Expertise
Ökologische Hühnerhaltung
Lisa Baldinger | 01.06.2022
In der ökologischen Hühnerhaltung werden Eier und Hühnerfleisch produziert. Diese beiden Produktionszweige sind bei Einsatz von spezialisierten Rassen voneinander unabhängig und daher meist getrennt anzutreffen. Daneben existieren aber auch Betriebe, die z.B. eigene Junghennen aufziehen, zusätzlich zur Eierproduktion auch mästen oder Zweinutzungshühner halten, die sich sowohl für Eier- als auch Fleischproduktion eignen.
Kleinere Eier-Produzenten (3 bis 10.000 Hennenplätze) vermarkten meist in den lokalen Naturkosthandel, über Abo-Kisten oder direkt, während große Betriebe (10.000 bis 30.000 Hennenplätze) wie ihre konventionellen Kollegen überwiegend an den Großhandel oder Lebensmitteleinzelhändler verkaufen.
Die EU-Öko-Verordnung 2018/848 verlangt den Einsatz von Tieren, die an ihre Haltungsumwelt angepasst sind, und empfiehlt, einheimischen Rassen oder Linien den Vorzug zu geben (Europäische Kommission 2018, Absatz 40). Allerdings hat die Hühnerzucht des 20. und 21. Jahrhunderts einen intensiven Konzentrationsprozess durchlaufen, als dessen Resultat heute wenige global agierende Zuchtunternehmen den Markt beherrschen.
Die Züchtung ist überwiegend auf konventionelle Haltungssysteme ausgerichtet, da der Marktanteil der Öko-Hühnerhaltung auch in Deutschland vergleichsweise klein ist. Daher werden auch auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben überwiegend kommerzielle Hybridherkünfte gehalten, die auf Lege- oder Mastleistung spezialisiert sind. Daneben existiert die Nische der Zweinutzungshühner, die sowohl aus kommerzieller wie auch unabhängiger Züchtung stammen, und eine Alternative zum Einsatz spezialisierter Rassen darstellen.
Die ökologische Tierhaltung erfolgt flächengebunden. Das bedeutet, dass die Anzahl an Tieren je Hektar (ha) derart begrenzt ist, dass durch die Tierhaltung nicht mehr als 170 kg Stickstoff je ha und Jahr anfallen. Für Hühner bedeutet dies eine Obergrenze von 230 Legehennen oder 580 Masthühner je ha.
Auf Ebene der deutschen Bio-Produktionsverbände sind diese Obergrenzen sogar noch niedriger angesetzt. So erlaubt etwa Bioland nur 140 Legehennen oder 280 Masthühner je ha, um zusätzlich zur Begrenzung des Stickstoffeintrags auch noch die Versorgung der Tiere mit betriebseigenem Futter zu fördern.
Grundsätzlich kann sowohl für Legehennen als auch für Masthühner zwischen zwei Haltungssystemen unterschieden werden: dem Feststall mit angeschlossenem Wintergarten und Grünauslauf, und dem Mobilstall mit Grünauslauf und optionalem Wintergarten. Weil ein Mobilstall immer wieder versetzt wird, eignet sich dieses Haltungssystem für kleine und mittlere Bestände (200 bis 2000 Legehennen), während im Feststall auch größere Herden bis zur erlaubten Obergrenze von 3000 Hennen bzw. 4800 Masthühner je Stall untergebracht werden können.
Bei der Inneneinrichtung der Ställe, egal ob fest oder mobil, unterscheidet man in der Legehennenhaltung zwischen Boden- und Volierenhaltung, während Masthühner praktisch ausschließlich in Bodenhaltung gemästet werden. In der Bodenhaltung bewegen sich die Tiere auf einer Ebene, die entsprechend eingestreut ist. Eine Voliere hingegen ist eine Konstruktion aus mehreren Ebenen, wobei auf allen Ebenen Wasser, Futter und Sitzstangen angeboten werden. In der Voliere selbst gibt es keine Einstreu, den Hennen steht zusätzlich aber ein eingestreuter Scharbereich zur Verfügung.
Der Zugang zu Grünauslauf ist für alle Hühner vorgeschrieben, und darf nur in Ausnahmefällen, z.B. bei extremen Wetterbedingungen oder auf Anordnung des Tierarztes, entfallen. Die nachfolgende Tabelle zeigt das vorgeschriebene Platzangebot:
Stallfläche, Tiere bzw. kg Lebendmasse je m2 | Sitzstange, cm je Tier | Auslauf, Tiere je m2 | ||
---|---|---|---|---|
Feststall | Mobilstall | |||
Legehenne | 6 Tiere | 18 | 4 | 4 |
Masthuhn | 21 kg | 5 | 4 | 2,5 |
Junghenne oder Bruderhahn | 21 kg | 10 | 1 | 1 |
Die Fütterung von Öko-Hühnern soll mit ökologischem Futter erfolgen, welches soweit wie möglich vom eigenen Betrieb stammt. Neben der Deckung des Nährstoffbedarfs sind in der Fütterung immer auch die Bedürfnisse der Tiere hinsichtlich ihres Verhaltens zu beobachten, dies betrifft für Hühner insbesondere deren hohe Motivation zur Suche nach Futter mittels Scharren und Picken. Für Legehennen schreiben die deutschen Öko-Verbände vor, dass 10 % der täglichen Futtergabe als ganze Körner in die Einstreu gestreut werden. Dadurch werden die Hennen zur Futtersuche motiviert und können ihr angeborenes Verhalten ausleben. Die Futtermischung von Masthühnern wiederum muss zu zwei Drittel aus Getreide, Eiweißpflanzen und Ölsaaten bestehen.
