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Expertise

Neue Pflanzenbausysteme mit autonomen Landmaschinen

Thomas de Witte | 02.05.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Die rapide Entwicklung bei der Automatisierung und Digitalisierung eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Kulturpflanzen auf Äckern anzubauen und zu ernten. Welche Szenarien kommen infrage und welche Potenziale zeichnen sich ab? Das ist in einem Verbundprojekt mit Beteiligung des Thünen-Instituts näher untersucht worden. 

In den letzten Jahrzehnten haben sich in den ackerbaulichen Verfahrensketten immer größere und leistungsfähigere Landmaschinen etabliert. Haupttreiber dieser Entwicklung ist der Kostenvorteil, der sich beim Einsatz größerer Maschinen insbesondere im Bereich der Lohnkosten ergibt. Die Tendenz hin zu immer größeren Maschinen hat jedoch auch negative Begleiterscheinungen, beispielsweise zunehmende Bodenverdichtung und abnehmende Biodiversität.

Gleichzeitig bietet der technische Fortschritt im Bereich der Automatisierung und Digitalisierung die Möglichkeit, völlig andere Pflanzenbausysteme auf Basis autonomer Kleinmaschinen zu entwickeln, in denen unterschiedliche Pflanzen kleinräumig kombiniert werden und diese spezifisch nach ihrem Bedarf behandelt werden. Auf diese Weise – so die Idee – könnten natürliche Synergieeffekte zwischen Pflanzen wesentlich stärker genutzt, Ressourcen effizienter verteilt und negative Umwelteffekte reduziert werden. Allerdings ist nicht sicher, dass sich autonome Kleinmaschinen im Zuge der Automatisierung im Ackerbau durchsetzen. Es sind verschiedene Entwicklungspfade denkbar,  die von autonomen Kleinmaschinen bis hin zu autonomen Großmaschinen oder der Kombinationen aus beiden reichen.

Welcher Pfad letztlich beschritten wird, ist noch offen. Daher hat das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft mit dem Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der TU Braunschweig sowie dem Julius Kühn-Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz in einem gemeinsamen Projekt  Entwicklungsszenarien künftiger Pflanzenbausysteme auf Basis autonomer Landmaschinen entwickelt und die künftigen Potenziale bewertet.

Im Szenario mit autonomen Großmaschinen ergaben sich sowohl ökonomisch als auch pflanzenbaulich nur marginale Verbesserungen im Vergleich zu heutigen Verfahren. Ein Vergleich der Arbeitserledigungskosten von sehr großen gegenüber kleinen Maschinenkombinationen für die Getreideernte und Bodenbearbeitung zeigt, dass Kleinmaschinen ohne die Berücksichtigung von Lohnkosten zumindest für weniger kapitalintensive Verfahren wie der Bodenbearbeitung oder Aussaat künftig wettbewerbsfähig werden können. Die Kalkulation der Ergebnisse ist im Journal für Kulturpflanzen veröffentlicht. Die Ernte hingegen ist mit Kleinmaschinen in derzeitigen Maschinenkonzepten jedoch auch ohne Lohnkosten nicht wettbewerbsfähig.

Die erhofften pflanzenbaulichen Potenziale aus einer kleinräumigen Kombination unterschiedlicher Pflanzen werden aber nur zu realisieren sein, wenn Maschinen verfügbar sind, mit denen sich die in der Fläche kombinierten Pflanzenarten zu jeweils unterschiedlichen Pflege- und Erntezeitpunkten ansteuern lassen. Dies wird nur möglich sein, wenn annähernd alle Arbeitsgänge, insbesondere die Ernte, von Kleinmaschinen durchgeführt werden. Daher wurde für die Weizenproduktion ein autonomes Kleintechnikszenario konzipiert. Mit dem Ziel, Kostensenkungspotenziale zu realisieren, wurde für die Verfahrensschritte Ernte und Bodenbearbeitung, die sehr energieintensiv sind und damit eine hohe Akkukapazität benötigen, ein modulares Roboterkonzept entwickelt. Die Pflegearbeiten wurden in einem Kleinstroboter-Konzept umgesetzt. Um die Ernte mit Kleinmaschinen darstellen zu können, wurden die in heutigen Mähdreschern zusammengefassten Prozesse „Ernten und Ausdreschen“, „Stroh scheiden“, „Stroh häckseln“ und „Stroh verteilen“ entkoppelt. Die Kleinroboter schneiden auf dem Feld lediglich die Ähre ab, während spezielle Transportroboter die Ähren in Transportboxen an den Feldrand transportieren und in einen Anhänger überladen. Der Drusch erfolgt stationär auf dem Hof.

Kleinmaschinen haben Potenzial, den Pflanzenbau zu revolutionieren

Insgesamt konnte mit dem Szenario gezeigt werden, dass ein Pflanzenbausystem auf Basis autonomer Kleinmaschinen grundsätzlich möglich erscheint und das Potenzial hat, die bisherigen Pflanzenbausysteme völlig zu verändern. Dabei bietet sich die Chance, ein Ackerbausystem mit weniger negativen Einflüssen auf die Umwelt zu etablieren. Die Chancen liegen weniger in möglichen Kosteneinsparungen, sondern vor allem in der Möglichkeit, Pflanzen kleinräumig zu variieren und miteinander zu kombinieren.

In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise zu den ökologischen Vorteilen einer höheren Biodiversität auf dem Acker. Allerdings existieren nur wenige Arbeiten, in denen auf Basis von Versuchen konkrete Aussagen zu ackerbaulichen Vorteilen und Ertragseffekten gemacht werden. Hinzu kommt, dass die durchgeführten Versuche in der Regel mit eher exotischen Kulturen gemacht wurden und nicht mit den Hauptackerkulturen. Hier herrscht erheblicher Forschungsbedarf, wenn die skizzierte Vision Wirklichkeit werden soll.

Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit liegen die höchsten Hürden derzeit in den Kosten für die exakte Navigation (RTK-Lizenzen, Sensor) sowie für die Kommunikation und Batterietechnik. Hier ist künftig jedoch ein großes Kostensenkungspotenzial zu erwarten. Weitere Ergebnisse  sind im Projekt-Abschlussbericht und im Journal für Kulturpflanzen zu finden.

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