Expertise
MSRL und der „gute Umweltzustand“
Ulrike Kammann | 2021
Die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL): Was ist eigentlich ihr Ziel und welche Rolle spielt das Thünen-Institut dabei?
Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie – kurz MSRL – ist ein europäisches Regelwerk zum Schutz der Meere. Übergeordnetes Ziel dieser 2008 in Kraft getretenen Richtlinie ist, den „guten Umweltzustand“ in den Meeren Europas zu erreichen. Aber was ist der gute Umweltzustand? Die Richtlinie gibt elf Themenbereiche – die Deskriptoren – vor, die bei der Beurteilung des Umweltzustands zu berücksichtigen sind:
- D1 Biologische Vielfalt
- D2 Nicht einheimische Arten
- D3 Fischerei
- D4 Stabilität der Nahrungsnetze
- D5 Eutrophierung der Meere
- D6 Integrität des Meeresgrundes
- D7 Hydrografische Bedingungen
- D8 Schadstoffe im Meer
- D9 Schadstoffe in Meeresfrüchten für den menschlichen Verzehr
- D10 Müll im Meer
- D11 Lärm- und Energieeinleitungen
Ein Verdienst der MSRL ist es, dass sie hier auch relativ neue Problemfelder wie Lärm und Müll im Meer anspricht. Die Nennung in der Liste der MSRL-Deskriptoren hat diese Themen stärker ins Blickfeld der europäischen Forschung gerückt.
Eine weitere Vorgabe dieser Richtlinie ist der ökosystembasierte Ansatz und die integrierte Betrachtung der Ergebnisse. Damit ist gemeint, dass aus den verschiedenen Eingangsdaten im Idealfall eine einzige Antwort destilliert werden soll, die dann den Umweltzustand beschreibt. Im Unterschied zur verwandten Wasserrahmenrichtlinie verzichtet die MSRL auf ein Klassensystem bei der Beschreibung des Zustands. Vielmehr konzentriert sie sich auf den Unterschied zwischen „gut“ und „nicht gut“.
Wie macht man aus den vielen verschiedenen Überwachungsdaten eine übergreifende Umweltbewertung? Die MSRL gibt zwar das Ziel vor – den „guten Umweltzustand in allen Meeren Europas“ – und definiert einige Randbedingungen, aber den Weg der Daten-Integration lässt sie offen. Die internationale Gemeinschaft hat sich mittlerweile auf ein Vorgehen geeinigt. Führende Expert*innen – auch aus dem Thünen-Institut – entscheiden, welche Indikatoren (zum Beispiel Quecksilber im Fisch) unter den elf Deskriptoren berücksichtigt werden sollen und passen die Liste regelmäßig an.
Für einige Indikatoren haben Expert*innen aus Deutschland die Führungsrolle übernommen. Für jeden Indikator muss ein Schwellenwert definiert werden, der die Grenze zwischen „gutem“ und „nicht mehr gutem“ Umweltzustand markiert. Für die Diskussion von Schwellenwerten braucht man u.a. eine breite Datengrundlage, zu der auch das Thünen-Institut einen Beitrag leistet.
Konkret haben wir einen Fischkrankheiten-Index entwickelt, der verschiedene Krankheiten und Parasiten in Meeresfischen integriert.
Thünen und die MSRL
Wir erarbeiten zusammen mit Fachleuten aus Deutschland und anderen Ländern Europas die Bausteine für die MSRL. In unseren drei Instituten für Seefischerei, Ostseefischerei und Fischereiökologie sind wir kompetent für mehrere der elf MSRL-Deskriptoren sowie für zahlreiche Unterthemen, den Indikatoren. Deshalb ist hier die Zusammenarbeit nicht nur mit externen Partnern, sondern auch zwischen den drei Fachinstituten sehr eng.
Zum Teil erheben wir seit über 20 Jahren entsprechende Monitoringdaten. Wir melden diese Daten regelmäßig an nationale und internationale Datenbanken, damit unsere Messwerte in die nationalen und internationalen Bewertungen eingehen. Wir arbeiten aktiv mit an der Erstellung der aktuellen Umweltbewertung in Deutschland. Auch deshalb sind unsere Wissenschaftler*innen in nationalen und internationalen Gremien zur MSRL gefragt.
Aktuelle Umweltbewertungen aus Deutschland sind auf dieser Seite zu finden:
https://www.meeresschutz.info/berichte-art-8-10.html
Deutsche Meeresumweltdatenbank MUDAB:
https://geoportal.bafg.de/MUDABAnwendung/