Auch das Angebot von Raufutter an Hühner ist vorgeschrieben, obwohl diese für Hühner nur eine geringe Verdaulichkeit aufweisen und daher nur begrenzt zur Nährstoffversorgung beitragen. Allerdings bieten Komponenten wie Weidegras, Silage oder Heu interessante Beschäftigung für die Tiere und beugen dadurch Verhaltensstörungen vor, unterstützen die Verdauung (Säure aus Silage) oder tragen zur Versorgung mit Vitaminen bei. Daher sind auch diese auf den ersten Blick wenig nährstoffarmen Futtermittel wertvoller Bestandteil einer tiergerechten Ernährung.
Die Versorgung von Hühnern mit Energie aus Getreide ist zumeist einfach aus dem betriebseigenen Anbau zu gewährleisten. Allerdings besteht eine besondere Herausforderung in der Versorgung von Hühnern mit essentiellen Aminosäuren, welche als Eiweißbestandteile unverzichtbarer Baustein der Körnersubstanz und der Produkte Hühnerfleisch und Ei sind. Die erstlimitierende, also die Leistung begrenzende Aminosäure für Hühner ist das Methionin, welches leider nicht in ausreichendem Maße in heimischen, eiweißreichen Körnerleguminosen wie Erbsen oder Ackerbohnen vorliegt.
Deshalb müssen in den meisten Betrieben Futterkomponenten zugekauft werden. Beispiele sind Presskuchen aus der Soja-, Raps- und Sonnenblumenöl-Erzeugung, Klebereiweiß aus der Getreideverarbeitung und Bierhefe. Da die flächendeckende Versorgung mit diesen hochwertigen Futtermitteln aus Ökoproduktion noch nicht zu 100 % möglich ist, besteht eine bis zum 31.12.2025 befristete Ausnahmeregelung, die den Einsatz von 5 % eiweißreichen Futtermitteln nicht-ökologischer Herkunft in der Fütterung von Junggeflügel erlaubt. Zumeist handelt es sich dabei um Maiskleber oder Bierhefe. Die Fütterung der Legehennen basiert seit 1.1.2022 auf 100 % ökologischen Komponenten.
Wie für alle ökologisch gehaltenen Tier unterliegt der Einsatz von Arzneimitteln, insbesondere Antibiotika, bei Hühnern strengen Regelungen. Nach dem Vorsorgeprinzip durchlaufen insbesondere Legehennen während ihrer Aufzucht dasselbe umfangreiche Impfprogramm wie ihre konventionell gehaltenen Artgenossinnen, um Krankheiten während der Legeperiode so gut wie möglich vorzubeugen.
Auch Masthühner werden gegen einzelne Krankheiten geimpft. Im Falle einer Erkrankung erfolgt die Behandlung von Hühnern üblicherweise auf Herdenbasis. Dabei wird so weit wie möglich auf Mittel zurückgegriffen, die über das Trinkwasser oder über die Luft als Spray verabreicht werden können.
Gesundheit, also die Freiheit von Krankheit, und der Zugang zu Wasser, Futter und Schutz bilden die Basis für hohes Tierwohl. Darüber hinaus beinhaltet eine Tierwohl-orientierte Haltung auch das Bemühen, Tieren das Ausleben ihres Normalverhaltens zu ermöglichen, also Bewegung, Sozial- und Erkundungsverhalten.
Die weiter oben beschriebenen Vorschriften für die ökologische Hühnerhaltung dienen diesem Ziel. Sie umfassen eine sowohl im Stall als auch im Grünauslauf anregende Haltungsumwelt, die Raum für Bewegung und Interaktion mit Artgenossen, wechselnde Umweltreize und Substrate zur Erkundung bietet.
Zu guter Letzt beinhaltet ein guter Tierwohlstatus auch das Erleben positiver Emotionen und die Vermeidung von Schmerzen und Leiden. Daher ist das Schnabelkupieren in der ökologischen Hühnerhaltung verboten.
Die seit 01.01.2022 auf 100 % ökologischen Komponenten basierende Fütterung der Legehennen stellt eine Herausforderung für die Branche dar, da hochqualitative Komponenten aus Öko-Produktion knapp sind. Mittels Rationsoptimierung auf Basis der verfügbaren Futtermittel, Anregung der Hennen zu einer hohen Futteraufnahme und technischen Maßnahmen im Stall um die Futtervorlage zu optimieren wird dieser Herausforderung begegnet. Mittelfristig ist zu hoffen dass das Angebot an Komponenten wie Sojakuchen, Kartoffelweiß und Maiskleber aus ökologischer Produktion sich der erhöhten Nachfrage anpasst.
Ebenfalls seit 01.01.2022 ist die Tötung männlicher Eintagsküken von Legelinien in Deutschland verboten. Aufgrund der genetischen Unvereinbarkeit von Mast- und Legeleistung ist es nicht möglich, dass eine einzelne Herkunft in beiden Bereichen eine hohe Effizienz erreicht. Daher eignen sich männliche Küken von auf Legeleistung gezüchteten Rassen nicht für die Mast, und wurden bis vor kurzem überwiegend bereits nach dem Schlupf getötet. Deutschland ist mit dem Tötungsverbot europäischer Vorreiter, und befindet sich nun in einer Umstellungsphase. Alternativen zur Kükentötung sind die Geschlechtsbestimmung im Ei, die Bruderhahnhmast und die Haltung von Zweinutzungshühnern. Seit einigen Jahren bereits laufen Züchtungsinitiativen im Bereich der Zweinutzungshühner, und auch am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau wird zu dem Thema gearbeitet (bspw. im Projekt "PPILOW").