostseefischerei

Dauer der Reise: 24. Oktober bis 03. November 2024

Fahrtgebiet: Nordsee (kommerzielle Garnelenfanggebiete in Deutschland)

Zweck der Reise: Test des Sortiergitters „KingGrid“ in der Krabbenfischerei

Fahrtleiterin: Annika Brüger, Thünen-Institut für Ostseefischerei

Das Thünen-Institut hat kürzlich das innovative Sortiergitter-Konzept „KingGrid“ entwickelt, welches potentiell die ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Baumkurrenfischerei auf Nordseegarnelen (Crangon crangon) in der Nordsee verbessert.
Die während der 820. Fahrt der Solea im Jahr 2023 durchgeführten Seeversuche zeigten, dass das neue „KingGrid“ eine hohe Sortiereffizienz, Robustheit und einfaches Handling während der Fischereieinsätze aufweist. Um jedoch das Potenzial der neuen Sortiereinrichtung für den kommerziellen Einsatz nachzuweisen, ist es notwendig, die Leistung des „KingGrid“ direkt mit dem traditionell in der kommerziellen Fischerei verwendeten Siebnetz zu vergleichen. Daher wird die 841. Fahrt der Solea erstmals die Eigenschaften bezüglich Sortierung und Anwendung des „KingGrid“ in drei verschiedenen Konfigurationen mit dem traditionellen Siebnetz vergleichen.
Die Versuche basieren auf der Methode eines Fangvergleichs, bei welcher ein Schleppnetz ausgestattet mit dem „KingGrid“ parallel zu einem Schleppnetz ausgestattet mit einem traditionellen Siebnetz eingesetzt wird. Die daraus resultierenden Fänge werden getrennt analysiert und hinterher verglichen. Des Weiteren werden praktische Herausforderungen, die sich aus der Nutzung der jeweiligen Selektionsvorrichtungen ergeben, erfasst, quantifiziert und bewertet. Die für die 841. Fahrt der Solea geplante Forschung wird als notwendiger Schritt für die zukünftige Übertragung und Erprobung des „KingGrid“ in der kommerziellen Fischerei angesehen.

++24.10.2024++ Letzte Vorbereitungen, dann geht’s Los

Auf unserer Reise kommen zwei neue Netze zum Einsatz. Frisch aus der Netzmacherei sind sie bereit nun endlich auf See benutzt zu werden. Wir fischen mit zwei Baumkurren, welche rechts und links vom Schiff an zwei Auslegern („Bäume“) befestigt werden. Noch sind die Netze strahlend weiß und sauber, aber das wird sich im Laufe der Reise schnell ändern.
Während noch letzte Kontrollen und Vorbereitungen am Fanggeschirr und Netz an Land stattfinden, nutzen wir die Zeit und richten uns ein. Wir bereiten nicht nur unsere gemütlichen Kojen vor, sondern richten auch unseren Arbeitsplatz im Fischlabor her. Alle Kisten werden ausgepackt und anschließend sicher verstaut und das Ölzeug wartet schon sehnsüchtig auf den ersten Einsatz.  Am Nachmittag verlassen wir Cuxhaven und machen uns auf den Weg! Endlich geht es los!

 


++25.10.2024++ Beginn der Fischerei

Endlich dürfen unsere neuen Netze in das Nordseewasser eintauchen. Bevor wir mit unseren eigentlichen Versuchen beginnen können, müssen wir aber erstmal sicherstellen, dass es zwischen beiden Netzen keinen Unterschied gibt. Dabei ist gemeint, dass wir beobachten, ob beide Netze die gleiche Effizienz beim Fischen haben. Das nennt sich „Kalibrieren“. Dafür setzen wir auf beiden Seiten unsere neuen Netze ausgestattet mit einem Siebnetz ein. Nach dem Fischen werden die Fänge verarbeitet und ausgewertet. Schon nach dem ersten Tag sehen wir deutlich: Wir haben viele Wittlinge und wenig Krabben im Netz. Für uns ist das sogar ein gutes Zeichen, denn so können wir ab morgen überprüfen, ob auch unsere verbesserte Version des Sortiergitters, das „KingGrid“, effektiv den Beifang von unerwünschten Fischarten verhindert.


