Interview
Ist Bio besser?
Tobias Löser mit Gerold Rahmann (forschungsfelder 2/2018)
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Gerold Rahmann, Leiter des Thünen-Instituts für Ökologischen Landbau, über Bio-Produkte und die Professionalisierung von Öko-Bauern.
Viele Menschen kaufen Bio-Produkte, um ihrer Gesundheit Gutes zu tun. Zu Recht?
Konsumenten von Bio-Produkten haben ein höheres Ernährungsbewusstsein. Bei ihnen kommt mehr Gemüse, weniger Fleisch, weniger Verarbeitetes auf den Tisch. Insofern lässt sich sagen: Bio isst gesünder – mit zwei „s“! Ernährungsphysiologisch schneidet der Bio-Apfel jedoch nicht besser ab als der konventionell erzeugte. Auch Geschmack und Aussehen sind ähnlich. Das spricht für die große Kunst des Ökolandbaus!
Inwiefern?
Noch in den 90er-Jahren hieß es: Wer seine Kühe über einen Öko-Acker treibt, richtet keinen Flurschaden an – weil da sowieso kaum was wächst. Es zeugt vom Können des Ökolandbaus, dass er heute Produkte hervorbringt, die so groß und schön sind wie konventionell erzeugte. Mit „Doping“ – also unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden – eine gute Ernte einzufahren, ist leicht. Öko-Bauern müssen viel besser um die natürlichen Prozesse Bescheid wissen.
Ökologische Landwirtschaft ist also die anspruchsvollere Kunst?
Ja, und um diese Kunst zu erlernen, braucht es Zeit. Nach fünf Jahren sollte ich merken, ob ich es kann und mag. Nach weiteren fünf Jahren sollte mein System stabil sein und ordentliche Erträge abwerfen.
Einige geben früher auf und sagen: Bio geht nicht.
Für manche passt es eben, für andere nicht. Mir ist ein guter konventioneller Bauer lieber als ein schlechter Öko-Bauer.
Wenn Öko-Landwirtschaft so viel anspruchsvoller ist, könnte die konventionelle doch eine Menge von ihr lernen.
Das tut sie längst – und umgekehrt. Auch die Ökobauern haben erkannt, dass ihre konventionellen Kollegen vieles richtig machen: Maschinen sind nicht böse, gute Vermarktungsstrukturen sind hilfreich, Geldverdienen ist erlaubt! Es bleibt aber noch eine Menge zu tun. Die ökologische Landwirtschaft hat nach wie vor Probleme mit den Erträgen und Kosten. Wenn ein Bio-Bauer bei sich zu Hause nicht die eigene Wurst auf den Tisch stellt, weil ihm die zu teuer ist, dann läuft etwas falsch.
Warum sind gerade tierische Bio-Produkte so viel teurer als konventionelle?
Weil es sehr anspruchsvoll ist, mit wenigen Hilfsmittel gut zu wirtschaften. Die Vorstellung, dass es dem Tier schon gut geht, wenn es Stroh und frische Luft bekommt, ist abwegig. Draußen lauert die Gefahr: Das Huhn wird vom Habicht geholt, das Kalb fängt sich Parasiten ein, das Schwein bekommt Sonnenbrand. Bei der ökologischen Tierhaltung kommt es besonders auf die drei „H“ an: Hirn, Hand und Herz.
Das müssen Sie erklären.
Öko-Tierhalter müssen sehr viel wissen und können – dafür stehen Hirn und Hand. Und sie müssen mit dem Herzen bei der Sache sein. Bedeutet zum Beispiel: Auch wenn mein Tag richtig anstrengend war, lege ich abends noch einen zusätzlichen Kontrollgang ein und versuche jedem einzelnen Tier gerecht zu werden. Das ist herausfordernd und verlangt auch nach guter Beratung. Leider tun sich manche Bauern schwer damit, diese anzunehmen, weil sie glauben: Wer Beratung braucht, kann es nicht.
Was lässt sich dagegen tun?
Wir machen tolle Erfahrungen mit unseren Farmer Schools, die nach dem Prinzip „Bauern lernen von Bauern“ funktionieren: Begleitet von einem Berater besuchen sich die Bauern gegenseitig auf ihren Höfen, sprechen über Probleme, geben sich Tipps. Am Ende geben alle ein Versprechen ab: Okay, wenn wir uns nächstes Jahr hier wiedertreffen, werden wir dies und jenes versucht haben. Das wird auch meistens eingehalten, unter Kollegen ist das Ehrensache.
Wie viel Bio kommt bei Ihnen selbst auf den Tisch?
100 Prozent, obwohl ich weiß, dass es nicht gesünder ist und ich jedes Mal erschüttert bin, wenn ich mich in einen Discounter verirre und sehe, wie billig konventionelle Ware ist. Aber Bio ist seinen Preis wert!