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Interview

Eschentriebsterben: „Möglicherweise ein einziger Fruchtkörper…“

Heino Polley mit Ben Bubner (Wissenschaft erleben 2021/1)


FG Institut für Forstgenetik

Noch ist die Gemeine Esche eine der häufigsten Laubbaumarten in Deutschland und liefert hochwertiges Holz. Doch ein Pilz ist zur existenziellen Bedrohung für diese Baumart in ganz Europa geworden. Ben Bubner vom Thünen-Institut für Forstgenetik geht der Frage nach, wie die Esche gerettet werden kann.

Seit 20 Jahren ungefähr wird in Deutschland das Eschentriebsterben beobachtet. Was ist da passiert?

Da ist ein Pilz aus dem Fernen Osten nach Europa eingeschleppt worden. Das Falsche Weiße Stängelbecherchen wächst dort, ohne Schaden anzurichten, auf der Mandschurischen Esche. Bei uns ist er auf die einheimische Esche übergegangen und führt zum Absterben der Bäume. In Deutschland hat er sich von 2002 bis 2008 aus Mecklenburg-Vorpommern bis nach Süddeutschland sehr schnell verbreitet.

Auf welchem Wege wurde der Erreger eingeschleppt?

Das ist nicht genau bekannt. Irgendwie ist mal krankes Pflanzenmaterial aus Asien zu uns gekommen – sei es über Handel, über eine Baumschule oder über einen botanischen Garten. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass es nur zwei Haplotypen waren, die ursprünglich eingeführt worden sind. Das bedeutet, dass möglicherweise ein einziger Fruchtkörper das Eschentriebsterben in Europa ausgelöst hat.

Wie wird es mit der Esche weitergehen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden?

Ein Großteil der erwachsenen Eschen wird wohl absterben und es ist zu befürchten, dass die Esche als Forstbaumart ausfällt. Aber sie wird nicht ganz aussterben, weil z.B. bei einzeln stehenden Parkbäumen der Infektionsdruck nicht so hoch ist wie im Wald.

Warum ist dieser Pilz bei uns so aggressiv, wo er doch in seinem asiatischen Herkunftsgebiet offenbar harmlos ist?

Der Unterschied ist, dass der Pilz auf der Mandschurischen Esche nur die Blätter befällt. Bei der heimischen Gemeinen Esche hingegen dringt der Pilz von den Blättern über den Blattstiel in den Trieb ein. Und dort führt der Pilz zum Absterben des Kambiums, dem lebenden Gewebe unter der Rinde. Als Folge vertrocknen die Triebe.

Welche Gegenmaßnahmen sind besonders aussichtsreich?

Ein aussichtsreicher Weg basiert auf der Beobachtung, dass in stark befallenen Beständen immer wieder Bäume auftreten, die gesund bleiben. Und wir vermuten, dass diese Resistenz erblich bedingt ist. Deshalb haben wir resistente Eschen selektiert, durch Pfropfung vermehrt und in Samenplantagen gepflanzt. Und die Hoffnung ist, dass diese Bäume dann Saatgut mit erhöhter Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben produzieren.

Gibt es neben der genetischen Resistenz noch andere Ansätze zur Bekämpfung der Krankheit?

Ja, wir beobachten zum Beispiel, dass das Zusammenleben eines großen Organismus mit seinen Mikroorganismen – wir nennen es das Mikrobiom – zu einer gewissen Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress führt. In einem Forschungsprojekt haben wir auf toleranten Bäumen andere Mikroorganismen gefunden als auf anfälligen. Und dann haben wir nachgewiesen, dass bestimmte Mikroorganismen von den toleranten Bäumen das Wachstum des Schaderregers hemmen. Eine mögliche Anwendung wäre eine Tinktur mit diesen Mikroorganismen, in die die Sämlinge in der Baumschule eingetunkt werden.

Könnte man die Abwehrkraft der Bäume auch durch eine Impfung stärken?

Eine klassische Impfung ist bei Bäumen nicht möglich, denn sie haben ja kein Immunsystem. Aber wir forschen an einem Prozess, der als Priming, Prägung, bezeichnet wird. Dabei wird ein junger Baum Reizen ausgesetzt, die zu chemischen oder epigenetischen Änderungen führen, die es dem Baum ermöglichen, bei einem späteren Befall seine Verteidigungsmechanismen schneller zu aktivieren. Im Gegensatz zu einer Immunisierung ist dieser Reiz nicht der Schaderreger selber, sondern ein anderer Mikroorganismus oder ein chemischer Stoff. So ist die Entwicklung einer Art Beize denkbar, die in der Baumschule angewendet wird.

Warum setzt man keine herkömmlichen Fungizide gegen diesen Pilz ein?

Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass durch Pilze verursachte Baumkrankheiten im Wald praktisch nicht durch Fungizide bekämpft werden können. Und deswegen stand diese Methode niemals zur Debatte.

Warum holt man nicht einfach die Mandschurische Esche nach Deutschland?

In allererster Linie wollen wir ja unsere heimische Esche Fraxinus excelsior retten und eben nicht durch eine andere Baumart ersetzen. Denkbar wären auch Kreuzungen zwischen der Mandschurischen und der heimischen Esche. Das wird aber aus Naturschutzgründen im Moment nicht gemacht. Das wäre eine Alternativstrategie, wenn die Gemeine Esche anders nicht erhalten werden kann.

Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?

Einen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel sehe ich nicht. Es besteht eher ein Zusammenhang mit der Globalisierung.

Wann könnten resistente Eschen in bedarfsgerechten Mengen zur Verfügung stehen?

Die erste Samenplantage mit Herkünften aus Mecklenburg-Vorpommern ist fast vollständig gepflanzt. In den nächsten drei Jahren werden weitere Samenplantagen mit resistenten Genotypen aus ganz Deutschland angelegt. Diese Bäume könnten nach 20 Jahren in größeren Mengen fruktifizieren, sodass man mit dem Saatgut dann widerstandsfähigere Bestände anlegen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

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