++26.10.2024++ Erste Versuche mit dem Kinggrid

Heute haben wir das „KingGrid“ auf der Steuerbordseite des Schiffes eingesetzt. Auf der Backbordseite befand sich ein Krabbennetz mit Siebnetz. Die Fänge setzten sich durch eine bunte Mischung aus verschiedenen Arten zusammen. Besonders der Wittling (Merlangius merlangus) war wie gestern wieder sehr stark vertreten. Des Weiteren befanden sich auch einige Plattfischarten wie Scholle, Kliesche und Flunder im Fang. Bereits nach den ersten Hols wurde schnell deutlich, dass unser „Testnetz“ effektiv den Fang von Beifang verhindert. Im direkten Vergleich zum Siebnetz, unserem „Kontrollnetz“, konnte vor allem der Beifang von Wittling deutlich reduziert werden.
Neben den ersten Erfolgen bei der Erprobung gab es weitere tolle Eindrücke: Wir wurden bei unseren Versuchen nicht nur von der schönen Herbstsonne begleitet, sondern haben auch stets agile Möwen als treue Begleiter an unserer Seite. Aber auch nach Feierabend wartet noch ein großer Haufen Arbeit mit vielversprechenden Aussichten – Krabben pulen will schließlich gelernt sein ;)

 

Im Rahmen der 841. Reise auf unserer „Solea“ testen wir eine neue Version des Sortiergitterkonzepts. Für die Erprobung wird ein Fangvergleich verwendet, bei welchem gleichzeitig mit zwei Netzen gefischt wird. In einem der Netze befindet sich dabei das herkömmliche Siebnetz, während das andere Netz mit dem „KingGrid“ ausgestattet ist. Durch den parallelen Einsatz beider Konstruktionen kann im Anschluss an die Erprobung ein direkter Vergleich zwischen beiden Sortiervorrichtungen erfolgen. Dafür werden die Fänge aus beiden Netzen getrennt von einander ausgewertet: Nachdem der Fang an Bord gehievt wurde, wird er gewogen und sortiert. Dabei werden von den verschiedenen Fisch- und anderen Beifangarten Gewicht, Länge und Anzahl erfasst. Hinterher wird verglichen, ob und wie sich die Fänge aus dem Netz mit dem Sortiergitter im Gegensatz zum Siebnetz unterscheiden.


++27.10.2024++ Die Nordsee als Lebensraum

Die Nordsee ist ein reichhaltiges und dynamisches Ökosystem, das eine Vielzahl von Lebensformen beherbergt. Die einzigartige Biodiversität zeichnet ich dabei durch das Vorkommen verschiedener Fisch-, Wirbellosen-, Säugetier- und Vogelarten aus.

Während unserer Reise begegnen uns dabei einige der in der Nordsee vorkommenden Arten. Darunter befinden sich hauptsächlich Bodenbewohner der Nordsee, wie z.B. Garnelen, Krabben und bodenbewohnende Fische. Heute möchten wir euch einige spannende Arten vorstellen und euch einen Eindruck liefern, wie vielfältig die Nordsee sein kann.

Die meisten Fotos haben wir in einem 20 x 30 cm großen Aquarium gemacht und die Tiere anschließend wieder ausgesetzt.

Unsere Zielart während dieser Reise ist die Nordseegarnele (Crangon crangon). Sie wird bis zu 10 cm groß und hat einen langgestreckten Körper. Ihre Farbe variiert dabei von grünlich-braun bis hin zu rötlichen Tönen, was ihr dabei hilft, sich im Sand und Schlamm vor Fressfeinden wie dem Dorsch oder dem Wittling zu tarnen. Besonders häufig ist sie in flachen Küstengewässern, Mündungen und im Gezeitenbereich anzutreffen. Nordseegarnelen sind Allesfresser, ihnen schmecken aber vor allem Plankton und Detritus, was ihre Rolle im marinen Nahrungsnetz sehr wichtig macht. Neben der Nordseegarnele finden wir auch seltener die Äsopgarnele (Pandalus montagui). Sie werden bis zu 16 cm groß und ernähren sich bevorzugt von kleineren Krustentieren, Aas und Würmern.

