Die Scheidung ist vollzogen, die EU-Abgeordneten des Vereinigten Königreichs haben ihre Koffer gepackt, teils mit Trauer, teils mit Jubel. Doch damit ist der Brexit noch lange nicht Geschichte. Elf Monate – bis Ende 2020 – haben die Unterhändler beider Seiten nun Zeit, um die weiteren Beziehungen zwischen dem Inselstaat und der EU zu regeln. Ein ambitionierter Zeitplan!
Die Ausgangslage und mögliche wirtschaftliche Folgen des Brexit für die Agrarwirtschaft und die Fischerei haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts analysiert.
Überschaubare Konsequenzen für deutsche Agrarwirtschaft
Wie sich die Handelsbeziehungen weiter entwickeln, hängt entscheidend von den künftigen Zollregelungen ab. Am 13. März 2019 hat die britische Regierung eine Liste von Importzöllen und -quoten veröffentlicht, die nach dem Brexit ohne Einigung mit der EU27 in Kraft treten würden. Die Zölle und Quoten werden nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung (MFN) erhoben und gelten demnach nicht nur für die EU, sondern für alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO).
Der Liste zufolge sind 87 % der Importe ins Vereinigte Königreich frei von protektionistischen Maßnahmen. Handelsbeschränkungen würden im Wesentlichen für Autos, Aluminium, bestimmte Keramiken, Bioethanol und Agrarprodukte bestehen bleiben.
Die Briten sind ein wichtiger Agrarhandelspartner Deutschlands. 2017 exportierte Deutschland landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 4,8 Milliarden Euro in das Vereinigte Königreich, während die Importe 1,6 Milliarden Euro betrugen. Das machte für Deutschland einen Überschuss in Höhe von ca. 3,2 Milliarden Euro – so hoch wie mit keinem anderen Land. „Nach unseren Berechnungen verringert sich der Agrarüberschuss Deutschlands durch den Brexit um circa eine Milliarde Euro“, sagt Dr. Martin Banse, Leiter des Thünen-Instituts für Marktanalyse. Das ist deutlich weniger, als in den vor März 2019 erstellten Analysen befürchtet wurde.
Für Getreide, Obst und Gemüse, Getränke und Tabak würde das Vereinigte Königreich dann zollfreie Einfuhren zulassen. Für Reis, Fleisch und Wurstwaren fallen Zölle an, die aber geringer sind als in früher zugrunde gelegten Szenarien.
Aktuell ist zu erwarten, dass die deutsche Agrarproduktion als Folge des Brexit um insgesamt 190 Millionen Euro zurückgehen wird. Die deutsche Produktion wird in kaum einer Warengruppe mehr als 0,5 % zurückgehen. Ausnahmen bilden die Schweine- und Geflügelzucht sowie Schweine- und Geflügelfleisch, wo mit einem Rückgang um rund 1,2 % gerechnet wird. Bei Weizen, Zucker, Rindfleisch und Milch werden sogar leichte Produktionsanstiege von 0,1 – 0,8 % erwartet.
Fischereiwirtschaft vor großen Herausforderungen
Komplizierter sieht die Lage im Fischereisektor aus. Mit ihrem Ausscheiden unterliegen die Briten nicht mehr der Gemeinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union.