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© Anja Bunge / Thünen-Institut
Institut für

FI Fischereiökologie

Projekt

Blankaalabwanderung in der niedersächsischen Ems


Federführendes Institut FI Institut für Fischereiökologie

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BALANCE - Blankaalabwanderung in der niedersächsischen Ems

Zum Schutz des Aals verlangt die EU, dass aus jedem europäischen Flusssystem eine ausreichende Anzahl geschlechtsreifer Aale erfolgreich ins Meer abwandern kann. Da quantitative Erhebungen der Aalabwanderung aufwendig sind, erfolgt die Evaluierung über das Erreichen der Managementziele vielerorts auf Grundlage von Bestandsmodellen. Ergebnisse dieser Modelle sind zumeist mit großen Unsicherheiten behaftet. Das Projekt BALANCE kombiniert einen „Fang-Wiederfang“-Studienansatz und akustische Telemetrie, um eine möglichst robuste Quantifizierung der abwandernden Aale aus dem Einzugsgebiet der Ems zu erzielen. Die Ergebnisse sollen mit Vorhersagen des in Deutschland gängigen Bestandsmodells zum Aal verglichen werden, um dieses zu validieren und mögliches Verfeinerungspotential zu identifizieren.

Hintergrund und Zielsetzung

Durch eine Vielzahl von Faktoren sinken die Bestandszahlen des Europäischen Aals seit Jahrzehnten, sodass die Spezies vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) als „außerhalb sicherer biologischer Grenzen“ eingestuft wird. Als Reaktion auf diese Entwicklung hat die Europäische Union über die Gemeinsame Fischereipolitik Maßnahmen zum Wiederaufbau des Bestandes eingeleitet.

Vorrangiges Ziel der Aal-Verordnung ist es, die Abwanderung von geschlechtsreifen Aalen, sogenannten Blankaalen, aus den Küsten- und Binnengewässern zu erhöhen. Um die Zielvorgaben zu erreichen, sollen aus jedem Flusssystem mindestens 40% der Biomasse abwandern können, die vormals ohne menschlichen Einfluss abgewandert sind. So soll langfristig sichergestellt werden, dass durch genügend potenzielle Laichfische der Erhalt des Bestandes gesichert werden kann.

Ein Monitoring des europäischen Gesamtbestandes ist aufgrund der räumlichen Ausdehnung nicht realisierbar. Zudem gehen fundierte, quantitative Erhebungen mit hohem Aufwand einher. Daher erfolgt die Quantifizierung der Blankaal-Abwanderung aus den deutschen Flussgebieten in der Regel anhand von Modellrechnungen. Die Eingangsparameter des hierzulande verwendeten „deutschen Aalmodells“ basieren jedoch auf Annahmen. Diese haben gravierenden Einfluss auf die Modellprognose, können jedoch nicht für jedes Gewässer in Gänze spezifisch überprüft werden.

Um den Erfolg der Management-Maßnahmen bewerten zu können, ist es unerlässlich, die Modellierungsergebnisse anhand empirischer Studien zur Blankaalabwanderung zu überprüfen. Durch den Vergleich der Modellvorhersage mit den tatsächlich observierten Abwanderungszahlen sollen Rückschlüsse über die Güte des deutschen Aalmodells und zum potentiellen Modifikationsbedarf gezogen werden.

Zudem sollen weitere Erkenntnisse über das Wanderverhalten von Aalen in Abhängigkeit ihres Entwicklungsstadiums und in Korrelation mit verschiedenen Umweltparametern gewonnen werden. Die Telemetriedaten sollen weiterhin Auskunft über mögliche Migrationshindernisse (z.B. Schleusenanlagen) in der Ems erlauben. Die Ergebnisse versprechen ein verbessertes Verständnis der gewässerspezifischen Abwanderungsdynamik und tragen dazu bei, die Erhaltung und Bewirtschaftung des Europäischen Aals im Emsgebiet zu verbessern.

Vorgehensweise

Für die empirische Schätzung der Gesamtzahl abwandernder Aale haben sich sogenannte Fang-Wiederfang-Studien bewährt. In Zusammenarbeit mit einem ortsansässigen Fischereibetrieb wird das Gewässer an einem Monitoring-Standort befischt und der Fang dokumentiert. Im Rahmen dieser Arbeiten werden Reifestadium, Körperlänge und -masse sowie aus einer Unterprobe das Wachstumsprofil der abwandernden Blankaale ermittelt. Eine bestimmte Anzahl abwandernder Blankaale wird markiert und stromaufwärts des Fanggeräts wieder ausgesetzt. Aus der Wiederfangrate markierter Fische lässt sich die Abwanderungsmenge errechnen.

Der Einsatz von akustischer Telemetrie erlaubt eine exaktere Quantifizierung von abwandernden Aalen unter Berücksichtigung des Anteils markierter Aale, die ihre Wanderung abbrechen bzw. im Gewässersystem verbleiben. Zudem liefern Empfängerstationen entlang des Ems-Hauptstroms Erkenntnisse über das Wanderverhalten in Abhängigkeit des Reifegrades der Blankaale und erlauben die Identifikation von gewässerspezifischen Migrationshindernissen. Parallel dazu soll der Einfluss von Umweltparametern (z. B. Temperatur, Mondphase und Abflussmenge) auf das Abwanderungsverhalten analysiert werden, um zukünftig neben der Menge auch den Zeitpunkt der Blankaalabwanderung anhand von Umweltdaten vorhersagen zu können.