Unter den Wirbellosen befand sich auch eine Seemaus, eine Art der vielborstigen Ringelwürmern. Seemäuse sind Fleischfresser und ernähren sich unter anderem von anderen Polychaeten und Einsiedlerkrebsen. Ein besonderer Hingucker sind ihre bunt schillernden Seitenborsten. 2007 wurde die Seemaus zum „Wurm des Jahres“ gekürt. Ihre in regenborgenfarben schillernden Borsten dienten Physikern als Modell für neuartige Glasfaserkabel.

Auf unserer Reise werden wir auch von Strand- und Schwimmkrabben und Taschenkrebsen besucht. Manchmal können wir auch den sogenannten Einsiedlerkrebs aus seinen Verstecken locken.

Strandkrabben sind in der Regel nachtaktiv und sind häufig Futter für größere räuberische Fische wie Dorsch und Aal. Schwimmkrabben haben kleine Paddel an ihren Hinterbeinen, welche sie zu schnellen Schwimmern macht. Sie setzen ihre Beine dabei wie einen kleinen Propeller ein. Ein größerer Hingucker sind die Taschenkrebse. Ihr Panzer kann bis zu 20 cm breit und 15 cm lang werden. Mit ihren großen kräftigen Scheren zerknacken sie gerne Muscheln, welche dann im Anschluss auch direkt verspeist werden. Aber auch große Taschenkrebse fangen mal klein an.

Einsiedlerkrebse bewohnen leere Schneckenhäuser, welche sie brauchen, um sich vor Feinden zu schützen. Beim Heranwachsen wechseln sie häufig ihre Behausung. Sie ernähren sich von Kleintieren und Aas, können aber auch kleinere Partikel aus Sand oder Wasser herausfiltern.

Unsere Reise wird dieses Mal von einer Fischart ganz besonders geprägt: dem Wittling (Merlangius merlangus). Er gehört zur Familie der Dorschfische und weist eine goldene Färbung auf. Auf seiner Speisekarte stehen neben Garnelen auch andere kleinere Fischarten wie Heringe, junge Kabeljaue und Schellfische.

Wittlinge können eine Länge von 70 cm erreichen und bis zu 20 Jahre alt werden. Sie leben bodennah vor der flachen Küstenzone und gelangen in der Krabbenfischerei daher oft als Beifang in die Krabbennetze. Eingesetzte Sortiervorrichtungen sollen dies verhindern. Beim Testen unseres KingGrids fällt schnell auf:  Der Beifang von Wittling kann im Vergleich zum Siebnetz deutlich reduziert werden.

Auch direkte Bodenbewohner landen häufig im Netz: Die Plattfische.
Während unserer Reise begegnen uns vor allem Schollen, Klieschen und Flundern. Doch wir treffen auch seltenere Arten wie die Rot- oder Lammzunge an. Plattfische beginnen zwar frisch geschlüpft als Larve mit symmetrischer Fischgestalt, gehen jedoch nach weiterem Wachstum zum Bodenleben über. Sie sind durch ihre Farben und Muster besonders gut an den Bodengrund angepasst, was ihnen bereits im jungen Alter eine hervorragende Tarnung ermöglicht.

Besonders spannend finden wir die Steinpicker mit ihrem drachenähnlichen Aussehen. Sie gehören zur Familie der Panzergroppen und zeichnen sich durch zahlreiche Knochenplatten aus, die ihren Körper schützen. Ein größerer Verwandter der Groppen ist der Seeskorpion. Er ist besonders auffällig durch den am Kiemendeckel sitzenden Stachel.


++28.10.2024++ Fischen, Sicherheit und zurück nach Cuxhaven

Nach vier Hols sind wir wieder nach Cuxhaven zurückgefahren um noch zwei Mitfahrer abzuholen. Als Hol bezeichnet man einen Fangvorgang, das Aussetzen und das Hieven bzw einholen des Netzes.


++29.202024++ Crew

Bei uns packt jeder mit an!
Damit wir hinterher vergleichen können, inwiefern sich die Sortierfunktion des KingGrids vom traditionellen Siebnetz unterscheidet, muss jeder Hol genau ausgezählt werden.
Oft befinden sich sehr viele kleine Fischarten wie z.B. Grundeln oder juvenile Tiere zwischen den Garnelen. Das bedeutet: Hier ist jede helfende Hand gefragt!


