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Dossier

Radioaktivität im Meer

Marc-Oliver Aust | 30.01.2023


FI Institut für Fischereiökologie

Radioaktive Stoffe können auf verschiedene Weise ins Meer eingetragen werden. Die Konzentration dieser Substanzen im Meerwasser und in Meeresorganismen wird regelmäßig überwacht.

Radioaktive Stoffe sind dadurch charakterisiert, dass sie spontan aus ihrem Atomkern ionisierende Strahlung aussenden und sich dabei (bei Alpha- und Beta-Strahlern) in ein anderes chemisches Element umwandeln oder (bei Gamma-Strahlern) ihren Energiezustand ändern.

Radionuklide kommen natürlicherweise auf der Erde vor, z. B. Kalium-40 oder Kohlenstoff-14, und werden in technischen Anwendungen genutzt. Durch die Nutzung in Kernreaktoren oder durch Kernwaffen-Explosionen entstehen aber radioaktive Stoffe, die aufgrund ihrer relativ kurzen Halbwertszeit eigentlich schon von der Erde verschwunden waren. Jedes Kernkraftwerk gibt im routinemäßigen Betrieb kleine Mengen solcher radioaktiven Stoffe in die Umwelt ab; solche Ableitungen werden intensiv geprüft und erst dann genehmigt, wenn dadurch keine Auswirkungen auf die Umwelt erwartet werden. Im Gegensatz dazu können bei einem Super-GAU, wie es in den Anlagen in Tschernobyl 1986 oder Fukushima 2011 passiert ist, innerhalb kurzer Zeit große Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt werden und großflächige Kontaminationen hervorrufen.

Die ionisierende Strahlung kann lebende Organismen beeinträchtigen, etwa indem die Erbsubstanz DNA geschädigt wird und es infolgedessen zu Krebs oder anderen – bei starker Strahlenexposition auch tödlichen – Erkrankungen kommen kann. Zwar haben Lebewesen im Laufe der Evolution zelluläre Reparaturmechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichen, die schädlichen Auswirkung von Strahlung bis zu eine gewissen Grade abzupuffern, aber bei starker Exposition werden diese natürlichen Systeme überfordert.

Durch die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl gelangten mehrere Trillionen Becquerel (1 Becquerel entspricht einem Zerfall eines Radioisotops, z.B. Iod-131, pro Sekunde) in die Atmosphäre. Die radioaktiven Stoffe breiteten sich durch Windströmungen aus und gingen durch Niederschläge über weite Teile Mitteleuropas sowie die Ost- und Nordsee nieder. Radioaktivität im Meer hat aber auch andere Ursachen, zum Beispiel der Fallout von Kernwaffenversuchen der 1950er und 1960er Jahre oder auch Einleitungen der nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield (England) oder La Hague (Frankreich).  

Durch die EURATOM-Verträge von 1957 wurde in ganz Europa ein Netz von Einrichtungen aufgebaut, um radioaktive Stoffe in verschiedenen Umweltmedien zu überwachen; so auch in Deutschland. Als Folge des Tschernobyl-Unglücks wurden in der Bundesrepublik Leitstellen zur großräumigen Überwachung der Umweltradioaktivität eingerichtet und ihre Arbeit gesetzlich verankert. Eine dieser Leitstellen befindet sich im Thünen-Institut für Fischereiökologie. Sie hat den Auftrag, den Gehalt an radioaktiven Stoffen in Meeresorganismen wie Fischen, Garnelen und Meereswasserpflanzen in der Nord- und Ostsee regelmäßig zu überprüfen. Weitere Leitstellen erfassen radioaktive Stoffe in anderen Umweltbereichen wie Luft, Boden oder Meerwasser, sodass sich in der Zusammenschau ein umfassendes Lagebild ergibt.


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