Unsere Forschungsfragen

  • Stimmen Modellprognosen zur Blankaalabwanderung mit der tatsächlich erhobenen Populationsgröße überein?
  • Welche Veränderungen am „deutschen Aalmodell“ erwirken eine bessere Prognose der Populationsgröße?
  • Unterscheidet sich das Wanderverhalten in Abhängigkeit des Reifegrades der Blankaale?
  • Welche Bedeutung haben Verbauungen (Schleusenanlagen) für den Abwanderungserfolg der Blankaale?
  • Kann die Wanderaktiviät anhand von Umweltfaktoren vorhergesagt werden?

Ergebnisse

Im Projekt BALANCE wurde die Aal-Abwanderung aus der Ems über einen Zeitraum von zwei Jahren anhand einer Fang-Wiederfang- und einer Telemetrie-Studie empirisch erhoben und mit den Ergebnissen der GEM-Modellierung für dasselbe Gebiet verglichen. Ergänzend wurden Untersuchungen zum Abwanderungsverhalten von Blankaalen in Abhängigkeit unterschiedlicher Umweltfaktoren durchgeführt.

Die Hauptabwanderungszeit der Blankaale erstreckte sich in der Wandersaison 2020/2021 von Mitte September bis Ende Januar und in 2021/22 von Mitte September bis Februar. Der Beginn der Abwanderung korrelierte dabei mit sinkenden Temperaturen im Herbst, wobei insbesondere die Strömungsgeschwindigkeit eine wichtige Rolle in der Abwanderungsdynamik spielte. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass im Frühjahr gefangene Blankaale im Vergleich zu den im Herbst gefangenen Individuen ihre Wanderung oftmals unterbrachen. Dies galt insbesondere für Aale des Vorwanderstadiums SI-III, weshalb diese nicht grundsätzlich als abwandernde Blankaale eingestuft werden sollten.

Die Projektergebnisse zeigen, dass die tatsächliche Gesamtabwanderung von Blankaalen aus der Ems deutlich niedriger ist als angenommen. Die erhobenen Abwanderungszahlen erreichen nur ca. 17 % der Werte, die das GEM für dasselbe Gebiet berechnete. Die modellierte Schätzung übersteigt die reale Abwanderung also ungefähr um das sechsfache. Auch in vorangegangenen Evaluierungen des GEMs wurde die Abwanderung von Aalen häufig überschätzt. Ein systematischer Fehler bei der Auswahl der Eingangsparameter (zu optimistische Betrachtung) und/oder fehlerhafte Annahmen des Modells an sich sind dafür mögliche Erklärungen, weshalb von einer nicht Gewässer-spezifisch validierten Anwendung der GEM-Ergebnisse für die Umsetzung des deutschen Aalmanagements abgeraten werden muss.

Beteiligte externe Thünen-Partner

  • Van Hall Larenstein University of Applied Sciences
    (Leeuwarden, Niederlande)

Geldgeber

  • Bundesland Niedersachsen
    (national, öffentlich)
  • EU - Europäischer Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF)
    (international, öffentlich)

Zeitraum

1.2020 - 4.2023

Weitere Projektdaten

Projektfördernummer: NI-1-18-004
Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Marohn L, Höhne L, Freese M, Pohlmann J-D, Hanel R (2023) Blankaalabwanderung in der niedersächsischen Ems. Bremerhaven: Thünen-Institut für Fischereiökologie, 1 p, Project Brief Thünen Inst 2023/43, DOI:10.3220/PB1697190854000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067036.pdf

  2. 1

    Huisman JBJ, Höhne L, Hanel R, Kuipers H, Schollema PP, Nagelkerke L (2023) Factors influencing the downstream passage of European silver eels (Anguilla anguilla) through a tidal sluice. J Fish Biol 103(2):347-356, DOI:10.1111/jfb.15398

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066447.pdf

  3. 2

    Höhne L, Pohlmann J-D, Freese M (2023) Minimally invasive collection of biometric data including maturation stage on European Eel using photography. Mar Coastal Fish 15(2):e10239, DOI:10.1002/mcf2.10239

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066281.pdf

  4. 3

    Höhne L, Freese M, Pohlmann J-D, Diekmann M, Fladung E, Huisman JBJ, Hanel R, Marohn L (2023) Overestimating management progress - modelled vs. monitored silver eel escapement in a North Sea draining river. ICES J Mar Sci 80(7):1936-1948, DOI:10.1093/icesjms/fsad122

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066674.pdf

  5. 4

    Marohn L, Höhne L, Freese M, Pohlmann J-D, Hanel R (2023) Silver eel escapement in the River Ems. Bremerhaven: Thünen Institute of Fisheries Ecology, 1 p, Project Brief Thünen Inst 2023/43a, DOI:10.3220/PB1697191686000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067037.pdf

  6. 5

    Merk B, Höhne L, Freese M, Marohn L, Hanel R, Pohlmann J-D (2023) To hear or not to hear: selective tidal stream transport can interfere with the detectability of migrating silver eels in a tidal river. Animal Biotelemetry 11:44, DOI:10.1186/s40317-023-00353-y

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067439.pdf

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