++30.10.2024++Die ersten Ergebnisse

Das KingGrid funktioniert wie ein Bausatz. Dieser besteht aus einzelnen Teilen und kann beliebig zusammengesetzt werden. Wir erproben nicht nur das Gitter selbst im Gesamten, sondern testen auch unterschiedliche Konfigurationen: Die Gitterabstände können mit Abstandshaltern, sogenannten „Spacern“ verschieden eingestellt werden. Wir versuchen unter anderem, den besten Abstand zu finden, der sowohl den Fang der Zielart Nordseegarnele nicht beeinträchtigt, dabei aber so viel Beifang wie möglich aussortiert. Im ersten Teil der Reise haben wir mit 20mm Spacern begonnen, der größte in der Krabbenfischerei erlaubte Abstand der Gitterstreben in Sortiergittern. Nach erfolgreicher Erprobung wurde ein Gitter mit sehr kurzen Spacern – 12 mm – eingesetzt. Als letzten Teil des Experiments verwendeten wir Spacer mit 16 mm.
Schnell wird deutlich: das Gitter mit 12 mm Spacern erzielt den größten, vor allem visuellen, Effekt. Bereits beim Einholen des Fangs wird mehr als deutlich, dass der Beifang größerer Fische stark reduziert werden kann.

Für jeden Hol wird ein Protokoll mit der genauen Dokumentation aller Gewichte der verschiedenen Arten und der Gesamtfänge angelegt. Zusätzlich werden die Fische und Garnelen auch in der Länge vermessen: So können wir hinterher feststellen, ob es z.B. eine Längenabhängigkeit bei Fischen zwischen den beiden Sortiermöglichkeiten KingGrid und Siebnetz oder den verschiedenen Gitterabständen des KingGrids gibt.
Die Protokolle werden im Anschluss an unsere Reise ausgewertet. Wir sind alle sehr gespannt!


++31.10.2024++Der letzte Tag … oder der Anfang vom Ende?

Wir arbeiten Hol für Hol mit unseren KingGrids ab: Wir versuchen so viele Daten wie möglich zu sammeln, damit unsere Aussagen am Ende so treffsicher wie möglich sind. Die Wetterlage spitzt sich jedoch langsam zu: Der Wind wird stärker und erschwert uns das arbeiten. Schnell wird klar: Wir müssen zurück in den Hafen. Noch ein letztes Mal packen alle mit an, damit auch der letzte Hol noch bearbeitet werden kann. Begleitet von schweren grauen Wolken am Himmel laufen wir gegen Abend wieder in Cuxhaven ein. Auf der Rückfahrt erblicken wir noch einen Krabbenkutter: Unterwegs bei Wind und Wetter.


++01.11.2024++ Welcome Home

Für uns heißt es heute: Alle verstauten Kisten werden wieder hervorgekramt, die Kojen werden wieder abgezogen und das Ölzeug wieder sorgsam verstaut. Es gibt noch ein letztes gemeinsames Mittagessen, bevor wir uns auf den Heimweg begeben.
Sobald wir zuhause sind, werden alle Kisten wieder ausgepackt. Aber auch hier wartet noch Arbeit auf uns: Ein großer Haufen Frostproben mit Garnelen möchte noch begutachtet werden. Die Garnelen werden eingescannt und vermessen, damit wir auch hier Daten über die Länge und Größe erhalten können. Aber das erzählen wir euch ein anderes Mal!

An dieser Stelle möchte ich als Fahrtleitung noch einmal persönlich Danke sagen.
DANKE! An die tolle Crew vom Thünen, die diese Reise tatkräftig unterstützt hat!
An Beate, die zu jeder Zeit den Fotoapparat griffbereit hat und die schönsten Momente für uns festhält.
An Kerstin und Peter, die mit viel Erfahrung und den besten Seegeschichten auch die grauen Tage auf See verschönern.
An Sara und Verona, die zum ersten Mal bis zu den Ellbogen in Krabben steckten. Gezwungenermaßen.  Von mir.
An unseren Masterstudenten Tim, die Sortiermaschine: Nächstes Mal kann ich getrost auch einfach frei machen ;)

DANKE! An die gesammelte Mannschaft der SOLEA: Die bei jedem Wetter für uns da ist, denn ohne euch wäre unsere Forschung gar nicht möglich!
Es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, auf dieser Reise die Fahrtleitung zu übernehmen und hoffe, wir fahren alle gemeinsam wieder los. Aber diesmal dann mit Sonne!
Liebe Grüße und best fishes,
Eure Annie

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