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Expertise

Biomasseaufschluss und Pyrolyseverfahren

Ralph Lehnen | 27.05.2022


AT Institut für Agrartechnologie
HF Institut für Holzforschung

Wir arbeiten daran, nachwachsende Rohstoffe möglichst vollständig für die Erzeugung von Plattform-Chemikalien und Energie zu nutzen. Dafür sind chemische, enzymatische und thermochemische Aufschlussverfahren von zentraler Bedeutung.

Aus unseren land- und forstwirtschaftlichen Roh- und Reststoffen (Stroh, Ernterückstände, Waldholz, Kurzumtriebs- und Schwachholz, Rinde) können nahezu alle chemischen Produkte hergestellt werden, die heute auf fossilen Rohstoffen basieren. In Bioraffinerien – Anlagen zur Umwandlung der nachwachsenden Rohstoffe in chemische Produkte – laufen diese Prozesse stufenweise in zum Teil hochintegrierten Verfahren ab.

Der grundlegende erste Schritt ist der Aufschluss der Biomasse, auch Primärraffination genannt. Hier werden durch chemisch-physikalische Behandlungen und Aufbereitungsprozesse die Rohstoffe in die Hauptbestandteile (z.B. Cellulose, Hemicellulose, Lignin und Extraktstoffe) aufgetrennt und in Ausgangsverbindungen für die Folgeprozesse (z.B. freie Zucker oder Pyrolyseöle) gespalten. Diese Grundprodukte können anschließend zu einer Vielzahl von chemischen Grundstoffen (z.B. Alkohole, Säuren, Phenole, Aromaten) umgewandelt werden.

Für die Trennung und Spaltung der Rohstoffbestandteile werden physikalische, chemische und biotechnische Technologien eingesetzt. Die klassischen Verfahren wie Dampfdruckaufschluss und Säurehydrolyse sind jedoch nicht effizient genug, zudem lassen sie sich nicht universell auf alle unsere Roh- und Reststoffe übertragen. Daher werden zurzeit weltweit Alternativen erforscht. Für die Trennung der Hauptbestandteile sind dies zum Beispiel Aufschlüsse mit heißem Wasser (Hydrothermolyse) oder organischen Lösungsmitteln (Ethanol, Amine). Für die Spaltung der Kohlenhydrat-Bestandteile in freie Zucker kommen neben der klassischen Säurehydrolyse auch enzymatische Verfahren in Frage.
 

Aufschluss von Lignocellulosen

Wir passen die klassischen Methoden spezifisch an neue Rohstoffe an und entwickeln alternative Prozesse. Unser Ziel ist eine möglichst effiziente Primärraffination, die die vollständige Nutzung aller Roh- und Reststoffbestandteile möglich macht. Am Thünen-Institut für Holzforschung werden Aufschlussprozesse für eine stoffliche Nutzung von Lignocellulosen untersucht und entwickelt. Wertvolle Bausteine verholzender Pflanzen wie Cellulose, Hemicellulosen, Lignin und Inhaltstoffe werden gewonnen und können entweder direkt in optimierten Prozessketten genutzt oder für Produkte mit hoher Wertschöpfung veredelt werden.

Im Thünen-Institut für Agrartechnologie liegt der Forschungsschwerpunkt auf der Verzuckerung von agrarischen Reststoffen – das sind zum Beispiel Ernterückstände wie Stroh und Kaff oder Reste aus der Lebensmittelindustrie wie Trester aus der Saft- oder Weinproduktion. Die gewonnenen monomeren Kohlenhydrate werden anschließend bevorzugt in biotechnischen Prozessen als Rohstoff eingesetzt. 

Thermochemische Verfahren

Mit Verfahren zur thermochemischen Direktverflüssigung (Flash-Pyrolyse, hydrothermale Umsetzung) wird die Lignocellulose in einem Schritt zunächst in ein überwiegend flüssiges Rohprodukt überführt. Dieses steht entweder direkt oder nach weiteren Veredelungsstufen als Erdölersatz für die Produktion von biobasierten Grundchemikalien oder auch Kraftstoffen zur Verfügung. Diese Untersuchungen werden am Thünen-Institut für Holzforschung durchgeführt.

Von besonderem Interesse ist die Kombination chemischer und thermochemischer Verfahrenswege. Damit lassen sich Pflanzen inklusive aller Reststoffe im Rahmen von Bioraffinerien vollständig nutzen. Hierbei wird beispielsweise das aus dem Aufschluss stammende Lignin thermochemisch verflüssigt. Die hierzu am Thünen-Institut durchgeführten Forschungsarbeiten tragen dazu bei, Ressourcen zu schonen. Langfristig sollen sie die Entwicklung von nachhaltigen Wirtschaftsformen fördern.

Service zum Download

  • Pilotprojekt Lignocellulose-Bioraffinerie Schlussbericht Im Rahmen des Projektes wurden am Thünen-Institut für Holzforschung in Kooperation mit dem Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg sowie weiteren Partnern aus Wissenschaft und Industrie die wissenschaftlich-technischen Grundlagen für die Entwicklung eines kontinuierlichen Prozesses zum Aufschluss von lignocellulosehaltigen Rohstoffen (Buche und Pappel) gelegt. Der innovative Ansatz des Konzepts besteht darin, alle enthaltenen Komponenten (Extraktstoffe, Cellulose, Hemicellulose, Lignin) gleichrangig nutzen zu können. Darin unterscheidet es sich von den traditionellen Verfahren zur Holzhydrolyse und Zellstoffgewinnung.
  • Artikel aus "Wissenschaft erleben" 2019/2Aus Holz wird Öl: Flüssige Zwischenprodukte mit Mehrwert
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